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Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen

Christian Thurow

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.6.2021, 5 K 1996/19 (Revision zugelassen)

 

Sind Kryptowährungen ein Wirtschaftsgut? Und wenn ja, was genau ist denn der Kern des Wirtschaftsguts? Die Software? Der Private Key (private Schlüssel)? Viele Fragen, die vom Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg auch nur teilweise beantwortet werden.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger erzielte im Streitjahr Gewinne aus der Veräußerung von diversen Kryptowährungen (u.a. Bitcoin). Aus Sicht des Finanzamts handelte es sich bei den Verkäufen um private Veräußerungsgeschäfte, weshalb die Gewinne nach § 23 EStG besteuert wurden.

In der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger u.a. folgende Argumente geltend:

  • Bei einer Kryptowährung handelt es sich nicht um ein Wirtschaftsgut. Es müsse eine Sache oder ein Recht vorliegen. Bei einer Kryptowährung gebe es dafür vier Anknüpfungspunkte:
    – Software
    – Public Key (öffentlicher Schlüssel)
    –  Private Key (privater Schlüssel)
    – Kombination aus Private Key und Public Key.
    Keiner der genannten Anknüpfungspunkte kann aus Sicht des Klägers ein Wirtschaftsgut darstellen. Teilweise lägen keine Rechte vor (z.B. an der Software), oder es handele sich um Buchstaben-Zahlen-Kombinationen (Keys), welche an sich keinen Wert haben und nicht einzeln veräußerbar sind. Erst die Kombination aller Faktoren schaffe einen wirtschaftlichen Wert; „[d]iese Kombination sei aber dem ‚Inhaber‘ nicht eigen“.
  • Kryptowährungen gewährten keinerlei Ansprüche gegen Dritte und hätten keinen inhärenten (innewohnenden) Wert. Ihr wirtschaftlicher Wert beruhe darauf, dass eine von Dritten unterhaltene und weiter entwickelte Software fortbestehe.
  • Bei der Besteuerung von Einkünften aus dem Handel mit Kryptowährungen bestehe ein strukturelles Vollzugsdefizit, da die Finanzämter von sich aus den Verkauf gar nicht bemerken würden.

 

 

Lösung

Das FG Baden-Württemberg widerspricht in seinem Urteil der Auffassung des Klägers. Das Gericht weist darauf hin, dass der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Er beinhaltet neben Sachen und Rechten im Sinne des BGB auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten. Hierunter sind sämtliche vermögenswerten Vorteile zu verstehen, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die selbständig bewertbar sind.

Kryptowährungen stellen zumindest einen vermögenswerten Vorteil dar. Im Blockchain der Kryptowährung (engl. für Blockkette: webbasiertes, dezentrales Buchhaltungssystem bzw. eine Datenbank zur einheitlichen Datenverknüpfung) wird dem Kläger bzw. seiner Kombination aus öffentlichem und privatem Schlüssel verbindlich ein Anteil an der Währung zugerechnet. Es besteht eine Chance auf Wertsteigerung. Außerdem hat der Kläger die Möglichkeit, die Kryptowährung als Zahlungsmittel zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen zu verwenden. Dass die Akzeptanz der Währung eingeschränkt ist, spielt dabei keine Rolle. Der Handel der Währung auf Internetbörsen zeigt, dass eine einzelne Bewertung möglich ist und ein Markt besteht.

Es liegt auch kein strukturelles Vollzugsdefizit vor, da die Finanzbehörden die Möglichkeit haben, bei Internethandelsplattformen z.B. mittels eines Sammelauskunftsersuchens die zur Feststellung der für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte erforderlichen Auskünfte einzuholen. Die Besteuerung beruht somit nicht nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen.

Basierend auf diesen Argumenten kommt das Finanzgericht zu dem Schluss, dass Kryptowährungen als ein immaterielles Wirtschaftsgut anzusehen sind und der Verkauf innerhalb der Jahresfrist somit ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG darstellt.

 

 

Praxishinweis:

Das Gericht konnte im Ausgangsfall offenlassen, welcher Aspekt der Kryptowährung das immaterielle Wirtschaftsgut darstellt. Die Frage ist aber durchaus relevant. Beispiel:

Ein Kryptoinvestor besitzt zum Zeitpunkt seines Todes ein Portfolio an Kryptowährungen mit einem Marktwert von rund 5 Mio. €. Die Kryptowährungen sind auf einem externen Wallet (virtuelle Brieftasche) gespeichert. Unzweifelhaft sind die Währungen ihm als immaterielles Wirtschaftsgut zuzurechnen. Leider hat er keinerlei Aufzeichnungen über den Private Key hinterlassen. Die Erben verfügen zwar über das externe Wallet, sind also im Besitz der relevanten Blockchain, haben aber keine Möglichkeit, diese zu nutzen. Ist bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer nun auf das externe Wallet, den Private Key oder die Kombination von beiden Elementen abzustellen?

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 1/2022

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