BFH-Urteil vom 19.2.2014, XI R 9/13
Die Entnahme eines Pkw durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen in den nichtunternehmerischen (privaten) Bereich mit späterer Beförderung (Ausfuhr) in ein Drittland ist weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht eine steuerfreie Ausfuhrlieferung.
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Problemstellung
Ein Einzelkaufmann erwarb einen Pkw des Typs Bentley Continental GTC (Nettopreis: 168.067,22 € zuzüglich Umsatzsteuer). Er ordnete den Pkw in vollem Umfang seinem Unternehmensvermögen zu.
Nachdem der Unternehmer seinen privaten Wohnsitz in die Schweiz verlegt hatte, entnahm er etwa drei Monate später den Pkw aus seinem Unternehmen in seinen nichtunternehmerischen (privaten) Bereich (Bemessungsgrundlage gemäß Ankaufangebot eines Autohauses: 105.000 € netto). Hierzu erteilte der Einzelkaufmann unter der deutschen Firma sich selbst (an die Privatanschrift in der Schweiz) eine Rechnung (ohne Umsatzsteuer). Die Zollbehörden der Schweiz erhoben aufgrund der Pkw-Einfuhr Schweizerische Mehrwertsteuer und Automobilsteuer.
Der Unternehmer meldete in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung die Pkw-Entnahme als steuerfreie Ausfuhrlieferung (nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG) an.
Das Finanzamt wollte hingegen eine Steuerbefreiung für diese Ausfuhrlieferung nicht anerkennen, da diese (nach § 6 Abs. 5 UStG) für unentgeltliche Wertabgaben ausgeschlossen sei.
Lösung
Die Entnahme des Pkw ist sowohl nach den Vorschriften des nationalen Rechts als auch nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts im Inland
– umsatzsteuerbar (Entnahme eines zuvor zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigten Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für private Zwecke, vgl. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG) und
– umsatzsteuerpflichtig (aufgrund von § 6 Abs. 5 UStG, wonach Entnahmen aus dem Unternehmen für den privaten Bedarf von der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen sind).
Der Ort dieser (gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG) fingierten Lieferung lag in Deutschland (Beginn der Beförderung oder Versendung eines Liefergegenstands an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten). Lieferungen aus dem Unternehmen in den nichtunternehmerischen (privaten) Bereich (im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG) werden allerdings (gemäß § 3f Satz 1 UStG) an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (also gleichermaßen in Deutschland).
- Die Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Umsatz einer unentgeltlichen Wertabgabe (nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG) ist (nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) der Netto-Einkaufspreis (zuzüglich der Nebenkosten des Gegenstands), d.h. der Wiederverkaufspreis im Zeitpunkt der Entnahme. Demzufolge darf nur der „noch vorhandene Wert“ des Gegenstands bei seiner Entnahme besteuert werden, also der Restwert des Gegenstands im Zeitpunkt der Entnahme (was insoweit den ursprünglichen Vorsteuerabzug reduziert).
- In besonderen Fällen, wenn ein Einkaufspreis nicht vorhanden ist, sind die Selbstkosten anzusetzen (z.B. bei Sonderanfertigungen). Im Klartext: Der Einkaufspreis ist – falls ermittelbar – auch bei hergestellten Gegenständen primär anzuwenden, sofern sich hierfür gleichartige Gegenstände (Seriengegenstände) finden lassen.
- Die Obergrenze einer Entnahmebewertung sollten – aus umsatzsteuerlicher Sicht – die ursprünglichen „tatsächlichen Einkaufspreise/Selbstkosten“ des Gegenstands sein, falls durch Preissteigerungen oder Wertsteigerungen höhere aktuelle Einkaufspreise/Selbstkosten als die sog. historischen ermittelt werden.
- Soweit ein Wirtschaftsgut des Unternehmens für private Zwecke genutzt wird (gemischt genutzte Gegenstände), sind aus der Sicht der Umsatzsteuer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den Nutzungszeitraum (entsprechend § 15a UStG) zu verteilen. Dieser Zeitraum ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern fünf Jahre. Außerdem sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die private Verwendung nur diejenigen Ausgaben zu berücksichtigen, die zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (vgl. ausführlich Bathe, BC 2012, 414 ff., Heft 9).
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[Anm. d. Red.]
BC 6/2014
becklink358136