BFH-Urteil vom 3.5.2022, IX R 34/19
Die Alchemisten der Antike und des Mittelalters versuchten, durch Vermischung von Stoffen etwas Wertvolles zu erschaffen. Im Steuerrecht führt eine Vermischung dagegen selten zu wünschenswerten Wertsteigerungen, sondern zieht häufig unerwünschte steuerliche Nebenwirkungen nach sich. Doch es gibt Ausnahmen, wie der BFH nun in einem Urteil darlegt.
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Problemstellung
Der Kläger erwarb ein Mehrfamilienhaus mit vier Wohneinheiten, von denen eine Einheit privat genutzt und die anderen Einheiten zur Erzielung von Vermietungseinkünften genutzt wurden. Die private Wohnung wurde aus Eigenmitteln finanziert, eine Wohneinheit wurde teils aus Eigenmitteln und teils aus Darlehen finanziert, und zwei Wohneinheiten sind komplett aus Darlehen finanziert worden. Die drei Darlehensbeträge wurden dem Kläger von der Bank auf sein privates Konto gutgeschrieben und noch am selben Tag in vier Einzelüberweisungen zum Erwerb der vier Wohneinheiten verwendet.
In seiner Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger den Abzug der Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Aus Sicht des Finanzamts kam es durch die Zusammenführung der Darlehen und Eigenmittel auf dem Privatkonto des Klägers zu einer Vermischung, sodass eine Einzelzuordnung nicht möglich sei. Die Schuldzinsen seien somit nur anteilig nach dem Verhältnis der vermieteten zur selbstgenutzten Fläche abziehbar.
Lösung
Der BFH widerspricht der Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht. Durch die taggleiche und betragsidentische Weiterleitung der Darlehensbeträge ist eine Einzelzuordnung der Darlehen zu den einzelnen Wohneinheiten möglich. Es wäre auch unerheblich, wenn der Kaufpreis für ein nur teilweise fremdfinanziertes Objekt in einem Betrag abgeflossen ist. Andernfalls müsste der Kläger für jedes Darlehen ein eigenes Konto eröffnen, was der Lebenswirklichkeit widerspricht. Der Kläger hat auch keinen Einfluss darauf, dass am Tag der Durchleitung der Darlehen weitere Beträge vom Konto abgebucht werden. Entscheidend ist die taggleiche und betragsgleiche Weiterleitung.
Bei Selbstständigen kann es leicht dazu kommen, dass – beispielsweise aus Versehen – private Einnahmen und berufliche Ausgaben vermischt werden. Eine zeitnahe und vor allem betragsidentische Korrektur ist hier der beste Schutz vor unerwünschten steuerlichen Konsequenzen. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 11/2022
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