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Umsatzsteuer
   

Abgrenzung zwischen innergemeinschaftlichem Verbringen und vorübergehender Verwendung

Dr. Christian Salder

EuGH-Urteil vom 6.3.2014, Rs. C-606/12 und C-607/12 – Dresser-Rand SA

 

Viele deutsche Unternehmen verbringen Produkte zur Lohnveredelung in andere EU-Mitgliedstaaten. Nach erfolgter Be- oder Verarbeitung gehen die Produkte teils zurück und teils zu einem weiteren Bearbeitungsschritt in einen anderen Mitgliedstaat. In der Praxis besteht hier, auch aufgrund der verschiedenen nationalen Regelungen, große Unsicherheit.

Der EuGH hat nun klargestellt, dass ein (nicht steuerbares) vorübergehendes Verbringen nur vorliegt, wenn das Produkt nach Bearbeitung in das Abgangsland zurücktransportiert wird. Allerdings ist das nur die halbe Miete.

 

 

Praxis-Info!

 

 1. Ausgangsproblem

Die Abgrenzung zwischen (steuerbarem) innergemeinschaftlichem Verbringen und (nicht steuerbarer) vorübergehender Verwendung ist von großer praktischer Bedeutung. Häufig entscheidet diese Abgrenzung darüber, ob eine Registrierungspflicht in einem EU-Mitgliedstaat besteht. Der EuGH hat nun in seinem Urteil vom 6.3.2014 über die Voraussetzungen gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. f MwStSystRL entschieden.

 

 

2. Hintergrund des Verfahrens beim EuGH

Ein französischer Unternehmer verbrachte Bauteile zur Bearbeitung nach Italien. Anschließend belieferte er seine Kunden im Drittland teilweise von Italien aus. Die Teile wurden nicht nach Frankreich zurückverbracht. Aus diesem Grund ging der französische Unternehmer davon aus, dass er in Italien einen innergemeinschaftlichen Erwerb aus dem Verbringen versteuern müsse. Korrespondierend könnte der französische Unternehmer die Leistungen des italienischen Auftragnehmers nach einer nationalen Regelung steuerfrei beziehen.

Die italienische Finanzverwaltung vertrat demgegenüber die Auffassung, es liege eine nicht steuerbare vorübergehende Verwendung vor, weshalb die Leistungen des italienischen Auftragnehmers nicht der Steuerbefreiung unterliegen. Die Finanzverwaltung berief sich auf entsprechende nationale Vorschriften.

Der EuGH stellt in seiner Entscheidung dagegen auf den Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 Buchst. f MwStSystRL ab. Danach liegt ein (nicht steuerbares) vorübergehendes Verbringen nur vor, wenn der Gegenstand nach der Bearbeitung wieder an den Unternehmer im Ausgangsmitgliedstaat zurückgesendet wird.

 

 

3. Auswirkungen auf deutsche Rechtslage

Interessant ist die Entscheidung des EuGH insbesondere deshalb, weil auch das deutsche Recht eine solche Beschränkung zumindest nicht ausdrücklich enthält. Abschn. 1a.2 Abs. 9 Satz 2 UStAE verweist lediglich für die Auslegung der Regelungen auf Art. 17 MwStSystRL. Der UStAE enthält aber keine Aussage dazu, dass der Gegenstand für eine nicht steuerbare vorübergehende Verwendung in den Ausgangsmitgliedstaat zurückgelangen muss. Dennoch hatte die deutsche Finanzverwaltung auch bisher schon nur dann eine vorübergehende Verwendung angenommen, wenn der Gegenstand nach der Bearbeitung im Ausland zum Auftraggeber in Deutschland zurückgelangte.

 

 

Bedeutung für die Praxis:

  • Die Entscheidung des EuGH bringt für die Praxis Rechtssicherheit. Dies gilt zumindest für die Fälle des Verbringens, in denen der Gegenstand nach der Bearbeitung nicht unmittelbar in den Ausgangsmitgliedstaat zurückgelangt.
  • Einige Mitgliedstaaten nahmen bisher auch dann eine vorübergehende Verwendung an, wenn der Gegenstand nach Bearbeitung nicht in das Abgangsland zurücktransportiert wurde. Eine umsatzsteuerliche Registrierung im Ausland war in diesen Fällen nicht erforderlich. Es ist zu erwarten, dass diese Mitgliedstaaten aufgrund der EuGH-Entscheidung ihre Praxis ändern und entsprechend eine Registrierung ausländischer Unternehmen erforderlich wird. Korrespondierend hierzu ist gegebenenfalls auch in Deutschland zukünftig ein gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen zu erklären.
  • Unternehmen, die Produkte zur Lohnveredelung ins übrige Gemeinschaftsgebiet verbringen, sollten daher in nächster Zeit die entsprechenden Prozesse im Detail erfassen und verfolgen, inwieweit sich Rechtsänderungen im Ausland ergeben. Gegebenenfalls ist dann eine umsatzsteuerliche Registrierung erforderlich.

 

 

 

4. Art der Bearbeitung im Ausland entscheidend?

Der EuGH musste in seinem Urteil nicht darüber entscheiden, ob für die Abgrenzung zwischen innergemeinschaftlichem Verbringen und vorübergehender Verwendung auch die Art der Bearbeitung des Gegenstands maßgeblich ist. Die deutsche Finanzverwaltung vertritt seit jeher die Auffassung, dass eine vorübergehende Verwendung nicht mehr angenommen werden kann, wenn der ins Ausland verbrachte Gegenstand aufgrund der Be- oder Verarbeitung eine andere Marktgängigkeit erhält. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der deutsche Auftraggeber dem Lohnveredler im Ausland Kunststoffgranulat beistellt und ein fertiges Kunststoffgehäuse zurückerhält.

Die Finanzverwaltungen vieler anderer Mitgliedstaaten haben hierzu keine genaue Vorstellung oder vertreten eine andere Auffassung. Vor diesem Hintergrund kommt es in der Praxis immer wieder zu einer unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Behandlung zwischen einzelnen Mitgliedstaaten. Die Unternehmer müssen also auch künftig die Rechtslage im jeweiligen Mitgliedstaat prüfen, wenn sie entsprechende Prozesse aufsetzen. Gegebenenfalls müssen Lösungen erarbeitet werden, wie mit den Wertungswidersprüchen umzugehen ist.

 

 

5. Handlungsbedarf

Unternehmen mit entsprechenden Prozessen sollten prüfen, ob die Gegenstände nach Bearbeitung tatsächlich in den Ausgangsmitgliedstaat zurückgelangen. Wenn nicht, ist zu prüfen, inwieweit ein innergemeinschaftliches Verbringen in der Zukunft erklärt und gegebenenfalls für die Vergangenheit nachgemeldet werden muss.

 

Dr. Christian Salder, Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner der auf Umsatzsteuerrecht spezialisierten Kanzlei küffner maunz langer zugmaier, München (E-Mail: christian.salder@kmlz.de; Internet: www.kmlz.de)

 

 

 

BC 5/2014

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