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Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers als Steuerschuldner

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 18.11.2021, V R 24/20

 

Der gewöhnliche Steuerrecht-Connaisseur zeichnet sich in der Regel auch durch einen Hang zur Geschichtswissenschaft aus. Diese Neigung ist recht nützlich, da Steuersachverhalte häufig auf jahrzehntealter Rechtsprechung beruhen. Der BFH hat nun wieder ein Schmankerl für die Steuerhistoriker – ein im April 2022 veröffentlichtes Urteil aus dem Jahr 2021 zu einem erstinstanzlichen Urteil aus dem Jahr 2002 betreffend einen Sachverhalt in den Jahren 1990 bis 1995. Doch darf die Staubschicht auf den Gerichtsakten nicht täuschen – der Sachverhalt ist nach wie vor brisant.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine GmbH betrieb einen Helikopterdienst. Die im Inland registrierten Hubschrauber waren bei einer britischen Versicherung versichert, wobei die Versicherung durch eine Schweizer Aktiengesellschaft vermittelt worden war. Die Versicherungsprämien waren als „Total Brutto-Prämie“ ausgezeichnet; die Versicherungsteuer war nicht separat ausgewiesen.

Im Jahr 1995 setzte das Finanzamt Versicherungsteuer gegen die Klägerin für den Zeitraum 1990 bis 1995 fest, da die britische Versicherung ihrer Anmeldungs- und Entrichtungspflicht nicht nachgekommen war. Versicherungsnehmer und der Versicherer seien Gesamtschuldner, sodass die Steuerfestsetzung gegen die Klägerin rechtmäßig sei. Eine Haftungsinanspruchnahme der britischen Versicherung sei aussichtslos.

 

 

Lösung

Der BFH folgt der Auffassung des Finanzamts. Gemäß § 44 Abs. 1 AO i.V.m. § 7 Abs. 8 VersStG sind der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner und der Versicherer als Haftungsschuldner als Gesamtschuldner der Versicherungsteuer anzusehen. Ein Auswahlermessen bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme des Steuerschuldners oder des Haftenden ist im VersStG nicht gesetzlich geregelt.

Es ist dem Versicherer überlassen, ob er die Versicherungsteuer in die Prämie mit einrechnet oder gesondert ausweist. Aus der Bezeichnung „Total Brutto-Prämie“ lässt sich nicht erkennen, ob dieser Betrag die Steuer bereits beinhaltet. Insofern obliegt es den Vertragsparteien, hier Klarheit zu schaffen. Da eine Inanspruchnahme der im Ausland ansässigen Versicherungsgesellschaft aussichtslos erscheint, hat sich das Finanzamt zu Recht an den Versicherungsnehmer als Steuerschuldner gewandt.

 

 

 

Praxishinweis:

Anders als etwa im Lohn- oder Kapitalertragsteuerverfahren gibt es im Versicherungsteuerrecht keine Einschränkung der Inanspruchnahme des Endschuldners. Da auf ausländische Spezialversicherer häufig im Rahmen von größeren Projekten (Anlagen, Schiffe, Flugzeuge etc.) zurückgegriffen wird, kann sich hier ein materiell signifikantes Haftungsrisiko des Versicherungsnehmers ergeben, insbesondere wenn die Steuer in einem Betrag für mehrere Jahre zuzüglich Zinsen in Rechnung gestellt wird. Dieses Risiko ist bei der Auswahl der Versicherung zu beachten.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 5/2022

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