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Besteuerung von Earn-Out-Zahlungen

Reinhard Ewert

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.3.2021, 5 K 2442/17 (Revision zugelassen)

 

Im Rahmen von M&A-Transaktionen (Mergers & Acquisitions – Fusionen & Unternehmenserwerbe) werden häufig nachträgliche Kaufpreiszahlungen vereinbart. Mit diesen sog. Earn-Out-Zahlungen sollen entweder die Unsicherheiten und Risiken der künftigen Geschäftsentwicklung zwischen den Vertragsparteien geteilt oder dem verkaufenden Unternehmer künftige wirtschaftliche Erfolge zusätzlich vergütet werden. Dass die Abgrenzung zwischen diesen beiden Aspekten nicht immer einfach ist und erhebliches Streitpotenzial vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen steuerlichen Folgen entfalten kann, zeigt ein aktuelles Finanzgerichtsurteil.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die im Rahmen von M&A-Transaktionen häufig vereinbarten Earn-Out-Zahlungen waren Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz. Im Streitfall ging es um den Verkauf einer GmbH & Co. KG. Neben einem festen Kaufpreis vereinbarten die Vertragsparteien ein zusätzliches variables Entgelt auf der Grundlage der erzielten Rohmarge der Gesellschaft bezogen auf den Nettoumsatz in den drei dem Verkauf folgenden Geschäftsjahren.

Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, es handle sich um eine übliche, variable Kaufpreiskomponente zur Kompensation des wirtschaftlichen Risikos aus der künftigen Geschäftsentwicklung unter Berücksichtigung der Umsatzentwicklung der Gesellschaft (d.h. an sich fester Kaufpreis abzüglich eines Risikoabschlags) und erhöhte dementsprechend den dem Veräußerer zuzurechnenden Veräußerungsgewinn um die nachträglich gezahlten Earn-Out-Beträge. Statt des beantragten Veräußerungsverlusts bekam der Verkäufer dadurch einen erheblichen Veräußerungsgewinn (nachträglich) zugewiesen.

Dagegen wandte sich der Veräußerer unter Hinweis auf die Besonderheit der vereinbarten Regelung zur Kaufpreisnachzahlung, die ausschließlich gewinn- bzw. umsatzbezogene Bestandteile beinhalte. Anders als bei den klassischen Earn-Out-Regelungen mit Zahlung einer variablen Komponente in Abhängigkeit von der Erreichung bestimmter künftiger Parameter handele es sich im vorliegenden Fall um eine Beteiligung an den künftigen Gewinnen bzw. Umsätzen des Unternehmens und damit um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche, die rechtlich erst mit Eintritt der aufschieben-den Bedingung „realisiert“ werden und damit keine rückwirkende Anpassung des Kaufpreises begründen.

 

 

Lösung

Das FG Rheinland-Pfalz folgte dem nicht, sondern schloss sich der Argumentation des Steuerpflichtigen an: Demnach liegt in der fraglichen Vereinbarung eine gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisleistung, die abweichend von den allgemeinen Grundsätzen nicht im Zeitpunkt der Veräußerung (stichtagsbezogen), sondern erst mit Realisation im Zeitpunkt des Zuflusses zu ermitteln ist.

Das Urteil des FG zeigt einmal mehr, wie schwierig es sein kann, das wirtschaftlich Gewollte tatsächlich zu erreichen, und wie wichtig die präzise Ausformulierung der Regelungen in jedem Einzelfall ist. Auch wenn Earn-Out-Zahlungen ein in der M&A-Praxis gängiges Gestaltungsmittel sind, kann es für die steuerlichen Konsequenzen von entscheidender Bedeutung sein, ob es sich

  • um nachträgliche Kaufpreiszahlungen mit rückwirkender Auswirkung auf den Veräußerungspreis bzw. Veräußerungsgewinn oder
  • um aufschiebend bedingte Kaufpreisforderungen mit Realisation jeweils erst im Zuflusszeitpunkt

handelt. Das FG folgte mit seiner Entscheidung der bisherigen Linie des BFH, der sowohl im Bereich der Veräußerung von Unternehmen im Rahmen der §§ 16, 17 EStG (Betriebsveräußerung) als auch bei der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen im Rahmen des § 8b KStG (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19.12.2018, I R 71/16) die Auffassung vertritt, das umsatz- oder gewinnabhängige Kaufpreisabreden abweichend von dem allgemeinen Grundsatz einer stichtagsbezogenen Betrachtung erst mit dem jeweiligen Zufluss realisiert sind und auch erst dann einer Besteuerung unterworfen werden dürfen.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Die Auswirkungen können zum Teil erheblich sein, beispielsweise lägen in dem hier entschiedenen Fall – sollte der BFH die FG-Entscheidung bestätigen – keine der ermäßigten Besteuerung unterliegenden außerordentlichen Einkünfte auf den Veräußerungszeitpunkt vor, sondern laufende Einkünfte, die regulär aber in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum zu versteuern sind. Eine Verknüpfung mit der künftigen Umsatzentwicklung oder Gewinnen ließe sich, wie die Argumentation der Finanzverwaltung im vorliegenden Fall nachdrücklich belegt, für beide Varianten erreichen: Zum einen wäre es ein Veräußerungsvorgang mit festem Kaufpreis und einem nur der Höhe nach variabel ausgestalteten Kaufpreisbestandteil. Zum anderen wäre es ein Kaufpreis und zusätzlich eine Vergütung für nachfolgend von der veräußerten Gesellschaft erzielte Umsätze bzw. Gewinne. Was im Einzelfall für die beteiligten Parteien die steuerlich günstigere Variante ist, müsste wiederum anhand der konkreten Umstände ermittelt werden.
  • Das FG ließ die Revision im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärte Rechtslage in Bezug auf die konkrete Earn-Out-Klausel wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die Revision der Finanzverwaltung ist derzeit unter dem Az.: IV R 9/21 beim BFH anhängig. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es wünschenswert, wenn sich der BFH in seiner Revisionsentscheidung zu den Indikatoren für die eine oder andere Form der Entgeltregelung äußern und nicht lediglich die streitgegenständliche Klausel würdigen würde.

 

RA/StB Reinhard Ewert, PKF Industrie- und Verkehrstreuhand GmbH, München

 

BC 12/2021

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