Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 24.4.2013, XI R 3/11
Bei Übernachtungen in einem Hotel unterliegen nur die unmittelbar der Beherbergung dienenden Leistungen des Hoteliers dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%. Frühstücksleistungen an Hotelgäste gehören nicht dazu; sie sind mit dem Regelsteuersatz von 19% zu versteuern, auch wenn der Hotelier die „Übernachtung mit Frühstück“ zu einem Pauschalpreis anbietet.
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Problemstellung
Ein Hotelier bot ausschließlich „Übernachtungen mit Frühstück“ an und berechnete für das Einzelzimmer bzw. für das Doppelzimmer Komplettpreise, in denen ein Frühstück in Buffetform enthalten war, auf das nach der Kalkulation ein Anteil von 8 € pro Person entfiel. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen (Jan./Febr. 2010) unterwarf er die Frühstücksumsätze an Hotelgäste dem ermäßigten Steuersatz von 7%.
Davon abweichend besteuerte das Finanzamt (FA) die Frühstücksumsätze mit dem Regelsteuersatz von 19%. Es führte hierzu im Wesentlichen aus: Die Überlassung von Hotelzimmern zur Übernachtung unterfalle (gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG) als Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, dem ermäßigten Steuersatz. Die Frühstücksleistungen seien dagegen (gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 UStG) dem vollen Steuersatz zu unterwerfen. Es handele sich um selbständige Leistungen, die nicht „unmittelbar der Übernachtung“ dienten.
Hintergrund ist die insbesondere auf Betreiben Bayerns erfolgte gesetzliche Neuregelung der sog. Hotelsteuer, wonach sich gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG die Umsatzsteuer von 19% der Bemessungsgrundlage (sog. Regelsteuersatz) auf 7% ermäßigt, und zwar für „die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind“. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1.1.2010 in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Der Gesetzgeber hat insoweit von der Option in der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL) Gebrauch gemacht. In Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL heißt es: „Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen“. |
Lösung
Der BFH hat sich der schon vom Finanzgericht (FG) München vertretenen Auffassung angeschlossen, dass die Frühstücksleistungen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen. Die Münchener Richter ließen keinen Zweifel daran, dass Frühstücksleistungen, wie sie im Streitfall erbracht worden waren, zu den Leistungen gehören, die im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG „nicht unmittelbar der Vermietung dienen“. Das Angebot eines Frühstücks stehe neben der reinen Vermietungs- bzw. Beherbergungsleistung. Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden (insbesondere Hotelzimmer) könnten auch ohne Frühstück bewohnt werden und werden in der Praxis nicht selten ohne Frühstück angeboten und genutzt. Auch wenn Frühstücksleistungen üblicherweise ergänzend zu Beherbergungsleistungen (insbesondere im Hotelgewerbe) erbracht werden und der Hotelbetreiber ausschließlich die Kombination „Übernachtung mit Frühstück“ angeboten hat, ändere das nichts an dieser Beurteilung.
Damit schließt sich der BFH der Sichtweise der Finanzverwaltung an. Das dem Verfahren beigetretene Bundesfinanzministerium (BMF) hatte ausgeführt, Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen würden jeweils eigenständige Hauptleistungen darstellen. Es könne nicht in das Belieben der am Leistungsaustausch Beteiligten gestellt werden, zwei getrennte Leistungen zu einer einheitlichen Leistung zu machen. Jedenfalls nehme § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gerade nicht auf die Einstufung als Haupt- und Nebenleistung Bezug, sondern schließe alle Leistungen von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aus, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, unabhängig davon, ob ein gesondertes Entgelt hierfür gefordert werde.
Inzwischen hat das BMF am 28.11.2013 ein Schreiben veröffentlicht (Az. IV D 2 – S 7200/13/10004), das sich mit der Entgeltaufteilung befasst. Hiernach ist das einheitliche Entgelt nach der einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode aufzuteilen, die zu sachgerechten Ergebnissen führt. Sofern dem Unternehmer mehrere Aufteilungsmethoden zur Verfügung stehen, die allesamt die Kriterien einer sachgerechten und einfachen Aufteilung erfüllen, kann der Unternehmer zwischen diesen Methoden frei wählen. Entsprechendes soll auch dann gelten, wenn der Unternehmer die im Rahmen des Gesamtverkaufspreises erbrachten Leistungen einzeln anbietet. Zwar soll hier grundsätzlich die Aufteilung der erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise erfolgen, daneben sind alternativ jedoch auch andere Aufteilungsmethoden (wie z.B. das Verhältnis des Wareneinsatzes) zulässig.
Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf zu § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG wären neben den klassischen Beherbergungsleistungen auch die (unselbständigen) Nebenleistungen steuerermäßigt gewesen. Die Einbeziehung sämtlicher Nebenleistungen in die in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG vorgesehene Steuerermäßigung wollte der Gesetzgeber durch den auf Vorschlag des Finanzausschusses „zur klarstellenden Einschränkung“ eingefügten Satz 2 der Vorschrift gerade verhindern. Die vom Gesetzgeber sodann verabschiedete Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ist mithin auf reine Vermietungs- bzw. Beherbergungsleistungen beschränkt. Damit normiert § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen. Zwar bestehen hier gemäß dem oben genannten BMF-Schreiben vom 28.11.2013 methodische Freiheiten, dennoch sollten Unternehmer auch künftig sorgsam unter Verwendung der im BMF-Schreiben genannten Grundsätze die für ihr Unternehmen passende Aufteilungsmethode auswählen (vgl. zu dieser und weiteren Empfehlungen den Beitrag von Feil unter http://www.der-betrieb.de, DB0633650). Entscheidend ist insbesondere, dass letztendlich ein einfacher und sachgerechter Aufteilungsmaßstab vorliegt. Andernfalls behält sich die Finanzverwaltung das Recht vor, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Ohne Erfolg blieb die Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach mit Reisen verbundene Dienstleistungen gewöhnlich Nebenleistungen darstellen, wenn auf sie im Verhältnis zur Unterbringung nur ein geringer Teil des Pauschalbetrags entfällt und sie zu den traditionellen Aufgaben eines Hoteliers gehören. Weitere Leistungen, die als nicht unmittelbar der Vermietung dienend dem Normalsteuersatz von 19% unterfallen, sind gemäß BMF-Schreiben vom 5.3.2010 z.B. die Getränkeversorgung aus der Minibar, die entgeltliche TV-Nutzung („Pay per View“), Wellnessangebote, Ausflüge, Reinigungsservice, Transferleistungen, Überlassung von Tickets (Fahr- und Eintrittsberechtigungen). Zweifel könnte eventuell die vom BMF in seinem grundlegenden Schreiben vom 5.3.2010 genannte Nutzung von Telefon und Internet aufwerfen – dies mit Blick auf die sich ausweitende Praxis, dass u.a. in Hotels kostenloses WLAN angeboten wird. Auch die ebenfalls vom BMF genannte Überlassung von Sportgeräten und -anlagen ist ein Zweifelsfall, wenn man bedenkt, dass in vielen Hotels die kostenlose Saunabenutzung mittlerweile Standard ist. Die lohnsteuerlichen Folgen der Differenzierung halten sich in Grenzen: Unter der Voraussetzung, dass neben der Beherbergung ein Sammelposten für andere dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Leistungen inklusive Frühstück ausgewiesen wird und keine (noch weiter steuerlich begünstigte) Frühstücksgestellung durch den Arbeitgeber angenommen werden kann, ist die Vereinfachungsregelung gemäß R 9.7 LStR 2011 weiterhin anwendbar. Das bedeutet: Für ein Frühstück dürfen – wie zuvor auch – 20% des maßgebenden Pauschbetrags für Verpflegungsmehraufwendungen (= 4,80 €) für lohnsteuerliche Zwecke berücksichtigt werden. Der für die BFH-Entscheidung maßgebliche Lebenssachverhalt lässt sich schlagwortartig so zusammenfassen: Nicht frühstücken muss, wer übernachtet. Dies kommt in der Praxis immer häufiger vor, was auch auf die teilweise ausufernden Frühstückspauschalen mancher Hotels zurückzuführen sein könnte. Insbesondere für Geschäftsreisende mit engem Zeitfenster am frühen Morgen wird dies zumindest dann ein Ärgernis, wenn hier interne Reiserichtlinien Grenzen setzen. Anbieter von Geschäftsbeziehungen besonderer Art, wie z.B. in Stundenhotels, können übrigens nicht mit dem ermäßigten Steuersatz liebäugeln, denn ihnen fehlen „charakterbestimmende Beherbergungsanteile“.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 1/2014
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