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Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an Fachmessen

Dr. Martin Weiss

FG Münster, Urteil vom 18.8.2022, 10 K 1421/19 G

 

Miet- und Pachtzinsen unterliegen in der Regel der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Doch gilt dies auch bei Aufwendungen für die Teilnahme an Fachmessen? Entscheidend sind aus Sicht des Finanzgerichts (FG) Münster unter anderem die Unterscheidung zwischen miet- und pachttypischen versus miet- und pachtfremden Leistungspflichten sowie die Frage nach der fiktiven (unterstellten) Zuordnung von Anlagevermögen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

§ 7 S. 1 GewStG definiert den „Gewerbeertrag“ – als Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer (§ 6 GewStG) – als den „nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge“. Die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen als „steuererhöhende“ Faktoren bei der Berechnung des Gewerbeertrags sorgen dabei immer wieder für Unmut. Nach der Rechtsprechung des BFH dienen sie dazu, den „Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer“ auszuformen (BFH Urt. v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498, Rn. 30). Dieser besagt, dass die Steuer an das Objekt „Gewerbebetrieb“ anknüpft, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger.

Besonders umkämpft ist dabei insbesondere die Hinzurechnung des § 8 Nr. 1 GewStG, die auf die „Finanzierungsneutralität“ bei der Gewerbesteuer zielt und durch den bereits genannten Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer bedingt ist. Der Ertrag des im Betrieb arbeitenden Kapitals soll in vollem Umfang der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag unterworfen werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Kapitalausstattung des Betriebs mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert wurde (BFH Urt. v. 14.6.2018 – III R 35/15, BStBl. II 2018, 662, Rn. 18). Gesetzlicher Orientierungspunkt ist dabei ein „typisiertes“ Unternehmen, das eigenkapitalfinanziert ist. Zweck der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG ist es, den für die Besteuerung maßgebenden Gewerbeertrag unabhängig von der Art und Weise der für die Kapitalausstattung des Betriebs zu entrichtenden Entgelte zu bestimmen (BFH Urt. v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289, Rn. 13).

Mittelstandsfreundlich hat der Gesetzgeber den Freibetrag bei § 8 Nr. 1 GewStG zwischenzeitlich auf 200.000 € pro Erhebungszeitraum erhöht, sodass sich das Problem der Hinzurechnung zinsähnlicher Aufwendungen erst ab einer solchen Größenordnung überhaupt stellt. Oberhalb des Freibetrags unterliegen dann allerdings nicht nur Zinsen, sondern auch die fiktiven Zinsanteile u.a. in Miet- und Pachtzinsen für bewegliche (§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG) und für unbewegliche Wirtschaftsgüter (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG) einer (anteiligen) Hinzurechnung. Im Ergebnis sind sie daher für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht vollständig abziehbar.

In beiden Fällen ist erforderlich, dass die Wirtschaftsgüter solche des Anlagevermögens (§ 247 Abs. 2 HGB) sind und „im Eigentum eines anderen stehen“. Dabei handelt es sich naturgemäß nur um eine „fiktionale Annahme von Anlagevermögen als Tatbestandsvoraussetzung“ (BFH Urt. v. 25.10.2016 – I R 57/15, DStR 2017, 24), da die Wirtschaftsgüter tatsächlich nicht bei dem nutzenden Betrieb bilanziert werden. Das Tatbestandsmerkmal ist aufgrund seines „fiktiven Charakters“ bereits häufiger Gegenstand von Entscheidungen des BFH gewesen (BFH Urt. v. 25.7.2019 – III R 22/16, BStBl. II 2020, 51; BFH Beschl. v. 23.3.2022 – III R 14/21, BStBl. II 2022, 559; dazu bereits Weiss, BC 2022, 296 f., Heft 7).

 

 

Zu den beiden Prüffragen des auf einer Annahme beruhenden Anlagevermögens vgl. Maier-Siegert, Fiktion und Widerspruch, BC 2022, 285, Heft 7.

 

 

Ging es im Beschluss des BFH vom 23.3.2022 (III R 14/21, BStBl. II 2022, 559) bereits um die Hinzurechnung von Aufwendungen für eine Messestandfläche, hatte sich nun das Finanzgericht (FG) Münster erneut mit dieser Problematik zu befassen. In den Streitjahren 2013 bis 2015 nahm die Klägerin an turnusmäßig stattfindenden Fachmessen teil. Die dafür anfallenden Kosten zog sie bei ihrer Gewinnermittlung ab, ohne dass diese der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG unterworfen wurden.

Das beklagte Finanzamt hingegen war der Auffassung, dass es sich bei Mietverträgen im Zusammenhang mit der Anmietung von Messefertigständen (inklusive Beleuchtung, Elektrik sowie dem Ausführen anderer Leistungsbestandteile wie z.B. Planung, Montage und Demontage, Transport und Ausstattung) um gemischte Verträge handle. Bei der Hinzurechnung sei zu beachten, dass eine Aufteilung in die Anmietung von Flächen (Buchst. e des § 8 Nr. 1 GewStG) und die Anmietung der Aufbauten = Betriebsvorrichtungen (Buchst. d des § 8 Nr. 1 GewStG) vorzunehmen sei. Die Messeaufwendungen seien in Anteile für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter aufzuteilen.

 

 

Lösung

Das FG Münster hat hingegen der Klägerin recht gegeben. Es geht davon aus, dass es sich bei den zugrunde liegenden Verträgen über die Beteiligung an Fachmessen um Verträge eigener Art handelt, die zwar auch miet- und pachttypische Elemente, darüber hinaus aber auch miet- und pachtfremde Hauptleistungspflichten des Messeveranstalters von nicht untergeordneter Bedeutung enthalten. Die Überlassung der Messeflächen durch den Messeveranstalter gebe dem Vertrag nicht derart sein Gepräge, dass er insgesamt als Miet- oder Pachtvertrag einzuordnen wäre. Zudem stellten die durch die Klägerin genutzten Wirtschaftsgüter kein fiktives Anlagevermögen der Klägerin dar.

 

 

Praxishinweise:

  • Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG erfolgt „nur“ zu einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. Bei § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG ist hingegen die Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, vorgeschrieben. Dennoch ist die Hinzurechnung ein relevanter Kostenfaktor für entsprechende Unternehmen, insbesondere wenn der Freibetrag von 200.000 € bereits durch andere Buchstaben des § 8 Nr. 1 GewStG ausgeschöpft ist.
  • Verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Hinzurechnungen des § 8 GewStG sind wenig aussichtsreich. Der BFH beurteilt diese als verfassungsgemäß (BFH Urt. v. 14.6.2018 – III R 35/15, DStR 2018, 1814). Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschl. v. 5.9.2021, 1 BvR 2150/18).
  • Das FG Münster hat die Revision zum BFH nicht zugelassen, da es die Rechtsgrundsätze im Zusammenhang mit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Aufwendungen für die Teilnahme an Fachmessen durch die Ausführungen in dem jüngst ergangenen Beschluss des BFH vom 23.3.2022 (III R 14/21, BStBl. II 2022, 559; dazu bereits Weiss, BC 2022, 296 f., Heft 7) als hinreichend geklärt ansieht.
  • Anders war dies hingegen im Urteil des 13. Senats des FG Münster vom 3.11.2021 (13 K 1122/19 G, BeckRS 2021, 38641; dazu Thurow, BC 2022, 13 f., Heft 1), bei dem die vom FG zugelassene Revision unter dem Aktenzeichen III R 35/21 beim BFH anhängig ist. Auch in diesem Verfahren ging es um die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Fachmessen.
  • Beachtlich bei der Beratung solcher Mandate ist insbesondere die subtile Unterscheidung des vorliegenden Falls von den Fällen einer „Durchführungsgesellschaft“ für Messebeteiligungen (dazu BFH Urt. v. 25.10.2016 – I R 57/15, DStR 2017, 24) und eines Konzertveranstalters (dazu BFH Urt. v. 8.12.2016 – IV R 24/11, DStR 2017, 1112).

 

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

BC 12/2022

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