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Modernisierung der Betriebsprüfung: Was kommt auf die Steuerpflichtigen zu?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Praxis-Eindrücke anlässlich der Münchner Steuerfachtagung vom 30.3.2023


Die steuerliche Betriebsprüfung soll früher beginnen und schneller abgeschlossen werden. Über die gesetzliche Verankerung dieses Ziels, das mit einer tiefgreifenden Effizienzverbesserung verbunden werden soll, wurde in einem umfangreichen Themenblock anlässlich der diesjährigen Münchner Steuerfachtagung berichtet. Unternehmen müssen sich auf ein scharfes Sanktionsregime zur Durchsetzung erweiterter Mitwirkungspflichten einrichten. Erforderlich ist aber auch ein Umdenken in der Finanzverwaltung.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Anlässlich der diesjährigen Münchner Steuerfachtagung vom 29./30.3.2023 stand als Themenbereich die Modernisierung der steuerlichen Betriebsprüfung im Mittelpunkt verschiedener Programmteile. In einer prominent besetzten Podiumsdiskussion wurde auf aktuelle Problempunkte aufmerksam gemacht, die Prüfer und Geprüfte künftig beachten sollten. Das betrifft insbesondere ein möglicherweise schärferes Sanktionsregime zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und die verwaltungsseitige Ermessensabgrenzung bei den Modernisierungen. Zweck der Modernisierung ist letztlich eine Effizienzverbesserung.  Vertrauensvolle Kooperation ist zwar das Ziel, aber drohen nicht in erster Linie Verschärfungen?

 

Lösung

In seinem Impulsvortrag verwies Prof. Dr. Heribert Anzinger (Universität Ulm) auf drei Schwerpunkte, die im Rahmen der Modernisierung der steuerlichen Betriebsprüfung anstehen:

(1) die zeitnahe Betriebsprüfung als Gegenstand der Neuregelungen im DAC7-Umsetzungsgesetz,

(2) die alternativen Prüfungsmethoden gemäß § 38 EGAO und

(3) Erfahrungen aus dem Ausland.

Zu (1) soll es eine Beschleunigung geben: Früher beginnen und früher abschließen. Neben der Digitalisierung gemäß § 87a AO n.F. (elektronische Verhandlungen und Besprechungen) und § 147b AO n.F. (Standardisierung digitaler Schnittstellen) geht es insbesondere um erweiterte Mitwirkungspflichten. Dies betrifft einheitlich auf 30 Tage verkürzte Vorlagefristen, die Erweiterung der Berichtigungspflicht, Anforderungen hinsichtlich der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung, die Vereinbarung von Rahmenbedingungen sowie ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen (§ 200a AO n.F.). Ferner wurden die Themenbereiche „Teilabschlussbescheide sowie Fristenstraffung“ (§ 171 Abs. 4 AO n.F., § 180 Abs. 1a AO n.F., § 197 Abs. 5 AO n.F.) von Anzinger skizziert.

Beim zweiten Punkt (2) geht es um die Vermeidung von Steuer-, Straf- und zivilrechtlichen Risiken mittels Steuerkontrollsystemen. Anzinger verwies auf das Vorbild Österreich. Dort wurde dieser Ansatz mit erhöhten Auskunftspflichten der Finanzverwaltung verbunden. Steuerkontrollsysteme sind als Teilmenge eines Tax CMS zu verstehen. Es umfasst in Österreich die Summe aller Maßnahmen, die gewährleisten, dass Besteuerungsgrundlagen korrekt ausgewiesen werden. Im deutschen § 38 EGAO kommt es gemäß Anzinger auf die Innovationsoffenheit der Vorschrift sowie eine Größenklassen-Differenzierung an. Es fragt sich, wie die Wirksamkeit sichergestellt werden kann. Dabei ist die Beschränkung von Art und Umfang der Ermittlungen das zentrale Praxisproblem, wobei auch hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelten müsse.

Zu (3) verwies Anzinger auf kooperative Ansätze in Österreich, auf Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Echtzeit und hinsichtlich des Monitoring auf erweiterte Anzeigepflichten, die digitale Nachschau sowie die kooperative Risikoanalyse; insbesondere bei Letzterer geht es aber auch um die Ausweitung und Erleichterung verbindlicher Auskünfte. Zu überlegen ist in der Praxis eine Ausweitung freiwilliger Informationsweiterleitungen. Die Verknüpfung der verbindlichen Auskunft mit der steuerlichen Außenprüfung in Echtzeit ist noch ein Zukunftsthema. Auch Ansprüche der Unternehmen auf eine zeitnahe und kooperative Außenprüfung gilt es abzugrenzen.

Dr. Franziska Peters (Richterin am BFH) stellte eine Unwucht hinsichtlich der erweiterten Mitwirkungspflichten und der vielfältigen Ermessensspielräume der Finanzverwaltung fest (kann …, soll …, etc.). Sie äußerte höchste Bedenken, Festlegungen im Verordnungswege zu erlassen. Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen könne für die Unternehmen „richtig, richtig teuer“ werden. Streitigkeiten seien insoweit vorprogrammiert. Sehr begrüßenswert seien die Möglichkeiten, Teilabschlussbescheide zu erlassen.

Als „Vertreter der Geprüften“ schloss sich Prof. Dr. Robert Mayr (CEO DATEV eg, Nürnberg) den von Peters geäußerten Bedenken insbesondere im Hinblick auf die KMU (darunter die sog. BMW-Mandanten der Steuerberater – also z.B. „Bäcker, Metzger oder Wirte“) an. Er befürchtet Überfrachtungen von Kleinstunternehmen mit Steuerkontrollsystemen, die ja zudem nur sehr selten geprüft werden. Auch Steuerberater könnten dann überfordert sein. Aus Sicht des digitalen Dienstleisters DATEV steht die Schnittstellenfrage im Fokus. Wie sollen die Daten übermittelt werden, mit welchen Kosten, in welchem Umfang (welches Datenpaket)? Letztlich sei im Interesse des kooperativen Ansatzes ein Kulturwandel erforderlich.

Georg Geberth betonte als Vertreter eines Großunternehmens (Director Global Tax Policy, Siemens AG, München), dass das Thema einer möglichst zeitnahen Betriebsprüfung bei ihm schon seit fast 20 Jahren auf der Tagesordnung stehe. Aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der Finanzverwaltung könne seit Langem vermieden werden, dass mehr als vier Jahre Rückstand entstehen. Solche Einzelfälle müssten bzw. könnten jetzt auf die Breite der Unternehmen ausgerollt werden. Ihm liegt an der Standardisierung von Datenschemata, um die Prüfung noch schneller als bisher abwickeln zu können. Da gebe es viel Gesprächsbedarf.

Dr. Arnd Weißgerber als Vertreter des Finanzministeriums Bayern hob hervor, dass Beschleunigung und erweiterte Mitwirkung zwar untrennbar seien. Die Verwaltung wolle aber nicht vorschnell auf das Mittel des qualifizierten Mitwirkungsverlangens zugreifen, sondern nur bei bestimmten Eskalationsstufen. Auch die Schnittstellendefinition solle nicht das Ziel haben, in die Buchführung der Steuerpflichtigen eingreifen zu können. Damit könne man aber entscheidend zur Beschleunigung beitragen. Erforderlich sei aber auch, so räumte er ein, ein Umdenken in weiten Teilen der Finanzverwaltung.

 

Praxishinweise:

  • Prof. Anzinger als der Referent des Impulsvortrags mahnte im Rahmen der Diskussion eine möglichst schnelle Umsetzung der Änderungen an. Dies sei schon wegen des drohenden Defizits an qualifizierten Fachkräften erforderlich. Ohne diese können die geforderten Steuerkontrollsysteme nicht aufgebaut und dann laufend eingesetzt werden.
  • Mit der Buchführung in den Unternehmen befasste Fachkräfte werden zwar die Aussage aus dem Finanzministerium, dass man nicht beabsichtige, in die laufende Buchführung eingreifen zu wollen, mit einer gewissen Beruhigung zur Kenntnis nehmen. Andererseits könnten immer weitergehende Anzeige- und Deklarationspflichten in Verbindung mit den teilweise nur sehr schwer zu durchschauenden IT-technischen Analysemöglichkeiten (auch aufseiten der Finanzverwaltung, so der Ministerialrat Weißgerber: „Wir müssen verstehen, wie es funktioniert“) Fehlentwicklungen begünstigen. Prof. Mayr (DATEV) äußerte hingegen die Sorge, dass mit fehlenden Kenntnissen Effizienzpotenziale ungenutzt bleiben. Beraterseitig sei man gerne bereit, mit gezieltem Informations- und Wissensaustausch gegenzusteuern.
  • Aus dem Podium wurde die Sorge geäußert, dass zu sehr aus Sicht der Großunternehmen gedacht werde. Große Rechtsunsicherheit besteht, ob bzw. inwieweit auch die „Blumenhändlerin um die Ecke“ digitale Schnittstellen bereitstellen muss. Zwar beschwichtigte Weißgerber als Vertreter der Finanzverwaltung insoweit. Buchführungsverantwortliche sind aber trotzdem gut beraten, die Diskussion um die Modernisierung der Betriebsprüfung weiterzuverfolgen.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 5/2023

BC2023504

 

 

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