CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung

Daniel Scheffbuch und Christina Schultz

 

Der Krieg in der Ukraine und die massiven Sanktionen gegen Russland haben ernste Folgen für die globale Wirtschaft. Dabei stellt sich auch die Frage, ob und in welchem Umfang die Auswirkungen im Jahresabschluss zum 31.12.2021 und im Lagebericht der direkt und indirekt betroffenen Unternehmen dargestellt werden können bzw. müssen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Zunächst ist erstens fraglich, ob die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs bilanziell bereits in den zum 31.12.2021 aufzustellenden handelsrechtlichen Jahresabschlüssen darzustellen sind. Zweitens ist für den Anhang die Einbindung in die sog. Nachtragsberichterstattung sowie drittens die Darstellung in Schnittstellen zum Lagebericht zu prüfen. Viertens sind im Lagebericht selbst die Kriegsauswirkungen im Risikobericht sowie im Prognosebericht zu erfassen.

Die nachfolgenden Ausführungen, die analog für die Konzernrechnungslegung und die IFRS-Rechnungslegung gelten, orientieren sich auch an den fachlichen Hinweisen des IDW (zuletzt vom 8.3.2022).

 

 

Lösung

(1) Als maßgebliches Ereignis und damit Wertbegründung ist nach Maßgabe der HGB-Rechnungslegung der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die souveräne Ukraine am 24.2.2022 anzusehen. Aufgrund des Stichtagsprinzips sind die bilanziellen Konsequenzen demnach grundsätzlich erst in der Bilanz und GuV von Jahresabschlüssen zu berücksichtigen, die nach dem 23.2.2022 enden. Lediglich in den Fällen, in denen aufgrund der Auswirkungen des Kriegs die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann, gilt etwas anderes. Ein Hinweis darauf könnte die Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag sein.

(2) Der Anhang übernimmt als Teil des Jahresabschlusses eine Vielzahl von Funktionen. Er dient beispielsweise der Korrektur von Bilanz und GuV. Die Korrekturfunktion erfolgt dabei durch die sog. Nachtragsberichterstattung gemäß § 285 Nr. 33 HGB. In dessen Rahmen sind grundsätzlich die Art und die finanziellen Auswirkungen des Ereignisses zu erläutern. Dabei sind der Ukraine-Krieg und dessen Bedeutung für das Unternehmen im Einzelfall darzustellen. Sofern die konkrete Quantifizierung der finanziellen Auswirkungen noch nicht möglich ist, reicht eine verbale Darstellung der Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt.

(3) Grundsätzlich kann sich aufgrund ähnlich gelagerter Inhalte eine Berichterstattungspflicht sowohl im Anhang als auch im Lagebericht ergeben. Um Wiederholungen zu vermeiden und die Transparenz zukunftsbezogener Informationen zu erhöhen, können die Auswirkungen zentral dargestellt werden. Das IDW stellt in seinem Fachlichen Hinweis klar, dass es zulässig ist, im Nachtragsbericht auf die Darstellungen im Lagebericht zu verweisen, falls ansonsten identische Angaben an beiden Stellen aufzunehmen wären. Voraussetzung ist, dass die Verweise im Nachtragsbericht auf den Lagebericht bzw. im Lagebericht auf den Nachtragsbericht eindeutig und klar erkennbar sein müssen.

Die Ausführungen zu den Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage sind hinreichend darzulegen. Dabei ist der Zeitraum vom Beginn des folgenden Geschäftsjahres (i.d.R. 1.1.2022) bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Jahresabschlusses darzustellen.

(4) Der Lagebericht ergänzt bei mittelgroßen und großen Unternehmen die vergangenheitsbezogenen Aussagen des Jahresabschlusses. Zu unterscheiden sind hier Berichtspflichten im Risikobericht einerseits und im Prognosebericht andererseits.

(4a) Im Risikobericht sind insbesondere die folgenden Risikokategorien berichtspflichtig:

 

  • Mögliche weitere Entwicklungen, die zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens führen können
  • Wesentliches Einzelrisiko
  • Keine Vermittlung eines zutreffenden Bildes von der Risikolage des Unternehmens
  • Bestandsgefährdende Risiken, wie z.B. drohende Zahlungsunfähigkeit oder drohende Überschuldung, sowie
  • Risiken mit einem wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.

 

(4b) Im Prognosebericht hat die Geschäftsführung mindestens für das erste Jahr nach dem Bilanzstichtag Aussagen über die voraussichtliche (d.h. die geplante) Umsatz- und Ergebnisentwicklung zu machen. Wenn aufgrund der aktuellen Geschehnisse und der Folgen der Sanktionen bereits eine geänderte Erwartung des Managements zu den prognostizierten Leistungsindikatoren besteht, ist dies entsprechend im Prognosebericht zu verarbeiten. Grundsätzlich sind nur folgende Prognosearten zulässig:

  • Punktprognosen (z.B. EBIT 1 Mio. €),
  • Intervallprognosen (z.B. EBIT 1 bis 2 Mio. €),
  • qualifiziert-komparative Prognosen (z.B. gegenüber dem Vorjahr deutlich höheres EBIT).

Davon darf nur abgewichen werden, sofern hinsichtlich der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs kumulativ außergewöhnlich hohe Unsicherheiten bezüglich der Zukunftsaussichten aufgrund gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und eine wesentliche Beeinträchtigung der Prognosefähigkeit des Unternehmens gegeben sind. In diesem Fall reicht eine komparative (vergleichende) Prognose aus, wie z.B.: „... im Geschäftsjahr 2022 erwarten wir aufgrund des Ukraine-Kriegs einen niedrigeren Umsatz … und ein stark negatives EBIT…“.

 

 

 

Praxishinweise:

  • In der Bilanz und GuV zum 31.12.2021 ist eine Berücksichtigung der Folgen des Ukraine-Kriegs weder geboten noch möglich. Allerdings ist im Anhang im sog. Nachtragsbericht sowie im Lagebericht über die Auswirkungen zu berichten. Die größere Herausforderung dürfte die Erstellung des Risikoberichts sein, in dem Aussagen dazu zu treffen sind, ob nach Aggregation (Zusammenfassung) sämtlicher Risiken die Risikotragfähigkeit gegeben ist und inwieweit eine bestandsgefährdende Entwicklung besteht.
  • Besonders eine Dokumentation des Liquiditätsrisikos bzw. des Risikos der Zahlungsunfähigkeit sollte dokumentiert werden. Dies kann z.B. durch eine Liquiditäts- und Finanzplanung erfolgen, die sich mindestens bis zum Ende des neuen Geschäftsjahres erstreckt.
  • Nach Auffassung des IDW reicht ein pauschaler Verweis auf den Ukraine-Krieg und dessen Folgen jedenfalls nicht aus. Ebenso ist ein vollständiger Verzicht auf eine Prognoseberichterstattung unzulässig.
  • Für kleine oder Kleinstkapitalgesellschaften sowie Gesellschaften, die ihren Jahresabschluss nach den für alle Kaufleute geltenden handelsrechtlichen Vorschriften aufstellen, ist aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Befreiungsvorschriften in Bezug auf Nachtrags- bzw. Lageberichtserstattung keine entsprechende Berichterstattung erforderlich. Lediglich über bestandsgefährdende Risiken hat der Bilanzierende zu berichten und muss diese Tatsache sowie den geplanten Umgang mit diesen Risiken angeben.

 

 

 

WP/StB Daniel Scheffbuch, Head of Tax, PKF Wulf Gruppe, Stuttgart

Christina Schultz, PKF Wulf Gruppe, Stuttgart

 

 

 

Hinweis der BC-Redaktion:

Voraussichtlich in der kommenden BC-Ausgabe 4/2022 wird sich BC-Schriftleiter Prof. Dr. Christian Zwirner (WP/StB) ausführlicher mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung befassen.

 

 

 
BC 4/2022

 

becklink447174

 

 

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü