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Veränderungen auf den Energiemärkten – Auswirkungen auf Rechnungslegung und Prüfung

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner

Fachlicher Hinweis des Energiefachausschusses (EFA) des IDW vom 19.12.2022

 

Der Energiefachausschuss (EFA) des IDW hat sich im Zuge des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Veränderungen auf den Energiemärkten mit den Auswirkungen auf die Rechnungslegung und Prüfung von Unternehmen befasst und einen Fachlichen Hinweis hierzu herausgegeben.


 

Praxis-Info!

Aufgrund des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Veränderungen auf den Energiemärkten hat sich der Energiefachausschuss (EFA) des IDW mit den Auswirkungen auf die Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen der Energiebranche befasst. Insbesondere sind dies Unternehmen in den Bereichen Vertrieb von Elektrizität oder Erdgas, Betrieb von Energieversorgungsnetzen, Stromerzeugung und Betrieb von Gasspeicheranlagen. Der Fachliche Hinweis des EFA vom 19.12.2022 stützt sich auf den branchenübergreifenden Fachlichen Hinweis des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und deren Prüfung. In dem aktuellen Fachlichen Hinweis des EFA werden die nachstehenden Aspekte weitergehend beleuchtet.

Die Auswirkungen des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes (EWSG) für die bilanzielle Behandlung der Abschlagszahlungen für Dezember 2022 bei Erdgaslieferanten und Wärmeversorgungsunternehmen werden im Fachlichen Hinweis beispielsweise wie folgt bewertet:

  • Letztverbraucher von Erdgas mit einem Jahresverbrauch von maximal 1,5 GWh sollen einmalig entlastet werden. Die Höhe der Entlastung beträgt ein Zwölftel des Jahresverbrauchs, der vom Erdgaslieferanten für die Entnahmestelle für den Monat September 2022 prognostiziert wurde, multipliziert mit dem Arbeitspreis, der zum 1. Dezember für den Monat Dezember 2022 im Lieferverhältnis verhandelt wurde.

Hinsichtlich der Frage, wie mit der Mehrbelastung bei neuen Kunden aufgrund eines höheren Grundversorgungstarifs umgegangen wird, und dem damit einhergehenden Tarifsplitting bewertet der EFA die aktuelle Rechtslage wie folgt:

  • Das OLG Köln mit Beschluss vom 2.3.2022 und das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 1.4.2022 haben entschieden, dass ein Tarifsplittung bei Neu- und Bestandskunden in der Grund- und Ersatzversorgung gültig ist. Der Gesetzgeber hat zudem mit dem Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm für eine Klarstellung gesorgt. Hieraus ergibt sich nun nicht mehr die Unklarheit, ob Rückstellungen für Schadensersatzansprüche oder Rückzahlungen bezüglich einer unzulässigen Tarifsplittung erfolgen müssen.

Der EFA empfiehlt unter anderem, folgende Aspekte im Jahresabschluss zu berücksichtigen:

  • Bewertung von Kundenforderungen: Die Preiserhöhungen in den Bereichen Strom und Gas können bei den Kunden zu einem erhöhten Ausfallrisiko bei Kundenforderungen führen, die bei der Bildung von Einzel- und Pauschalwertberichtigungen berücksichtigt werden müssen.
  • Voraussetzungen für eine Sicherungsbeziehung: Vor dem Hintergrund der Turbulenzen an den Energiemärkten ist zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Bewertungseinheit oder für die Zusammenfassung von schwebenden Energiebeschaffungs- und/oder Energieabsatzgeschäften noch vorliegen.
  • Bewertung von Stromerzeugungsanlagen: Infolge der massiven Preisverwerfungen an den Strom- und Gasmärkten sowie möglicher regulatorischer Vorgaben sind Annahmen aus Vorjahren hinsichtlich Werthaltigkeit sowie Nutzungsdauern in Abhängigkeit von den aktuellen Gegebenheiten zum Abschlussstichtag zu überprüfen. Das IDW unterscheidet in seinem aktuellen Hinweis in diesem Zusammenhang zwischen Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken und geht auch auf bilanzielle Unterschiede in diesem Zusammenhang ein.
  • Bewertung von Gasspeicheranlagen: Im Hinblick auf den geänderten regulatorischen Rahmen für den Betrieb von Gasspeichern sind die geltenden Annahmen aus den Vorjahren bezüglich ihrer Werthaltigkeit und Nutzungsdauer in Bezug auf die aktuellen Gegebenheiten zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund ist auch zu untersuchen, ob sich die bisher angenommene Nutzungsdauer, die dem Abschreibungsplan zugrunde liegt, erheblich verlängert hat oder ob der Speicher deutlich stärker genutzt wird als in der Vergangenheit angenommen. Wenn und soweit Verpflichtungen vorliegen, den Gasspeicher nach Beendigung des Betriebs zurückzubauen, ist auch die Bewertung der korrespondierenden Rückstellungen zu überprüfen. Ebenso sind bestehende Gasspeicherverträge auf den Ansatz von Drohverlustrückstellungen zu überprüfen.

Die aktuelle Entwicklung an den Energiemärkten und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die (Konzern-)Lageberichterstattung bewertet der EFA wie folgt:

  • Bei allgemeinen Ausführungen zur Lageberichterstattung und zur Beurteilung der Going-Concern-Annahme (Bewertung unter Berücksichtigung der Unternehmensfortführung) wird auf die Fragen 2.5 und 2.6 im Fachlichen Hinweis des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und die Prüfung verwiesen. Nach Ansicht des EFA sind Unternehmen aus dem Bereich Energiewirtschaft verpflichtet, bei der Lageberichterstattung umfassend über die aktuellen Geschehnisse an den Energiemärkten zu berichten. Neben den Ausführungen im Wirtschaftsbericht zu gesamtwirtschaftlichen und branchenbezogenen Rahmenbedingungen und der Darstellung des Geschäftsverlaufs könnte dies auch die Berichterstattung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage betreffen. Auch im Prognosebericht sollte im Vergleich zu den Vorjahren umfangreicher auf die zugrunde liegenden Szenarien eingegangen werden.

Der EFA bewertet zudem die Auswirkungen auf die Prüfungsplanung hinsichtlich der Identifizierung und Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Darstellung und die Reaktion auf die beurteilten Risiken. Bei der Identifizierung der Risiken wesentlicher falscher Darstellung sollte die Beschaffungs- bzw. Handelsstrategie für Strom und Gas des Energieversorgungsunternehmens beurteilt werden.

Hinsichtlich der Prüfung nach § 53 HGrG (Haushaltsgrundsätzegesetz) empfiehlt das IDW grundsätzlich den IDW-Prüfungsstandard Berichterstattung über die Erweiterung der Abschlussprüfung nach § 53 HGrG (IDW PS 720). Im Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen können nach Beurteilung der EFA folgende Bereiche eine zentrale Rolle der Prüfung einnehmen:

  • Fragenkreis 4: Risikofrüherkennungssystem
  • Fragenkreis 7: Übereinstimmung der Rechtsgeschäfte und Maßnahmen mit Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung, Geschäftsanweisung und bindenden Beschlüssen des Überwachungsorgans
  • Fragenkreis 10: Berichterstattung an das Überwachungsorgan
  • Fragenkreis 12: Finanzierung
  • Fragenkreis 14: Rentabilität/Wirtschaftlichkeit
  • Fragenkreis 15: Verlustbringende Geschäfte und ihre Ursachen
  • Fragenkreis 16: Ursachen des Jahresfehlbetrags und Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage.

Der aktuelle Fachliche Hinweis des EFA, der im Fragen-und-Antworten-Format aufgebaut ist, nimmt an zahlreichen Stellen Bezug auf die branchenübergreifenden Fachlichen Hinweise des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und deren Prüfung, die zuletzt am 22.12.2022 mit dem 4. Update aktualisiert worden sind. Die aktuelle Sammlung von bilanziellen und prüferischen Themenstellungen ist nicht abschließend und wird auskunftsgemäß künftig z.B. aufgrund der Gesetzgebungsverfahren zu den Erdgas-, Wärme- und Strompreisbremsen ergänzt (z.B. Abschöpfung von Zufallserlösen).

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

 

BC 2/2023 

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