Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.8.2016, 5 K 288/15 (Revision eingelegt; Az. BFH: V R 51/16)
Von einer Uneinbringlichkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist auch dann auszugehen, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgelts für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann.
Praxis-Info!
Problemstellung
Klägerin war eine Spielervermittlerin, die Profifußballspieler vermittelte und für erfolgreiche Vermittlungen von den aufnehmenden Vereinen Vermittlungsprovisionen erhielt. Diese Provisionsforderungen waren nach den Vereinbarungen mit den Vereinen ratenweise über die Laufzeit der Spielerverträge (Spielberechtigung) zu zahlen. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2012 die Berichtigung der Umsatzsteuer auf solche Provisionsraten, die nach den vertraglichen Vereinbarungen im Jahr 2015 – und damit mehr als zwei Jahre nach Leistungserbringung – fällig werden sollten. Teilbeträge aus auflösend bedingten Provisionsforderungen, die mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss hätten fällig werden können, seien bereits zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung (gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) als uneinbringlich zu korrigieren.
Zuvor fand bei der Klägerin in der Zeit vom 3.3.2014 bis 19.1.2015 eine steuerliche Außenprüfung unter Beteiligung des Bundeszentralamts für Steuern statt. In deren Rahmen gelangte der Betriebsprüfer zu der Auffassung, dass Provisionsforderungen aus Spielervermittlungen bis zum 31.12.2012 in dem Jahresabschluss auf den 31.12.2012 zu aktivieren seien, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig und unter der aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingung des Fortbestehens der vermittelten Arbeitsverträge vereinbart seien. Weiterhin unterlägen diese sonstigen Leistungen im Veranlagungszeitraum 2012 der Umsatzsteuer. Die Leistungen der Kläger seien unter Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG in vollem Umfang im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Arbeitsverträge der vermittelten Lizenzspieler erbracht und somit zu diesem Zeitpunkt der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Eine Umsatzsteuerberichtigung ist – so das Finanzamt – nur zulässig, sofern das vereinbarte Entgelt uneinbringlich wird. Uneinbringlichkeit liegt insbesondere dann vor,
- wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist,
- wenn den Forderungen die Einrede des Forderungsverzichts entgegengehalten werden kann oder
- wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise, jedenfalls auf absehbare Zeit, rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.
Lösung
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat der Klage stattgegeben, mit der die Umsatzsteuerberichtigung im Zeitpunkt der Leistungserbringung für Provisionsraten begehrt wurde, deren Fälligkeit mehr als zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Leistungserbringung lag.
Zum Hintergrund: Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollbesteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs kommt es nicht an. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG hat der Unternehmer die Umsatzsteuer zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für die steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Uneinbringlich ist ein Entgelt im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2013 die Voraussetzungen einer Steuerberichtigung bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung bejaht, soweit ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann. Begründung: Eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume ist im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Istbesteuerung unterliegen, mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.
Das Niedersächsische FG hat diese Rechtsprechung des BFH fortgeführt. Demzufolge ist in diesem Fall von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auch dann auszugehen, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgelts, die mit dem Leistungsempfänger getroffen wurden, für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann.
Die Entscheidung hat große praktische Bedeutung u.a. für Ratenzahlungsverkäufe. |
[Anm. d. Red.]
BC 11/2016
becklink381819