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Keine Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft durch Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 27.11.2019, XI R 35/17

 

Eine Organschaft setzt die finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung des Tochterunternehmens in den Organträger voraus. Umstritten ist, welche Auswirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen Eingliederungs-Dreiklang hat.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin befand sich als 100%ige Tochtergesellschaft unstrittig in einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der Muttergesellschaft. Auf Antrag wurde für beide Gesellschaften das Insolvenzverfahren verfügt und jeweils die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet. Ein Rechtsanwalt wurde zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Drei Monate später wurden das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Unstreitig bestand seit diesem Zeitpunkt keine Organschaft mehr.

Die Klägerin und das erstinstanzliche Finanzgericht gingen davon aus, dass die Organschaft bereits mit der vorläufigen Eigenverwaltung und der Bestellung des vorläufigen Sachwalters geendet hat, da die organisatorische Eingliederung entfallen sei.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass im Falle der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters ohne Zustimmungsvorbehalt der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung nach wie vor wahrnehmen kann. Somit habe die Organschaft während der vorläufigen Eigenverwaltung weiter fortbestanden.

 

 

 

Abb.:Wirkungen der umsatzsteuerlichen Organschaft

 

 

Lösung

Der BFH folgt der Rechtsauffassung des Finanzamts. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Organgesellschaft in Eigenverwaltung entfällt die finanzielle Eingliederung, da gemäß § 276a InsO die Überwachungsorgane (Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung etc.) keinen Einfluss mehr auf die Geschäftsführung der Organgesellschaft haben.

Anders als beim vorläufigen Insolvenzverfahren kommt es bei einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrennicht zu einer Einschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, solange das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Es findet keine „insolvenzrechtlich geprägte Überlagerung der Pflichtenstellung der handelnden Gesellschaftsorgane statt“. Somit handelt der Schuldner während des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens weitgehend autonom. Er unterliegt lediglich der Überwachung durch einen vorläufigen Sachwalter. § 276a InsO gilt während der vorläufigen Eigenverwaltung nicht. Daher bleiben die finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung bestehen. Die umsatzsteuerliche Organschaft bestand daher während der vorläufigen Eigenverwaltung fort.

 

 

 

Praxishinweis:

Zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft müssen die folgenden drei Eingliederungsmerkmale kumulativ erfüllt sein:

  • finanzielle Eingliederung,
  • organisatorische Eingliederung und
  • wirtschaftliche Eingliederung.

Eine finanzielle Eingliederung setzt die mittel- bzw. unmittelbare Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft voraus.

Bedingung für eine organisatorische Eingliederung ist hierbei, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft auch tatsächlich wahrgenommen wird. Es reicht nicht aus, wenn die Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft lediglich eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann. Eine organisatorische Eingliederung liegt regelmäßig vor, wenn in den Leitungsgremien von Mutter- und Tochtergesellschaft eine Personenidentität besteht.

Darüber hinaus erfordert die wirtschaftliche Eingliederung das Erbringen entgeltlicher Leistungen, die für das empfangende Organunternehmen zu mehr als nur einer unbedeutenden Entlastung führen. Erbringt der Gesellschafter gegen Entgelt administrative Leistungen (z.B. Buchhaltung, Personalwesen etc.), so reicht dies in der Regel nicht aus, um eine wirtschaftliche Eingliederung zu bejahen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2020

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