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Vorsteuerabzug aus Anzahlungen

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 27.3.2019, V R 11/19 (V R 35/15)

 

1. Der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung setzt voraus, dass der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ sein muss.

2. Maßgeblich ist hierfür, ob im Zeitpunkt der Anzahlung alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands bereits bekannt sind, so dass der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt ist.

3. Der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung hängt nicht davon ab, ob der Zahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann und ob er das will.

4. Es reicht aus, wenn anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass der Anzahlende zum Zeitpunkt der Zahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung ungewiss ist.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Bestellt wurde im Jahr 2010 die Lieferung eines Blockheizkraftwerks. Der Lieferant (L-GmbH) bestätigte den Auftrag am 29.3.2010 und erteilte für den Liefergegenstand eine Vorausrechnung über 22.500 € (zzgl. 19% USt 4.275 €). Der Kunde (Auftraggeber) entrichtete die geforderte Anzahlung an die L-GmbH am 11.5.2010.

Zeitnah schloss der Auftraggeber mit G2, einem Partnerunternehmen der L-GmbH, einen Verwaltungsvertrag und mietete von G2 einen Stellplatz für das noch zu errichtende Blockheizkraftwerk. Der Auftraggeber schloss außerdem mit G2 einen „Premium Service Vertrag“ ab. In diesem verpflichtet sich G2, gegen pauschales Entgelt alle Serviceleistungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs des Blockheizkraftwerks durchzuführen.

Die L-GmbH war jedoch technisch nicht in der Lage, das Blockheizkraftwerk zu liefern. Über das Vermögen der L-GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und mangels Masse eingestellt.

Der Auftraggeber machte für das Streitjahr 2010 den Vorsteuerabzug aus seiner Anzahlung geltend. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug nicht an. Es habe sich um einen unberechtigten Steuerausweis (im Sinne des § 14c Abs. 2 S. 2 UStG) gehandelt, der den Auftraggeber nicht zum Vorsteuerabzug berechtige.

 

 

Lösung

Die Anzahlung berechtigte den Auftraggeber zum Vorsteuerabzug.

 

Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG). Im Streitfall hat der Auftraggeber die geforderte Anzahlung für das bestellte Blockheizkraftwerk geleistet. Darüber hinaus lag dem Auftraggeber eine Rechnung über die (künftige) Lieferung eines Blockheizkraftwerks (im Sinne von § 14 Abs. 5 S. 1 UStG) vor, die den Anforderungen an die Rechnungsangaben nach § 14 Abs. 4 UStG genügt.

Auch die weitere Bedingung (basierend auf der EuGH-Rechtsprechung), dass der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ sein muss, ist erfüllt. Im vorliegenden Fall waren alle maßgeblichen Elemente der künftigen Lieferung des Blockheizkraftwerks, wie etwa Kaufgegenstand, Kaufpreis, Lieferzeitpunkt, festgelegt. Es reicht aus, wenn anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass der (Voraus- oder) Anzahlende zum Zeitpunkt der Zahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung ungewiss ist. Ist eine Unsicherheit über die ausstehende Leistungserbringung zu verneinen, entsteht die Steuer aufgrund der Zahlung (nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG) und berechtigt (gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG) zum Vorsteuerabzug.

 

 

Praxishinweise:

  • Seitens des Leistungserbringers ist bei Anzahlungen und Vorauszahlungen die Besteuerung bereits vorzunehmen, wenn die Zahlung eingegangen ist. In einer Endrechnung hat der Unternehmer diejenigen Beträge anzugeben, die vor Ausführung der Leistung vereinnahmt wurden und über die bereits „Vorausrechnungen“ erteilt worden sind (§ 14 Abs. 5 UStG). Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, schuldet der Unternehmer die Umsatzsteuern, die zu viel in Rechnung gestellt wurden (gemäß § 14c Abs. 1 UStG). Diese Verpflichtung besteht so lange, bis die Endrechnung berichtigt wurde.
  • Nur wenn die Erstattung der Umsatzsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert wird – insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden –, muss dem Leistungsempfänger die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet werden; in diesem Fall kann der Leistungsempfänger seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten. Dies setzt jedoch eine Zahlung des Leistenden an die Steuerbehörden voraus.
  • Bei einer Rückzahlung von Anzahlungen ist es nicht möglich, diese auf die Umsatzsteuer zu beschränken. Wird eine Zahlung geleistet, setzt sich der gezahlte „Bruttobetrag“ – egal wie die Zahlung bezeichnet wird (z.B. als Voll-, Teil-, An- oder Vorauszahlung) – aus der rechnerisch in diesem Betrag enthaltenen Umsatzsteuer und dem nach Abzug der Umsatzsteuer verbleibenden Nettoentgelt zusammen. Die Änderung der Bemessungsgrundlage bei Rückgewähr der Anzahlung bzw. des Entgelts ist erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in welchem die tatsächliche Rückzahlung erfolgt.
  • Die Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist nicht nur anzuwenden, wenn das Entgelt (die Anzahlung) wegen der Nichtausführung der Leistung zurückgewährt wird, sondern auch dann, wenn der zur Leistung Verpflichtete die Leistung nicht erbringt und die Anzahlung als Schadensersatz behält. Die zivilrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags (Rückgewähr des Entgelts) ist in diesem Fall ohne Belang. Denn die Vorschrift stellt nicht darauf ab, ob das Entgelt zurückgewährt worden ist.

 

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 1/2020

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