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Wegzugsbesteuerung und „lediglich vorübergehende Abwesenheit“

Christian Thurow

BFH Urt. v. 21.12.2022 – I R 55/19

 

Im Gegensatz zum bekannten Sprichwort „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ findet die Willensbildung manchmal erst dann statt, während man sich bereits auf dem Weg befindet. So steht bei einem Umzug ins Ausland nicht immer fest, ob es sich um eine temporäre oder dauerhafte Verlagerung des Wohnsitzstaats handelt. Dies kann Folgen für die Wegzugsbesteuerung haben.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger zog unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes im März 2014 in die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Dezember 2015 teilte er dem Finanzamt mit, dass er ab Januar 2016 seinen Wohnsitz wieder in Deutschland haben werde.

Aus Sicht des Finanzamts war die Entscheidung der Rückverlagerung des Wohnsitzes erst im Ausland getroffen worden. Zum Zeitpunkt der Aufgabe des Wohnsitzes war eine Rückkehrabsicht nicht konkretisiert. Nach Auffassung des Finanzamts und des erstinstanzlichen Finanzgerichts waren daher die Kapitalbeteiligungen des Klägers im Jahr 2014 der Wegzugsbesteuerung zu unterwerfen.

 

 

Lösung

Der BFH widerspricht der Ansicht von Finanzamt und Finanzgericht. Eine Wegzugsbesteuerung findet laut § 6 Abs. 3 S. 1 AStG nicht statt, wenn lediglich eine sogenannte vorübergehende Abwesenheit vorliegt. In der Literatur bestehen unterschiedliche Auffassungen, welche Voraussetzungsmerkmale charakteristisch für eine solche vorübergehende Abwesenheit sind:

  • Subjektive Theorie: Der Wille zur Rückkehr muss bereits im Zeitpunkt des Wegzugs bestehen und glaubhaft gemacht werden können.
  • Objektive Theorie: Der Rückkehrwille ist kein Tatbestandserfordernis.
  • Eingeschränkte objektive Theorie: Die „fristgemäße Rückkehr“ des Steuerpflichtigen innerhalb des Fünfjahreszeitraums ist ausreichend, um eine vorübergehende Abwesenheit zu begründen.

Während Finanzamt und Finanzgericht der subjektiven Theorie gefolgt sind, schließt sich der BFH in seinem Urteil der dritten Theorie – also der eingeschränkten objektiven Theorie – an. Somit ist das zum Entfallen der Wegzugsbesteuerung führende Merkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit“ erfüllt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitrahmens von fünf Jahren nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Eine im Voraus bestehende Rückkehrabsicht ist unerheblich.

Im Ausgangsfall ist der Kläger innerhalb des Fünfjahreszeitraums wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Somit lag lediglich eine vorübergehende Abwesenheit vor; es kommt demzufolge nicht zur Anwendung der Wegzugsbesteuerung.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 5/2023

BC2023512

 

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