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Umsatzsteuer
   

Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung: Versagung des Vorsteuerabzugs

BC-Redaktion

BMF-Schreiben vom 15.6.2022, III C 5 – S 7429-b/21/10003 :001; DOK 2022/0594965

 

Zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs insbesondere in Form von Ketten- oder Karussellgeschäften wurde durch das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451, vgl. BC 2019, 562 ff., Heft 12) eine Regelung getroffen. Hiernach kann der Vorsteuerabzug bzw. die Steuerbefreiung für den entsprechenden Umsatz verwehrt werden.

Ein BMF-Schreiben präzisiert die Fälle, wann objektive Umstände für eine wissentliche Einbindung des Unternehmers in eine Umsatzsteuerhinterziehung vorliegen.

Praxis-Info!

 

1. Voraussetzungen einer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung

Von der Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der in Anspruch genommenen Steuerbefreiung für entsprechende innergemeinschaftliche Lieferungen betroffen sind (gemäß § 25f Abs. 1 UStG) bereits Unternehmer, die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Leistungsbezug oder dem erbrachten Umsatz an einem Umsatz beteiligt haben, bei dem ein Beteiligter auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe in eine begangene Umsatzsteuerhinterziehung oder Erlangung eines nicht gerechtfertigten Vorsteuerabzugs (im Sinne von § 370 AO) oder in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (im Sinne der §§ 26b und 26c UStG) einbezogen war.

Dies erstreckt sich auch auf das Wissen oder Wissenmüssen der Angestellten von Unternehmen, welches die Angestellten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit erlangt haben oder hätten erlangen müssen (UStR 25f.1 Abs. 2 S. 2).

 

 

2. Maßnahmen zur Vermeidung einer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung

Unternehmen haben sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung und nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens verwickelt sind. Sobald Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten, insbesondere eine Steuerhinterziehung erkennbar sind – entweder bei der Aufnahme neuer oder bei bestehenden Geschäftsbeziehungen –, muss der Unternehmer weitergehende geeignete Maßnahmen ergreifen (z.B. Auskünfte einholen) und dies auch entsprechend dokumentieren.

Anhaltspunkte für eine Umsatzsteuerhinterziehung können z.B. sein (UStAE 25f.1 Abs. 5):

  • Aufforderung durch einen Dritten, sich an Umsätzen zu beteiligen, bei denen der Dritte die Rahmenbedingungen für das Umsatzgeschäft vorgibt (z.B. Vermittlung von Beteiligten, Vorgabe von Einkaufs-/Verkaufspreisen, Zahlungsmodalitäten oder Liefer- bzw. Leistungswegen);
  • Möglichkeit der Finanzierung des Wareneinkaufs erst nach erfolgtem Warenverkauf;
  • Feststellung (angebotener) Mehrfachdurchläufe von Waren;
  • Angebot von Waren bzw. Leistungen, deren Preis unter dem Marktpreis liegt;
  • Vornahme von branchenunüblichen Barzahlungen oder einer ungewöhnlichen Zahlungsabwicklung;
  • häufiger Wechsel der Ansprechpartner in den Unternehmen;
  • fehlende berufliche Erfahrung und Branchenkenntnis bei den Beteiligten;
  • wiederholte Verlegung des Unternehmenssitzes bei den Beteiligten;
  • bestehende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beteiligten (z.B. aufgrund von Abweichungen des Gesellschaftszwecks oder der Geschäftsadressen zu den Angaben laut Handelsregister);
  • keine Entsprechung von Gesellschaftszweck laut Handelsregister und tatsächlich ausgeübtem Gesellschaftszweck;
  • Angebot einer Warenmenge oder eines Leistungsumfangs, die bzw. der für die Größe des Unternehmens in der Branche unüblich ist (z.B. ungewöhnlich hohe Stückzahlen trotz Neugründung);
  • Fehlen ausreichender Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bei den Beteiligten (z.B. Website ohne Impressum, Rufnummer oder E-Mail-Adresse);
  • Vorliegen ungewöhnlicher Leistungsbedingungen (z.B. Erbringen der Leistungen von einem oder an ein nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen);
  • Feststellung über zugängliche Informationsquellen (z.B. Internetrecherche), dass die Anlieferung der Waren an die vom Abnehmer angegebene Lieferadresse nicht möglich erscheint.

Wichtig: Die Beweislast für eine Verwicklung in eine Umsatzsteuerhinterziehung trägt das Finanzamt (UStAE 25f.1 Abs. 6).

 

 

Praxishinweise:

  • Bei der Umsatzbesteuerung ist jeder Umsatz für sich zu betrachten; vorausgehende oder nachfolgende Ereignisse ändern nichts am Charakter eines bestimmten Umsatzes in einer Lieferkette. Das Vorliegen von Lieferungen wird (laut BFH-Rechtsprechung) nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei den Lieferungen um Warenbewegungen im Kreis handelte. Voraussetzung: Der Unternehmer hatte keine Kenntnis davon, dass der Vorgang mit einem Umsatzsteuerbetrug behaftet ist (keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten).
  • Das bloße Vorliegen einer Kette von Umsätzen und die bloße Vermutung des Finanzamts, wonach ein Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über die Ware z.B. tatsächlich nicht vom Anbieter (beauftragten liefernden Unternehmer) selbst, sondern von einem Schwesterunternehmen des Anbieters erhalten habe, rechtfertigen (laut BFH-Rechtsprechung) nicht die Schlussfolgerung, dass deshalb kein Umsatz zwischen Anbieter und Leistungsempfänger bewirkt worden sei. Maßgebend für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist, dass dessen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorliegen. Leistender kann auch ein sog. Strohmann sein. Das Umsatzsteuerrecht knüpft an tatsächliche Leistungsvorgänge an, weshalb es auf das Vorhandensein zivilrechtlich wirksamer Verträge oder Leistungspflichten nicht ankommt (so das BFH-Urteil vom 11.3.2020, XI R 38/18; BC 2020, 398 f., Heft 9). Maßgeblich ist, dass die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
  • Wird nicht zeitnah zur ersten Lieferung und darauf folgend in regelmäßigen Abständen während der laufenden Lieferbeziehung die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) abgefragt, fehlt es an der nötigen Sorgfaltspflicht. Ein Leistungsempfänger sollte die Unrichtigkeit der Angaben des liefernden Unternehmers (Angabe einer ungültigen USt-IdNr.) bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen. Deshalb hat ein Leistungsempfänger unmittelbar vor Ausführung der ersten Lieferung und darüber hinaus erneut in regelmäßigen Abständen qualifizierte Abfragen der USt-IdNr. beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stellen.

 

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 7/2022

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