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Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer: Ausübung des Zuordnungswahlrechts zum Unternehmensvermögen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Beschluss vom 18.9.2019, XI R 3/19

Im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Erfordernis der fristgebundenen Abgabe einer unternehmensbezogenen Zuordnungsentscheidung dem Unionsrecht entspricht. Damit bringt der BFH Zweifel daran zum Ausdruck, dass im Falle eines sog. Zuordnungswahlrechts beim Leistungsbezug der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanzamt nicht getroffen wurde.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Im zum BFH gelangten Verfahren hat der Inhaber eines Gerüstbaubetriebs in 2015 ein Einfamilienhaus mit einer Nutzfläche von insgesamt ca. 150 qm errichtet, wovon auf ein in der Bauzeichnung so gekennzeichnetes Arbeitszimmer ca. 17 qm entfielen. Erst in der am 28.9.2016 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2015 – nicht aber in den zuvor eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen – machte der Kläger für die Errichtung des Arbeitszimmers anteilig Vorsteuern geltend.

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug wegen der nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres als gesetzlicher Abgabetermin der Steuererklärung) erfolgten Zuordnung des Zimmers zum Unternehmensvermögen. Einspruch und Klage des Gerüstbauers blieben ohne Erfolg. Das Sächsische FG führte in seinem Urteil vom 19.3.2018, 5 K 249/18 (EFG 2019, 1861), aus, dass der begehrte Vorsteuerabzug wegen der nicht rechtzeitigen (bis zum 31. Mai des Folgejahres) Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmensvermögen nicht in Betracht komme.

Demgegenüber vertritt der Gerüstbauer die Auffassung, dass es auf die Umsatzsteuererklärung nicht ankomme, da mit der Bauzeichnung und der tatsächlich ausschließlich unternehmerischen Nutzung ausreichende Anhaltspunkte für eine Zuordnung der bezogenen Leistungen zum Unternehmen vorlägen.

 

 

Lösung

Der BFH vertritt im Vorlagebeschluss die Auffassung, dass nach den von ihm zur Zuordnungsentscheidung entwickelten Kriterien (vgl. dazu die Tabelle) die Revision des klagenden Gerüstbauers unbegründet wäre. Zweifelhaft sei jedoch, ob ein EU-Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen dürfe. Zwar gehe das Unionsrecht in Art. 168a Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ausdrücklich von einer „Zuordnung“ von Gegenständen aus. Es enthalte jedoch keine näheren Regelungen hierzu.

 

 

Bisherige Zuordnungskriterien gemäß BFH-Rechtsprechung

  1. Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert als innere Tatsache eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers.

(1) Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, hingegen die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen.

(2) Auch die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung kann gegebenenfalls ein Indiz für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sein.

(3) Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden. Dies gilt auch bei beabsichtigter oder tatsächlicher unternehmerischer Nutzung; denn in einem solchen Fall steht es dem Unternehmer gleichwohl frei, den Gegenstand in vollem Umfang seinem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen und damit dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen.

  1. Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung schon bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen ist.

(1) Aus Gründen der Praktikabilität kann nach der Rechtsprechung des BFH gleichwohl die Zuordnungsentscheidung spätestens und mit endgültiger Wirkung in einer „zeitnah“ erstellten Umsatzsteuererklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) für das Jahr, in das der Leistungsbezug fällt, nach außen dokumentiert werden.

(2) Den Zeitpunkt der „zeitnah“ zu treffenden Zuordnungsentscheidung hat der BFH durch Bezugnahme auf den Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (§ 149 Abs. 2 S. 1 AO; im Streitjahr: 31. Mai des Folgejahres, jetzt: 31. Juli des Folgejahres) konkretisiert (ständige Rechtsprechung).

 

 

 

Mit dem Vorabentscheidungsersuchen soll auch geklärt werden, welche Rechtsfolgen eine nicht (rechtzeitig) getroffene Zuordnungsentscheidung hat. Sollte der EuGH die bisherige (nationale) Handhabung als zu restriktiv ansehen, würde das die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs bei unternehmerischer Tätigkeit und sog. gemischter Nutzung erleichtern. Somit bleibt die Antwort des EuGH auf den Vorlagebeschluss abzuwarten, in dem der BFH wörtlich fragt: „Steht Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?“

Der BFH nimmt in seiner Begründung eine Bejahung dieser Frage vorweg: Soweit die vom EuGH in der Entscheidung vom 25.7.2018, C-140/17, Gmina Ryjewo (EU:C:2018:595, UR 2018, 687), formulierten Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragbar seien, könnten die Steuererklärung vom 28.9.2016 oder eventuelle Eintragungen in Bauplänen oder eine implizit (im Handeln direkt oder indirekt inbegriffene) bestehende Absicht, die der Steuerpflichtige später geäußert hat, als ausreichende Indizien für eine unternehmerische Zuordnung beurteilt werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese Indizien nicht für das Finanzamt erkennbar sein müssen und dementsprechend keine Zuordnungsfrist mit ausschließender Wirkung gilt bzw. wenn entgegen der bisherigen Rechtsprechung bei Fehlen von Beweisanzeichen eine Vermutung für eine Zuordnung zum Unternehmen besteht.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Im Streitfall ist der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG ausgeschlossen, da die Fläche des unternehmerisch genutzten Zimmers (mit 17 qm) 11% der Gesamtnutzungsfläche (150 qm) des gemischt genutzten Grundstücks beträgt und somit die unternehmerische Mindestnutzung (von 10%) erfüllt ist.
  • In einem weiteren Verfahren, das den Erwerb einer Photovoltaikanlage durch einen Privatmann betrifft, hat der BFH mit Beschluss vom selben Tage (Az.: XI R 7/19) ebenfalls den EuGH angerufen. Soweit die vom EuGH in der Entscheidung Gmina Ryjewo (UR 2018, 687) formulierten Grundsätze auf den Photovoltaikanlagen-Fall übertragbar sind, könnten die in dem Fall am 29.2.2016 abgegebene Steuererklärung, die unternehmerische Nutzung der Photovoltaikanlage oder der Abschluss des Einspeisevertrags als ausreichende Indizien für eine unternehmerische Zuordnung beurteilt werden.
  • Ob der EuGH wie schon vom BFH vorweggenommen (siehe oben „Lösung“, letzter Absatz) entscheidet, bleibt abzuwarten. Streitfälle mit entsprechenden Sachlagen sollten mit Verweis auf die BFH-Beschlüsse offen gehalten werden.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 2/2020

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