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Die neu eingeführte „Einlagelösung“ bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft

Dr. Martin Weiss

Entwurf eines BMF-Schreibens vom 13.4.2022

 

Die bisherige Bildung von steuerlichen Ausgleichsposten bei sog. „Mehr- und Minderabführungen“ wird ab 2022 durch die sog. „Einlagelösung“ abgelöst. Der Entwurf des BMF-Schreibens befasst sich mit den Änderungen der Behandlung von Minder- und Mehrabführungen in körperschaftsteuerlichen Organschaftsfällen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Durch die körperschaftsteuerliche Organschaft (§§ 14 ff. KStG) wird das Einkommen der Organgesellschaften mit dem des Organträgers zusammengerechnet, bevor der „Saldo“ beim Organträger der Körperschaftsteuer unterliegt. Insbesondere lassen sich dadurch Gewinne und Verluste in einem Organkreis für Zwecke der Körperschaftsteuer ausgleichen. Durch § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG übernimmt das Gewerbesteuerrecht die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft.

Durch die steuerlichen Ausgleichsposten (§ 14 Abs. 4 KStG a.F.) sollten nach alter Rechtslage innerhalb einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sog. „Mehr- und Minderabführungen“, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, steuerlich abgebildet werden. Zu vergleichen sind dabei grundsätzlich das dem Organträger steuerlich zuzurechnende Einkommen (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG) mit der handelsrechtlichen Gewinnabführung oder dem handelsrechtlichen Verlustausgleich. Minder- oder Mehrabführungen in diesem Sinne liegen insbesondere vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist (§ 14 Abs. 4 S. 6 KStG a.F.).

Rechtsfolgenseitig waren dann für Minderabführungen aktive und für Mehrabführungen passive Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Organträgers einkommensneutral zu bilden (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG a.F.). Diese waren nicht etwa bei Beendigung der Organschaft, sondern erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung unter Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG aufzulösen (§ 14 Abs. 4 S. 2 KStG a.F.).

Die organschaftlichen Ausgleichsposten: Warum tun wir uns das an?“. So lautete vor einigen Jahren der Titel eines Beitrags zweier prominenter Vertreter der Finanzverwaltung zu den steuerlichen Ausgleichsposten bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft (Dötsch/Pung, Festschrift Frotscher, 2013, 51). Das fand offenbar auch der Gesetzgeber: Mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts“ („KöMoG“) vom 25.6.2021 (zur Einführung des § 1a KStG bereits Weiss, BC 2021, 322) hat er die sog. „Einlagelösung“ in § 14 Abs. 4 KStG n.F. umgesetzt (Reifarth-Belli/Lechtenberg, DStR 2021, 2222). Anwendbar sind diese Neuerungen erstmals auf Minder- und Mehrabführungen, die nach dem 31.12.2021 erfolgen (§ 34 Abs. 6e S. 5 KStG).

In einem Entwurf eines BMF-Schreibens vom 13.4.2022 gibt die Finanzverwaltung nun ihre Rechtsauffassung zu den dadurch aufgeworfenen Fragen bekannt. Durch die Neuregelung werden Minderabführungen der Organgesellschaft, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft behandelt (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG). Mehrabführungen der Organgesellschaft, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, gelten als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger (§ 14 Abs. 4 S. 2 KStG). Zusätzlich sind neue Bestimmungen über die Entwicklung des steuerlichen Einlagekontos der Organgesellschaft in § 27 Abs. 6 KStG zu beachten.

 

 

Praxishinweise:

  • Die von den Sätzen 1 und 2 des § 14 Abs. 4 KStG angeordneten Einlagen bzw. Einlagenrückgewähren verändern den Beteiligungsbuchwert an der Organgesellschaft beim Organträger (Rz. 2 und 3). Die dadurch entstehenden Einkommenswirkungen sind beim Organträger außerbilanziell zu korrigieren (Rz. 7, 8).
  • Beim Organträger darf dabei eine Saldierung von Mehr- und Minderabführungen für die einzelne Organgesellschaft vorgenommen werden (Rz. 6). Bei der Organgesellschaft ist dies zur korrekten Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 6 KStG) nicht zulässig (Rz. 5).
  • Bei einer Rückgewähr, die durch eine organschaftlich verursachte Mehrabführung entsteht (§ 14 Abs. 4 S. 2 KStG), stellt sich seit Langem – und unabhängig von der körperschaftsteuerlichen Organschaft – die Frage, was die steuerlichen Folgen bei einer den Beteiligungsbuchwert übersteigenden Einlagenrückgewähr sind. Ein negativer Buchwert wird vonseiten der Finanzverwaltung ausgeschlossen (Rz. 9; siehe aber BFH vom 7.3.2018 – I R 12/16, DStR 2018, 1560). Nach der Rz. 10 des Entwurfsschreibens soll eine über den Buchwert hinausgehende Rückgewähr zu einem Beteiligungsertrag führen, auf den § 8b Abs. 2 KStG (bei einer Körperschaft als Organträger) anzuwenden ist (so auch BMF vom 28.4.2003, DStR 2003, 881, Rn. 6).
  • Ein besonderes Augenmerk liegt bei einem grundlegenden Regimewechsel naturgemäß auf den Übergangsvorschriften (§ 34 Abs. 6e S. 5 ff. KStG). Grundsätzlich sind beim Organträger noch bestehende Ausgleichsposten für organschaftliche Minder- und Mehrabführungen in dem Wirtschaftsjahr aufzulösen, das nach dem 31.12.2021 endet (§ 34 Abs. 6e S. 7 KStG). Soweit sich durch die Zwangsauflösung insgesamt ein Ertrag ergibt (§ 34 Abs. 6e S. 9 KStG), kann dieser durch Rücklagenbildung über zehn Jahre gestreckt versteuert werden (§ 34 Abs. 6e S. 11 ff. KStG). Naturgemäß sind hier viele Einzelfragen zu klären (Rz. 11–24).
  • Daneben ist die Regelung des § 27 Abs. 6 KStG zum steuerlichen Einlagekonto der Organgesellschaft angepasst und um einen zweiten Satz ergänzt worden. Organschaftlich verursachte Mehrabführungen, die nach § 14 Abs. 4 S. 2 KStG als Einlagenrückgewähr an den Organträger gelten, mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vor anderen Leistungen (§ 27 Abs. 6 S. 2 KStG; Rz. 25, 26).
  • Daneben beschäftigt sich das Entwurfsschreiben ausführlich mit den Sonderfällen der „mittelbaren Organschaft“ (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 KStG; Reifarth-Belli/Lechtenberg, DStR 2021, 2222, 2224; Rz. 27–36) und der „Kettenorganschaft“ (Rz. 37, 38).
  • Unberührt durch die Veränderungen im Rahmen des „KöMoG“ bleiben die Regelungen des § 14 Abs. 3 KStG zu Mehr- und Minderabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben. Solche Mehrabführungen gelten als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger, entsprechende Minderabführungen als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft. Im Gegensatz zu den organschaftlich verursachten Mehrabführungen wird hier jedoch das Einlagekonto der Organgesellschaft nur nach allgemeinen Regeln, nicht nach der Sonderregel des § 27 Abs. 6 KStG berührt.

 

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

BC 5/2022 

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