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Neue Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung

Uwe Jüttner

BMF-Schreiben vom 26.2.2021, IV C 3 – S 2190/21/10002 :013; DOK 2021/0231247

 

Mit dem Bund-Länder-Beschluss vom 19.1.2021 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer angekündigt, dass zur Stimulierung der Wirtschaft und zur Förderung der Digitalisierung bestimmte digitale Wirtschaftsgüter rückwirkend ab 1.1.2021 sofort abgeschrieben werden können. Es wurde eine schnelle untergesetzliche Regelung avisiert, von der vor allem alle, die im Home-Office arbeiten, profitieren sollen.


 

Praxis-Info!

Mit der Vorankündigung wurden aber auch viele Fragen aufgeworfen, die es zu klären gilt. Vor allem ist es wichtig zu wissen, was unter Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung zu verstehen ist. Was gehört alles zu den bestimmten digitalen Wirtschaftsgütern, die die Digitalisierung fördern sollen?

Die angekündigte untergesetzliche Regelung liegt nun als BMF-Schreiben vor.

Wer über Digitalisierung spricht, kommt an Computerhardware einschließlich Peripheriegeräten sowie für die Dateneingabe und -verarbeitung erforderlicher Betriebs- und Anwendersoftware nicht vorbei. Der technologische Wandel schreitet immer schneller voran und das bedeutet, dass die bisherigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern von 3 bis 5 Jahren an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden müssen. Hier sollen nun folgende neue Grundsätze als Ergebnis der Erörterungen der obersten Finanzbehörden der Länder gelten (zusammenfassend wiedergegeben):

Für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer kann für die nachfolgend aufgeführten materiellen Wirtschaftsgüter „Computerhardware“ sowie die näher bezeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter „Betriebs- und Anwendersoftware“ abweichend eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden. Damit können die Anschaffungs- und Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG oder als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abgezogen werden.

Die bestehenden Grundvoraussetzungen (beweglich, abnutzbar, selbständig nutzbar und bewertbar sowie langfristig dem Betrieb dienend) für ein GWG – Geringwertiges Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 2 und 2a EStG in der Sofortabschreibung und im Sammelposten – gelten damit für diese Wirtschaftsgüter nicht mehr. Insbesondere die selbständige Nutzbarkeit, die bislang Desktop-PCs, Monitore, reine Drucker, Tastaturen und Mäuse, Beamer und Scanner zu langlebigen Wirtschaftsgütern mit einer Nutzungsdauer von 3 Jahren (laut amtlichen AfA-Tabellen) gemacht hat, ist nun nicht mehr maßgebend.

Der Begriff „Computerhardware“ umfasst

  • Computer,
  • Desktop-Computer,
  • Notebook-Computer (Tablet-, Slate-Computer, mobile Thin-Clients),
  • Desktop-Thin-Clients,
  • stationäre und mobile Workstations,
  • Dockingstations,
  • externe Speicher- und Datenverarbeitungsgeräte (Small-Scale-Server),
  • externe Netzteile sowie
  • Peripheriegeräte. Unter diesen Peripheriegeräten sind alle Geräte, die nach dem EVA-Prinzip (Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe) zur Ein- und Ausgabe von Daten genutzt werden, zu verstehen.

Für die vorgenannte Computerhardware besteht gemäß Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 617/2013 der Kommission vom 26.6.2013 zur Durchführung der Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Computern und Computerservern eine Kennzeichnungspflicht des Herstellers.

 

 

Hinweis:

In einer der kommenden BC-Ausgaben werden die obigen Hardware-Begriffe mit zahlreichen Praxisbeispielen noch näher erläutert.

 

 

Der Begriff „Software“ im Sinne dieses Schreibens umfasst die Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung. Dazu gehören auch die nicht technisch physikalischen Anwendungsprogramme eines Systems zur Datenverarbeitung sowie neben Standardanwendungen auch auf den individuellen Nutzer abgestimmte Anwendungen wie ERP-Software (Enterprise Resource Planning-Software), Software für Warenwirtschaftssysteme oder sonstige Anwendungssoftware zur Unternehmensverwaltung oder Prozesssteuerung.

Erstaunlich ist die nunmehr vorgesehene bilanzsteuerliche Behandlung von ERP-Software. Bislang galten hier die Regelungen des BMF-Schreibens vom 18.11.2005 (BStBl. I 2005, 1025), die eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von mindestens 5 Jahren vorsahen. Betrachtet man die tatsächliche Nutzungsdauer von 8 bis 12 Jahren in den meisten Unternehmen, dann kann hier von einer erheblichen steuerlichen Stimulation der Digitalisierung ausgegangen werden.

Dieses neue BMF-Schreiben findet erstmals Anwendung für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden. Aber es können auch Restbuchwerte für die oben genannten Wirtschaftsgüter, die in früheren Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt wurden und bei denen eine andere als die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde, vollständig im Jahr 2021 abgeschrieben werden (Wahlrecht).

Die obigen angekündigten Entscheidungen werden zweifellos das Investitionsverhalten vieler Unternehmen und im Home-Office tätigen Personen pushen. Eine ganz wichtige Frage steht aber leider noch unbeantwortet im Raum: „Können diese geplanten steuerlichen Regelungen auch in der Handelsbilanz bzw. im IFRS- oder US-GAAP-Abschluss zur Anwendung kommen?“ Eine sichere Antwort auf diese Frage werden wir erst erhalten, wenn das IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer) seine letztmals am 18.12.2017 überarbeitete Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung von entgeltlich erworbener Software beim Anwender (IDW RS HFA 11) neu überarbeitet.

 

 

Bilanzierungshinweis:

Zur Vornahme der planmäßigen Abschreibung bei abnutzbaren Vermögensgegenständen des Anlagevermögens ist in der Handelsbilanz die voraussichtliche Nutzungsdauer zu schätzen. In der Praxis haben Unternehmen in der Vergangenheit hierbei häufig auf die AfA-Tabellen der Finanzverwaltung zurückgegriffen.

Die Anwendung der AfA-Tabellen für handelsrechtliche Zwecke ist jedoch problematisch. Denn die steuerlichen AfA-Tabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter stellen im Gegensatz zum Handelsrecht nicht auf die wirtschaftliche, sondern auf die technische Nutzungsdauer ab. Die durchgängige Anwendung der steuerlichen AfA-Tabellen für die Bestimmung der handelsrechtlichen Nutzungsdauer aufgrund der umgekehrten Maßgeblichkeit ist seit der Einführung des BilMoG (Anwendung spätestens ab dem Geschäftsjahr 2010) nicht mehr möglich. Bei einer Orientierung an den AfA-Tabellen muss die dort entnommene Nutzungsdauer stets vor dem Hintergrund der handelsrechtlichen Anforderungen überprüft werden (vgl. Müller/Nohdurft, BC 2018, 26 ff., Heft 1).

 

 

Uwe Jüttner, EMA®, war von 1981 bis 2009 in der Anlagenbuchhaltung eines großen Maschinenbau-Unternehmens tätig, u. a. als Leiter des Shared Service Centers – Assets Accounting; seit 2009 ist er Präsident der EMAA – European Management Accountants Association e.V. und als Berater und Dozent selbstständig tätig (weitere Informationen finden Sie unter www.anlagenbuchhalter.com)

 

BC 3/2021 

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