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Verlagerung der elektronischen Buchführung und von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland

BC-Redaktion

Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 29.1.2021, S 0316.1.1-3/7 St 43

 


 

 

1. Grundsätzliches

Unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht der Gesetzgeber seit Längerem die Verlagerung der elektronischen Buchführung bzw. von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland. Seit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 zum 29.12.2020 ist hierbei folgende Unterscheidung nötig.

Eine Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat der EU ist nunmehr ohne expliziten Antrag möglich. Es ist aber sicherzustellen, dass der Datenzugriff gemäß § 146b Abs. 2 S. 2 AO, § 147 Abs. 6 AO und § 27b Abs. 2 S. 2 und 3 UStG weiterhin in vollem Umfang möglich bleibt, vgl. hierzu § 146 Abs. 2a AO.

Für eine Verlagerung in einen Drittstaat ist gemäß § 146 Abs. 2b AO weiterhin die Bewilligung eines entsprechenden Antrags nötig. Zusätzlich zu der dabei auch künftig erforderlichen Ermöglichung des Datenzugriffs in vollem Umfang (siehe oben) sind weitere Voraussetzungen gemäß § 146 Abs. 2b S. 2 AO zu erfüllen.

 

 

2. Voraussetzungen

Der schriftliche oder elektronische Antrag muss eine detaillierte Beschreibung der für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen enthalten. Dazu gehört auch die Beschreibung des geplanten Verfahrens. Aus dem Antrag muss dem Finanzamt eine Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO möglich sein. Für jeden Steuerpflichtigen ist ein gesonderter Antrag erforderlich (dies gilt auch für Konzerne im Sinne der §§  13 und 18 S. 1 Nr. 1 BpO 2000). Die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD – BMF vom 28.11.2019, BStBl. I 2019, 1269) sind auch nach der Verlagerung zu erfüllen.

 

 

3. Zuständiges FA

Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag richtet sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 16 ff. AO. Das Finanzamt kann nur für seinen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich eine Bewilligung nach § 146 Abs. 2b AO erteilen; daher gelten insbesondere von der Zollverwaltung erteilte Bewilligungen nicht für die Steuerverwaltung und umgekehrt. Der Antragsteller ist auf die Reichweite der Bewilligung hinzuweisen.

Vor einer abschließenden Entscheidung im Zusammenhang mit § 146 Abs. 2b AO ist bei Konzernen im Sinne der §§ 13 und 18 S. 1 Nr. 1 BpO 2000 das Finanzamt, das für die Besteuerung des herrschenden oder einheitlich leitenden Unternehmens zuständig ist, zu beteiligen. Über die jeweilige Bewilligung entscheidet das örtlich zuständige Finanzamt.

 

 

4. Keine Beeinträchtigung der Besteuerung

Die Verlagerung darf wegen des Erfordernisses einer effizienten Steuerkontrolle nur bei solchen Steuerpflichtigen bewilligt werden, die in der Vergangenheit ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Weiterhin ist zu prüfen, ob durch die Verlagerung die Besteuerung zukünftig beeinträchtigt wird. Zu den steuerlichen Pflichten gehören die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren, die einschlägigen Ordnungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der AO sowie die Auskunfts- und Vorlagepflichten einschließlich der Gewährung des Datenzugriffs im Rahmen einer Außenprüfung gemäß §§ 193 ff. AO bzw. einer Kassen-Nachschau gemäß § 146b AO bzw. einer Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b Abs. 2 S. 2 und 3 AO. Die Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung umfasst die Erfüllung sämtlicher steuerlichen Pflichten, nicht nur die Erfüllung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten.

Bei der Prüfung, ob die Besteuerung beeinträchtigt ist, können z.B. folgende Umstände von Bedeutung sein:

  • Nicht ordnungsgemäßes Abgabeverhalten des Steuerpflichtigen
  • Einleitung von Steuerstrafverfahren oder -ordnungswidrigkeitenverfahren der Bußgeld- und Strafsachenstelle oder Steuerfahndung in steuerlichen Angelegenheiten
  • Notwendigkeit von Vollstreckungsverfahren wegen unzureichender Erfüllung von eigenen steuerlichen Zahlungspflichten
  • Verstöße gegen § 138 AO in Form der Unterlassung der Meldung von ausländischen Gesellschaftsbeteiligungen
  • Das Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit großer Auskunftsklausel mit dem „Verlagerungsstaat“.

Die Besteuerung ist dann nicht beeinträchtigt, wenn eine lückenlose Prüfung der Gewinnermittlung vom Inland aus in gleicher Art und Weise möglich ist wie bei Steuerpflichtigen mit DV-gestützter Buchführung im Inland. Die angeforderten Unterlagen müssen unverzüglich zur Verfügung stehen, die angeforderten Auskünfte zeitnah erteilt werden und Datenzugriffsmöglichkeiten in vollem Umfang zur Verfügung stehen.

Der Steuerpflichtige kann die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten im Inland nicht dadurch einschränken, dass er sich auf ausländische Bestimmungen beruft, die diesen entgegenstehen könnten (z.B. datenschutzrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen).

Die Bewilligung kann unter Aufnahme von Nebenbestimmungen erteilt werden (§ 120 AO).

 

 

5. Widerruf der Bewilligung

Liegen die Voraussetzungen für eine Bewilligung nicht mehr vor, ist sie zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung in den Geltungsbereich der AO zu verlangen. Insbesondere wenn der Steuerpflichtige nach Bewilligung der Verlagerung seinen in § 146 Abs. 2b AO bezeichneten Mitwirkungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt und dadurch die Besteuerung beeinträchtigt wird, ist die Bewilligung zu widerrufen.

Der Vollzug der Rückverlagerung ist nachzuweisen. Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung innerhalb einer ihm bestimmten Frist nach Bekanntgabe nicht nach, kann nach § 146 Abs. 2c AO ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden.

 

 

6. Ermessensvorschrift

Über den Antrag des Steuerpflichtigen bzw. die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bewilligung ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden.

 

Praxishinweise:

  • Es können auch nur ein oder mehrere Teile der elektronischen Buchführung oder der elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland verlagert werden.
  • Der Steuerpflichtige muss bei der Verlagerung der elektronischen Buchführung in einen Drittstaat (z.B. Albanien, Indien) insbesondere der zuständigen Finanzbehörde
    – den Standort des DV-Systems und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilen (§ 146 Abs. 2b AO; dies ist bei einer Verlagerung in einen EU-Mitgliedstaat nicht mehr erforderlich) sowie
    – in vollem Umfang den Datenzugriff ermöglichen.
  • Wird eine Buchführung in Drittstaaten verlagert, ist die hierfür erforderliche Beantragung künftig – anstelle eines schriftlichen Antrags – auch elektronisch möglich.

 

Warnhinweis:

Nach wie vor besteht das Risiko eines Widerrufs der Bewilligung durch die zuständige Finanzbehörde (gemäß § 146 Abs. 2a AO). Da bei einem Widerruf der Bewilligung keine Karenzzeit für die Rückverlagerung besteht, könnten deutsche Unternehmen kurzfristig vor der Aufgabe stehen, neues Personal für die Buchhaltung im Inland zu rekrutieren und die weiterhin erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

 

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 4/2021 

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