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Schreiben der Finanzverwaltung zum Forschungszulagengesetz

Dr. Martin Weiss

BMF-Schreiben vom 11.11.2021, IV C 3 – S 2020/20/10029 :007; DOK 2021/1158079

 

Durch das „Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung“ vom 14.12.2019 („Forschungszulagengesetz“, FZulG) hat der Gesetzgeber erstmalig eine solche Förderung steuergesetzlich verankert. Das in Kraft getretene Gesetz weicht gerade mit Blick auf seine unionsrechtliche Beihilfeproblematik (Art. 107 bis 109 AEUV) mehr oder weniger deutlich von dem Kabinettsentwurf vom 22.5.2019 ab. Insbesondere die Technik, mit der förderungsberechtigte Steuerpflichtige letztendlich zur Forschungsförderung kommen, ist sehr komplex geworden und beispielsweise anders ausgefallen, als dies beim Investitionszulagengesetz der Fall war.

Nach einem zweistufigen Verfahren bis zur Gewährung der Förderung (§§ 6, 10 FZulG) wird diese am Ende im Erhebungsverfahren der Einkommen- oder Körperschaftsteuer – ähnlich etwa wie eine Anrechnung von Vorauszahlungen auf diese Steuern – auf die festgesetzte Steuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG).


 

 

Praxis-Info!

Diese Besonderheiten sowie zahlreiche weitere Zweifelsfragen rund um die Berechtigung zur Förderung und ihre technische Umsetzung hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun in seinem Schreiben vom 11.11.2021 aus Sicht der Finanzverwaltung dargestellt (ab hier: BMF-FZulG). Mit 316 Randnummern und 70 Seiten ist das Schreiben sehr umfangreich ausgefallen. Grob unterteilt ist das Schreiben in

  • seine ersten 198 Randnummern, die sich mit materiell-rechtlichen Fragestellungen befassen, und
  • die übrigen Randnummern, die dem Verfahrensrecht gewidmet sind.

Gerade das Verfahrensrecht kann dabei besondere Probleme bereiten, da die letztendliche „Auszahlung“ der Forschungszulage im Rahmen der Anrechnungsverfügung des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheids erfolgt. Diese besondere Gesetzestechnik, die dem Unionsrecht geschuldet ist (BMF-FZulG, Rn. 288 ff.), führt zu für die Praxis gewöhnungsbedürftigen Besonderheiten. Zunächst muss der Steuerpflichtige ein zweistufiges Verfahren durchlaufen(BMF-FZulG, Rn. 199). Dieses besteht aus einem

  • Antrag auf Bescheinigung nach § 6 FZulG (BMF-FZulG, Rn. 222 ff.) sowie einem
  • Antrag auf Forschungszulage nach § 5 FZulG (BMF-FZulG, Rn. 204 ff.).

Der Antrag auf Bescheinigung nach § 6 FZulG ist zudem in einer besonderen „Forschungszulagen-Bescheinigungsverordnung“ (FZulBV vom 30.1.2020, BGBl. I 2020, 118) geregelt (BMF-FZulG, Rn. 222). Zuständig ist die „Bescheinigungsstelle Forschungszulage“ (BSFZ, § 2 Abs. 1 FZulBV; BMF-FZulG, Rn. 223), über deren Web-Portal (www.bescheinigung-forschungszulage.de) der Antrag auf Bescheinigung elektronisch zu stellen ist.

Mit der von ihr ausgestellten Bescheinigung, die dem Finanzamt direkt übermittelt wird (BMF-FZulG, Rn. 231), und dem über das Online-Portal „Mein ELSTER“ (www.elster.de) gestellten Antrag nach § 5 FZulG (BMF-FZulG, Rn. 205) kann das Finanzamt dann über die Voraussetzungen der Gewährung der Forschungszulage entscheiden. Für die Praxis wichtig ist dabei, dass diese Antragstellung unabhängig von der Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärung erfolgt. Es ist gerade nicht erforderlich, dass dem Finanzamt bereits die Steuererklärung für das Jahr vorliegt, für das die Forschungszulage beantragt wird (BMF-FZulG, Rn. 206).

Abschließend setzt das Finanzamt mit einem Forschungszulagenbescheid nach § 10 Abs. 1 S. 1 FZulG die Forschungszulage fest (BMF-FZulG, Rn. 240). Diese wird im Rahmen der nächsten erstmaligen Festsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuer vollständig auf die festgesetzte Steuer angerechnet (§ 10 Abs. 1 S. 2 FZulG; siehe auch KStR 7.2 S. 1 Zeile 6 (KStR-E 2022); dazu bereits Weiss im BC-Newsletter vom 28.10.2021). Damit kommt es zur Auszahlung der Forschungszulage auch in Jahren, in denen das Einkommen – etwa bei Anlaufverlusten in der Phase der Forschung und Entwicklung – negativ ist (BMF-FZulG, Rn. 259).

Wichtig für die Praxis ist insoweit, dass diese Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG (BMF-FZulG, Rn. 261) bei der dem Forschungszulagenbescheid zeitlich nachfolgenden erstmaligen Festsetzung von Einkommen- oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist (BMF-FZulG, Rn. 258). Eine Übereinstimmung des Jahres dieser Festsetzung mit demjenigen Jahr, für die Forschungszulage gewährt wird, ist nicht erforderlich.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Bedingt durch die außergewöhnliche Technik der Auszahlung der Forschungszulage in der Anrechnungsverfügung (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG) ist in § 10 Abs. 3 FZulG eine besondere Änderungsvorschrift enthalten. Im Gegensatz zum sonst gewohnten Kanon von Änderungsvorschriften (§§ 172 ff. AO) sind für die Anrechnungsverfügung nur die §§ 129 bis 131 AO als allgemeine Vorschriften vorhanden. Auch die Verjährung als Erlöschensgrund (§ 47 AO) wird insoweit nicht durch die Festsetzungsverjährung der §§ 169 bis 171 AO, sondern durch die Zahlungsverjährung der §§ 228 bis 232 AO bestimmt (BMF-FZulG, Rn. 266). Der Forschungszulagenbescheid des § 10 FZulG hingegen unterliegt den allgemeinen Vorschriften zur Änderung (§ 12 FZulG; BMF-FZulG, Rn. 245). Aufgrund dieser Besonderheit ist auch die Vollverzinsung des § 233a AO nicht anwendbar (BMF-FZulG, Rn. 275). § 11 S. 1 FZulG enthält eine besondere Vorschrift zur Verzinsung, wenn ein Forschungszulagenbescheid nach § 10 FZulG aufgehoben oder zuungunsten des Anspruchsberechtigten geändert wird.
  • Die Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften, die eine Förderung nach dem Forschungszulagengesetz in Anspruch nehmen, behandelt das BMF-Schreiben ebenfalls (BMF-FZulG, Rn. 10 ff.). Bei Mitunternehmerschaften nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG „tritt an die Stelle des Steuerpflichtigen die Mitunternehmerschaft als Anspruchsberechtigter“ (§ 1 Abs. 2 FZulG). § 10 Abs. 2 FZulG sieht vor, dass die Anrechnung der Forschungszulage anteilig im Rahmen der jeweiligen Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Mitunternehmer erfolgt. Die Anteile an der anzurechnenden Forschungszulage sind nach dem jeweils vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel gesondert und einheitlich gegenüber den Mitunternehmern festzustellen (BMF-FZulG, Rn. 256, 265).
  • Die bilanzielle und ertragsteuerliche Erfassung der ausgezahlten Forschungszulage ist für die Praxis naturgemäß eine sehr wichtige Frage (BMF-FZulG, Rn. 284 ff.). Bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern einer Mitunternehmerschaft (§ 1 Abs. 2 FZulG) liegt keine Betriebseinnahme vor, da die Forderung auf Erstattung von Einkommensteuer nicht den betrieblichen Bereich berührt (BMF-FZulG, Rn. 285). Bei Körperschaften ist durch die Erstattung nach § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG eine geringere Rückstellung für die Körperschaftsteuer zu passivieren bzw. möglicherweise eine Forderung auf Körperschaftsteuer zu aktivieren. Beide Vorgänge sind für steuerliche Zwecke außerbilanziell zu neutralisieren (§ 10 Nr. 2 KStG; BMF-FZulG, Rn. 287).

  • Die im Schrifttum viel diskutierte Frage (Bärsch/Dreßler/Barbu/Schwechel, DStR 2020, 1548), wie die körperschaftsteuerliche Organschaft (§§ 14 ff. KStG) mit der Forschungszulage zusammenspielt, wird im Schreiben des BMF nur kurz gestreift. Im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft sind Organgesellschaften eigenständig anspruchsberechtigt (BMF-FZulG, Rn. 15), da ihre Eigenschaft als Subjekt der Körperschaftsteuer durch die Organschaft nicht entfällt. Insofern gelten auch innerhalb einer Organschaft keine besonderen Regelungen (BMF-FZulG, Rn. 186), da die dafür vorgesehenen Vorschriften – §§ 15, 19 KStG – keine besonderen Vorschriften hierfür enthalten. Die gegenüber einer Organgesellschaft festgesetzte Körperschaftsteuer beträgt im Allgemeinen – außer in den Fällen des § 16 KStG – 0 €, sodass die Forschungszulage nach § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG der Organgesellschaft vollumfänglich erstattet wird (BMF-FZulG, Rn. 259).

  • Daneben enthält das Schreiben in seinem materiell-rechtlichen Teil umfassende Ausführungen zur Frage, welche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unter dem Forschungszulagengesetz förderfähig sind (§ 2 FZulG; BMF-FZulG, Rn. 23 ff.). Wichtig für die Praxis ist insoweit, dass nach § 8 FZulG die Forschungszulage nur für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Sinne des § 2 FZulG beansprucht werden kann, mit deren Arbeiten nach dem 1.1.2020 begonnen wird oder für die der Auftrag nach dem 1.1.2020 erteilt wird (BMF-FZulG, Rn. 67 ff.). Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf Aufwendungen innerhalb verbundener Unternehmen (BMF-FZulG, Rn. 62 ff.).

 

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

 

BC 12/2021

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