BFH-Urteil vom 14.3.2012, XI R 33/09 (BFH-Pressemitteilung vom 11.4.2012, Nr. 24)
Die Verpflichtung des Unternehmers, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß.
Seit dem 1.1.2005 müssen Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt elektronisch übermittelt werden. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten darauf verzichten; dann muss wie bisher eine Papiererklärung eingereicht werden. Das Finanzamt muss dem Antrag entsprechen, wenn die elektronische Übermittlung für den Unternehmer wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist, etwa weil die Schaffung der technischen Voraussetzungen nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre, oder wenn der Unternehmer nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.
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Problemstellung
Im Streitfall hatte eine GmbH & Co. KG den Antrag gestellt, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben, und die Verfassungswidrigkeit der Pflicht zur elektronischen Datenübermittlung behauptet.
Das Unternehmen erstellte seine Buchführung handschriftlich mit einem sog. „amerikanischen Journal“.
Auszug aus dem Anschreiben an das Finanzamt: „… ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich a) aus technischer Sicht, b) aus persönlichen Gründen nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen. Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem PC umzugehen [...]“. |
Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Auch die hierauf im (von der GmbH & Co. KG) eingelegten Einspruch vorgebrachten weiteren Argumente blieben ohne Erfolg. Im Einzelnen:
- Berufung des Geschäftsführers auf sein Lebensalter,
- Fehlen eines Internetzugangs sowie mangelnde Fähigkeit zur Nutzung des Internets,
- neu gegründetes Unternehmen, welches „noch anlaufen“ müsse,
- Anfallen von voraussichtlich nur ca. 150 Buchungssätzen pro Jahr,
- Erstellung der Buchführung in Form eines „amerikanischen Journals“, weshalb ein technischer Anschluss „völlig überdimensioniert“ wäre.
Nach Auffassung des Finanzamts treffe keines dieser Merkmale auf einen sog. Härtefall zu, was insbesondere der Fall ist, wenn der Unternehmer
- finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder
- kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder
- in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt.
Außerdem gehöre die GmbH & Co. KG zu einem Konzern, der eine hauseigene EDV-Anlage unterhält, in der sowohl die anfallenden Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst werden. Mehrere der Konzerngesellschaften verfügen zudem über eine Internetpräsenz.
Die Einwendung, die Übermittlung von Steuerdaten mit der ELSTER-Software sei nicht sicher, sei unberechtigt.
Lösung
Nach Auffassung des BFH ist die Regelung in § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO verfassungsgemäß.
Die elektronischen Daten können von den Finanzämtern automatisch weiterverarbeitet werden. Dies dient u.a. der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und erleichtert die notwendige Kontrolle. Die Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig, denn die Härtefallregelung berücksichtigt die berechtigten Belange der Steuerpflichtigen in ausreichendem Maße.
Hinsichtlich der in § 150 Abs. 8 AO genannten Härtefallkriterien
– „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“ (insbesondere Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung bzw. einen Internetzugang nur mit erheblichem finanziellen Aufwand realisierbar) oder
– „persönliche Unzumutbarkeit“, d.h., der Steuerpflichtige ist nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung bzw. des Internets zu nutzen (z.B. wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann),
haben die Finanzbehörden – abweichend von den einzelgesetzlichen Regelungen – keinen Ermessensspielraum.
Nicht haltbar sind darüber hinaus die Sicherheitsbedenken bezüglich der Übermittlung der Daten im ELSTER-Verfahren, welches nicht manipulationsanfälliger als die papiergebundene Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist: „Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines ‚Hacker-Angriffs’ auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen."
Ob die GmbH & Co. KG mit Erfolg eine unzumutbare Härte geltend machen kann, blieb vor dem BFH offen. Ohne Erfolg hatte die Gesellschaft allerdings das hohe Alter und die mangelnde Computererfahrung ihrer Geschäftsführer geltend gemacht. Beides galt zumindest für zwei ihrer insgesamt vier Geschäftsführer nicht. Dass diese nur zum Schein bestellt seien, ließ der BFH nicht gelten. Über den Antrag der Gesellschaft muss das Finanzamt nun noch einmal entscheiden, weil es sein Ermessen im ersten Durchgang fehlerhaft ausgeübt hatte. Dies betrifft insbesondere den problematischen Verweis auf den Internetzugang anderer „Konzerngesellschaften“, deren technische Ausstattung nicht ohne Weiteres der GmbH & Co. KG zugerechnet werden kann.
Der Antrag auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf Papier bedarf keiner bestimmten Form. Auch Schwierigkeiten mit der Kapazität der Datenleitungen insbesondere im ländlichen Raum führen zur Erzielung einer Ausnahmegenehmigung. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen: Das Finanzamt kann (nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG) den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € beträgt. Wird diese Befreiung erteilt (vgl. dazu Abschn. 18.2. Abs. 2 Satz 2 UStAE), entfällt somit auch die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung.
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[Anm. d. Red.]
BC 5/2012
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