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Jahressteuergesetz 2020: Umsetzung des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets

BC-Redaktion

BMF-Schreiben vom 1.4.2021, III C 3 – S 7340/19/10003 :022; DOK 2021/0382933

 

Das Jahressteuergesetz (JStG) 2020 hat zu umfassenden Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geführt. Dabei handelt es sich vorwiegend um zwingende Änderungen aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben. Das Spektrum der Neuregelungen umfasst sehr unterschiedliche Bereiche des Umsatzsteuerrechts (z.B. Rechnungsberichtigung, Telekommunikationsdienstleistungen, Fernverkäufe).

Hierzu hat das Bundesfinanzministerium ein Anwendungsschreiben verfasst, das die Regelungen im JStG 2020 im Einzelnen darlegt sowie anhand von Beispielen erläutert. Im Folgenden wird hierzu ein kleiner Ausschnitt in konzentrierter Form wiedergegeben.


 

 

Praxis-Info!

 

Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten (UStAE 3.18)

Hierbei geht es um Warenlieferungen mit drei Beteiligten:

  1. Im Drittland ansässiger Unternehmer (z.B. Südkorea, neuerdings auch Großbritannien).
  2. Betreiber der elektronischen Schnittstelle: elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale sowie alle anderen vergleichbaren elektronischen Handelsplätze; es genügt, wenn dieser unmittelbar oder mittelbar an der Bestellung oder Lieferung der Gegenstände beteiligt ist (z.B. Übermittlung der Bestätigung und/oder Einzelheiten der Bestellung an den Erwerber und an den zugrunde liegenden Lieferer; Organisation der Lieferung der Gegenstände).
  3. Endabnehmer in der EU, z.B. Frankreich (Nichtunternehmer).

Bei folgenden Konstellationen wird der Betreiber der elektronischen Schnittstelle – bei Überschreiten der Umsatzsatzschwelle von 10.000 €! – ab dem 1.7.2021 zum Steuerschuldner für die Umsatzsteuer, die bei diesen Lieferungen anfällt:

  • Die Beförderung oder Versendung der Warenlieferungen beginnt (Waren in einem Lager innerhalb der EU, z.B. in Deutschland) und endet im Gemeinschaftsgebiet (hier: Frankreich).
  • Fernverkäufe: Es werden aus dem Drittlandsgebiet (z.B. Südkorea) Gegenstände in Sendungen mit einem Sachwert (ohne Transport- und Versicherungskosten, Steuern und Abgaben) von höchstens 150 € in das Gemeinschaftsgebiet (z.B. nach Frankreich) eingeführt.

Tatsächlich liegt in beiden Fällen lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vor. Für umsatzsteuerliche Zwecke werden jedoch zwei Lieferungen fingiert (angenommen):

  • Die Lieferungen des Händlers (z.B. Südkorea) an den Plattformbetreiber/Marktplatz (elektronische Schnittstelle) sind regelmäßig steuerfrei (sog. unbewegte Lieferungen).
  • Demgegenüber sind die Lieferungen des Schnittstellenbetreibers an den Nichtunternehmer (in Frankreich) steuerbar und steuerpflichtig (bewegte Lieferungen).

Hinsichtlich der Besteuerung hat der Betreiber der elektronischen Schnittstelle nun zwei Möglichkeiten:

  • Er kann das besondere Besteuerungsverfahren im Sinne des § 18j UStG (über das Bundeszentralamt für Steuern – BZSt) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären.
  • Andernfalls hat er den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären.

 

Praxishinweis:

Bei Fernverkäufen aus dem Drittland (Sachwert ≤ 150 €) ist der Transport durch den Lieferanten (z.B. Südkorea) selbst oder mit seiner Billigung durch Dritte (z.B. Spediteur) an den Abnehmer vorzunehmen. Es handelt sich nicht um Abholfälle (der Abnehmer befördert oder versendet)!

 

 
Ort der Lieferung beim Fernverkauf (UStAE 3c.1)

Bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen (z.B. von Deutschland nach Frankreich) bestimmt sich der Ort der Lieferung regelmäßig nach dem Bestimmungslandprinzip. Das heißt: Der Ort der Lieferung befindet sich dort, wo sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber (Nichtunternehmer) befindet (hier: Frankreich). Zu den beiden Möglichkeiten des Besteuerungsverfahrens siehe oben.

Dies gilt nicht, wenn u.a. die Umsatzschwelle von 10.000 € unterschritten wird (vgl. § 3c Abs. 4 S. 1 UStG). In diesem Fall wäre die Lieferung am Sitz des Lieferanten (hier: Deutschland) steuerbar und steuerpflichtig (Ursprungslandprinzip).

 

Praxishinweise:

  • Dieselbe Unterscheidung gilt, wenn ein im Drittland ansässiger Händler (z.B. Südkorea) aus dem Lager seiner Betriebsstätte in Deutschland Waren an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet (innergemeinschaftlicher Fernverkauf).
  • Wird die Ware durch einen im Drittland ansässigen Händler (z.B. Südkorea) aus dem Lager im Drittland (hier: Südkorea) über Deutschland an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet (Einführung der Ware in einen anderen EU-Mitgliedstaat (hier: Deutschland) als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet (hier: Frankreich)), gilt Folgendes: Der Ort der Lieferung verlagert sich ebenfalls an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet (hier: Frankreich). Der Sachwert der Waren darf in diesem Fall allerdings nicht höher als 150 € sein.
  • Auch bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen ist der Transport durch den Lieferanten selbst oder mit seiner Billigung durch Dritte (z.B. Spediteur) an den Abnehmer vorzunehmen. Dies umfasst gleichermaßen eine indirekte Beteiligung des Lieferanten am Transport, wenn der er seinem Kunden die Transportkosten berechnet und dann an die Spedition weiterleitet. Es handelt sich nicht um Abholfälle (der Abnehmer befördert oder versendet)!

 

 

Veräußert ein im Drittland ansässiger Händler (z.B. Südkorea) über die eigene Internetseite Waren mit einem Sachwert von 50 € aus dem Lager im Drittland (hier: Südkorea), ist zu beachten: Nimmt der südkoreanische Unternehmer das besondere Besteuerungsverfahren nicht in Anspruch und erfolgt die Zollanmeldung in Deutschland durch die Privatperson (oder durch einen Post- oder Kurierdienstleister im Namen und für Rechnung der Privatperson), schuldet die Privatperson die Einfuhrumsatzsteuer.

 

Vertiefungshinweis:

Die umsatzsteuerlichen Änderungen im Jahressteuergesetz 2020 erläutert Schritt für Schritt – mit Umsetzungsbeispielen, Schaubildern und Praxishinweisen – Dipl.-Finanzw. Bathe:

  • Teil 1: Die wesentlichen Neuregelungen, BC 2020, 562 ff., Heft 12
  • Teil 2: (Drittlands-)Lieferungen über elektronische Schnittstellen und (Drittlands-)Fernverkäufe, BC 2021, 25 ff., Heft 1
  • Teil 3: Fernverkauf – innergemeinschaftlich und über Drittstaaten, BC 2021, 66 ff., Heft 2
  • Teil 4: Besonderes Besteuerungsverfahren (OSS-/IOSS-Verfahren) – Regelungen nach § 18i UStG-neu, BC 2021, 119 ff., Heft 3
  • Teil 5: Besonderes Besteuerungsverfahren (OSS-Verfahren) – Regelungen nach § 18j UStG-neu, BC 2021, 189 ff., Heft 4.

 

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 5/2021 

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