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Zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

 

Das Nachhaltigkeitskriterium wird in der Unternehmensführung immer wichtiger; symptomatisch ist auch die fast inflationäre Auslobung von Nachhaltigkeitsawards. Für Bilanzierungsexperten ist diese Entwicklung an dem klaren Trend zur Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung abzulesen: In Deutschland berichten mittlerweile 92% der 100 umsatzstärksten Unternehmen über ihre Nachhaltigkeitsanstrengungen und damit deutlich mehr als noch vor drei Jahren (73%).


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Fortschritte im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden regelmäßig im Rahmen des KPMG Survey on Sustainability Reporting analysiert (Sustainability = Nachhaltigkeit). Diese Studie wurde kürzlich in bereits 11. Auflage vorgelegt. Ausgewertet wurde nach den am 1.12.2020 publizierten KPMG-Angaben die Berichterstattung der jeweils 100 umsatzstärksten Unternehmen aus 52 Ländern – darunter die 250 größten der Welt. Über ein Viertel der untersuchten Länder (14 von 52) haben eine Berichtsquote von mindestens 90%. Im Länder-Ranking an der Spitze liegen Japan und Mexiko, wo die Unternehmen ausnahmslos über die in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen bestehenden Risiken berichten. Im weltweiten Durchschnitt sind es zwar weniger als in Deutschland, allerdings immerhin noch 80% der von KPMG in die Analyse einbezogenen Großunternehmen.

Allerdings gibt es neben viel Licht auch noch reichlich Schatten. Nachholbedarf wird bei der Berichterstattung über Risiken in Bezug auf die Vielfalt der Arten und Ökosysteme (Biodiversität) festgestellt. Und die mittlerweile fast unüberschaubare Zahl der Nachhaltigkeitsawards mahnt zur Vorsicht. Denn in nicht wenigen Fällen dürfte auch das sog. Greenwashing eine Rolle spielen.

 

 

Lösung

Treiber für die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind neben regulatorischen Anforderungen zunehmend auch die gestiegenen Erwartungen von Kapitalgebern – dies bringt Christian Hell, Leiter des Bereichs Sustainability Services bei KPMG in Deutschland, wie folgt auf den Punkt:

„Nachhaltigkeit wird immer wichtiger für die Equity Story.“

Diese gilt unter Kommunikationsexperten als zentrales Instrument im Rahmen der Kapitalmarktkommunikation (eine Equity-Story kann als eine Art Zusammenfassung eines Business-Plans definiert werden, in der besonders hervorgehoben wird, warum Kapitalanleger dem betreffenden Unternehmen Mittel zuwenden sollten). Deshalb ist für die KPMG-Experten der sich verschiebende Fokus der Berichterstattung, der immer häufiger den Bezug zu potenziellen Geschäftsrisiken herstellt, kaum verwunderlich. Auslöser hierfür ist der Klimawandel. Während man sich vor einigen Jahren insoweit eher noch Gedanken um damit verbundene Reputationsrisiken gemacht habe, sehen die Unternehmen nun zunehmend finanzielle Risiken. In diesem Zusammenhang sei davon auszugehen, dass auch andere Nachhaltigkeitsthemen wie Menschenrechte, Diversity (z.B. Frauen- oder Ausländeranteil) oder angemessene Entlohnung schon bald auch in ihren finanziellen Dimensionen erkannt werden.

Als ein Thema, das noch vergleichsweise selten in der Berichterstattung auftaucht, wurden in der oben genannten Studie die Risiken in Bezug auf die Vielfalt der Arten und Ökosysteme (Biodiversität) identifiziert. Hierzu finden sich nur bei knapp einem Viertel der Unternehmensberichte entsprechende Hinweise (23%), in Deutschland immerhin in jedem zweiten Bericht. Im Branchenvergleich ist es für den Studienleiter Christian Hell naheliegend, dass die Bergbauindustrie aufgrund ihrer hohen Biodiversitätsauswirkungen mit 51% an der Spitze liegt. Und er geht noch einen Riesenschritt weiter, wenn er ausführt:

„Durch den Klimawandel wird die Biodiversitätskrise noch verschärft und einschneidende Auswirkungen auf uns alle haben: Die Corona-Krise kann letztlich auch zu Teilen auf die Biodiversitätsthematik zurückgeführt werden.“

Davon, dass die Ausrichtung von Geschäftsmodellen auf das Nachhaltigkeitskriterium im Trend liegt, zeugt auch eine andere Studie über die immens gestiegene Zahl von Nachhaltigkeitswettbewerben, also Wettbewerbe, welche die Leistungen von Unternehmen würdigen, die sich besonders für nachhaltige Entwicklungen einsetzen. Angesichts ihrer (zunehmenden) Vielzahl besteht jedoch nicht nur die Gefahr, dass der einzelne Preis an Bedeutung verliert – auch Unternehmen, die sich für eine Teilnahme interessieren, haben zunehmend Schwierigkeiten, glaubwürdige Wettbewerbe zu erkennen.

Wie sehr die Zahl an Nachhaltigkeitswettbewerben in Deutschland zugenommen hat, belegen folgende Daten: Existierte 1963 gerade mal ein einziger Nachhaltigkeitswettbewerb, waren es 2019 schon 141 Wettbewerbe mit 1.594 Preisträgern in 665 Preiskategorien. Da unter der Vielzahl der Preise auch die Glaubwürdigkeit eines einzelnen Nachhaltigkeitswettbewerbs leidet, ist an der Universität Hohenheim eine Liste erstellt worden, die Orientierung geben soll. In einer systematischen Bestandsaufnahme wurden über 140 Nachhaltigkeitswettbewerbe in Deutschland identifiziert. Die Liste soll in der nächsten Zeit durch detaillierte Zusatzinformationen ergänzt werden und ist verfügbar unter http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2020/1830/.

Trotz der Vielfalt und der damit oft mangelnden Transparenz sollten sich kaufmännische Führungsetagen durchaus mit den Teilnahmemöglichkeiten auseinandersetzen, die infolge beträchtlicher Kosten und Kapazitätsbindungen ja nicht zum Nulltarif zu haben sind. Denn insbesondere können Nachhaltigkeitswettbewerbe dazu anregen, sich näher mit dem eigenen Unternehmen auseinanderzusetzen. Zudem hilft diese Analyse beim Benchmarking, also bei der Einordnung des eigenen Unternehmens im Vergleich zu anderen. Natürlich kann dann eine Wettbewerbsteilnahme auch zu einer Stärkung der eigenen nachhaltigen Entwicklung motivieren, um vielleicht selbst einmal als Vorreiter und Beispielgeber ausgezeichnet zu werden.

In der Unternehmenspraxis können Bilanzbuchhalter/innen und Controller/innen insoweit entscheidende Weichenstellungen bewirken: Denn wenn es beispielsweise Controllern in ihrer Funktion als Business-Partner der Geschäftsführung – möglicherweise gestützt auf Aussichten zur Erlangung von Nachhaltigkeitsawards – gelingt, das Augenmerk auf eine nachhaltigere Ausrichtung des Geschäftsmodells zu lenken, dann fördert die Nähe zu den Bilanzbuchhaltern die Umsetzung entsprechender Aktivitäten im Rahmen der Berichterstattung. Letztere sind gut beraten, sich mit ihren spezifischen Kenntnissen neben der rechnungslegungsbezogenen Pflichtberichterstattung auch der freiwilligen Kapitalmarktkommunikation (Stichwort „Investor Relations“) zu widmen (vgl. hierzu u.a. Kälberer, BC 2020, 337 ff., Heft 7, BC 2020, 421 ff., Heft 9). Dann kann sich eine gegebenenfalls im Rahmen von Nachhaltigkeitswettbewerben erhaltene Auszeichnung besonders auszahlen, da diese durchaus einer Equity-Story den richtungsweisenden Unterschied zum Wettbewerber verleihen könnte.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Der Arbeitskreis Business Excellence and Sustainability Transformation (AK BEST, Leitung: Dr. Beate Gebhardt) der Universität Hohenheim befasst sich praxisorientiert mit der Exzellenz von Unternehmen und den dafür geeigneten Bewertungs- und Kommunikationsinstrumenten, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Um Stakeholdern Orientierung oder herausragenden Ansätzen mehr Sichtbarkeit zu geben, werden im Dialog und permanenten Austausch von Wissenschaft und Praxis Möglichkeiten ausgelotet und neue Ansätze entwickelt. Weitere Informationen zur Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitswettbewerbe in Deutschland 2020 sind abrufbar unter http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2020/1830/.
  • Für die oben genannte KPMG-Analyse wurden zwischen dem 1.7.2019 und dem 30.9.2020 veröffentlichte Geschäfts-, Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte sowie eigenständige Berichte und Unternehmens-Webseiten untersucht. Die ausführliche Studie finden interessierte Bilanzbuchhalter/innen und Controller/innen als PDF-Dokument unter https://home.kpmg/de/de/home/media/press-releases/2020/12/kpmg-studie-nachhaltigkeitsberichterstattung-setzt-sich-durch.html.
  • Auch beim IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) gerät die nichtfinanzielle Berichterstattung mehr und mehr in den Prüfungs-Fokus: So wurden kürzlich drei Standpunkte vorgestellt, deren Beachtung maßgeblich zur Stärkung einer verlässlichen nichtfinanziellen Berichterstattung beitragen soll. Es handelt sich erstens um die Standardisierung im CSR-Reporting, zweitens um die Präferenz für eine integrierte Berichterstattung (die Berichterstattung sollte somit nicht nur finanzielle, sondern auch nichtfinanzielle Informationen umfassen; bisher nichtfinanzielle ESG-Aspekte (ESG = Environmental, Social, Governance) könnten in monetäre Größen überführt und Teil einer Gesamterfolgsrechnung werden) und drittens um die Prüfung zwecks Vertrauensstärkung. Das neue IDW-Positionspapier ist Teil einer Serie von Veröffentlichungen des IDW zum Thema „Nachhaltigkeit“. Zuvor wurde zuletzt im Oktober 2020 das IDW-Positionspapier zu „Sustainable Finance – Auswirkungen auf Kreditinstitute“ veröffentlicht (die IDW-Positionspapiere sind unter www.idw.de/idw/verlautbarungen/idw-positionspapiere abrufbar).
  • Eine weitere Studie zur nichtfinanziellen Berichtspraxis im DAX 160 hat ergeben, dass fast zwei Drittel der Unternehmen einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, von denen 38% einer externen Prüfung unterzogen wurden. Zentrale Erkenntnisse der von der Kirchhoff Consult AG und der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft neu aufgelegten Studie sind in BDO-Angaben vom 8.10.2020 unter https://www.bdo.de/de-de/news/2020/quo-vadis-die-nichtfinanzielle-berichterstattung-im-dax-160 aufgelistet worden. Dort steht auch die vollständige DAX 160-Studie zum Download bereit.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 1/2021

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