Niedersächsisches Finanzgericht, Teilurteil vom 15.5.2017, 11 K 10147/15 (Revision eingelegt, Az. BFH: V R 12/17)
Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, soweit in einer Rechnung der Leistungsempfänger eindeutig und leicht nachprüfbar bezeichnet wird. Die Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen ist ausdrücklich nur dann möglich, wenn diese der Finanzbehörde vor Erlass der Verwaltungsentscheidung zugehen [im Gegensatz zur neueren BFH-Rechtsprechung vom 20.10.2016, V R 26/15; V R 64/14; V R 54/14, Anm. d. Red.].
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Problemstellung
Die X GmbH & Co. KG hat Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der Sozietät Y (Y) geltend gemacht. Über die GmbH ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Ausgangspunkt der geschäftlichen Beziehung zur X GmbH & Co. KG war ein Schreiben vom Juni 2009 der Sozietät Y, das an alle Kommanditisten der X GmbH & Co. KG gerichtet war. Aufgeführt wurden darin u.a. folgende Beratungsleistungen der Y:
- steuerliche Beratung, insbesondere hinsichtlich der seitens der Finanzbehörde angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft, sowie der möglichen Aberkennung des Vorsteuerabzugs,
- Beratung und Vertretung der Gesellschafter der X GmbH & Co. KG in den Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter der X GmbH und anderer insolventer Gesellschaften der X-Gruppe, insbesondere mit Blick auf das in der X GmbH & Co. KG gebündelte Betriebsvermögen,
- Vertretung der Gesellschafter der X GmbH & Co. KG bei Verhandlungen mit möglichen Investoren.
Als Anlage zu den Rechnungen war jeweils eine Leistungsübersicht beigefügt, aus der sich Datum, der Sachbearbeiter, die Beschreibung der Leistung und die Stundenzahl ergab.
Im Zuge einer steuerlichen Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass der X GmbH & Co. KG aus den Rechnungen der Y ein Vorsteuerabzug nicht zustehe. Begründung: Sämtliche Rechnungen wiesen als Leistungsempfänger eindeutig die Gesellschafter der X GmbH & Co. KG, nicht aber das Unternehmen selbst aus. Es sei unerheblich, ob die Beratungsleistungen möglicherweise wirtschaftlich im Wesentlichen der X GmbH & Co. KG zugeordnet werden könnten bzw. dass diese von ihr bezahlt wurden.
Die Y habe Beratungsleistungen offensichtlich bewusst an die Gesellschafter erbracht. Nach eigenem Bekunden habe die Y die X GmbH & Co. KG nicht gekannt und habe deshalb sicherstellen wollen, dass im Fall der Nichtzahlung die Gesellschafter in Anspruch genommen werden konnten.
Hierzu bekräftigte die X GmbH & Co. KG: Zivilrechtlich wurde der Vertragsabschluss mit der X GmbH & Co. KG getroffen. Sämtliche Aufwendungen stünden im Zusammenhang mit Themen der Gesellschaft, nicht Themen der Gesellschafter. Eine Mandatierung durch die Gesellschafter sei nie gewollt worden. Der Hinweis in den Rechnungen auf die Beratung „für die Gesellschafter“ der X GmbH & Co. KG sei keine Angabe des Leistungsempfängers im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, sondern eine Angabe zu Umfang und Art der sonstigen Leistung.
Im finanzgerichtlichen Verfahren vom 2.5.2016 hat die X GmbH & Co. KG korrigierte Rechnungen vorgelegt, in denen als Leistungsgegenstand die Beratung der GmbH & Co. KG genannt wird. Diese Berichtigungen seien ihrer Ansicht nach rückwirkend zu berücksichtigen.
Lösung
Die X GmbH & Co. KG ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Der Vorsteuerabzug des Unternehmers setzt danach voraus, dass die Lieferungen oder sonstigen Leistungen „für sein Unternehmen“ ausgeführt worden sind (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Das ist der Fall, wenn der Unternehmer der Leistungsempfänger ist. Leistungsempfänger ist derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis berechtigt und verpflichtet ist.
Selbst wenn ein Unternehmer eine Leistung „für sein Unternehmen“ bezogen hat, besteht das Recht auf Vorsteuerabzug allerdings nur, soweit er in einer Rechnung als Leistungsempfänger bezeichnet ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG i.V.m. §§ 14, 14a UStG). Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss eine Rechnung u.a. die vollständige Anschrift des Leistungsempfängers enthalten.
Offen kann nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts bleiben, ob die X GmbH & Co. KG diejenige gewesen ist, die aus dem Schuldverhältnis mit der Y berechtigt und verpflichtet gewesen ist, oder ob dies die Gesellschafter der X GmbH & Co. KG waren. Selbst wenn das den Rechnungen zugrunde liegende Vertragsverhältnis allein zwischen der Y und der X GmbH & Co. KG bestanden haben sollte, stände der X GmbH & Co. KG der Vorsteuerabzug aus den während der steuerlichen Betriebsprüfung vorgelegten Rechnungen nicht zu. Denn die X GmbH & Co. KG wird in diesen Rechnungen nicht auf die hierfür erforderlich eindeutige Weise als Leistungsempfängerin bezeichnet. Der Name und die Anschrift des Leistungsempfängers müssen eindeutig und leicht nachprüfbar sein.
Dies ist bei den während der Außenprüfung vorgelegten Rechnungen nicht der Fall. Diese weisen zwar im Adressfeld die X GmbH & Co. KG mit ihrer Adresse aus, bezeichnen aber als Gegenstand der Leistung die Beratung der Gesellschafter der X GmbH & Co. KG. Der Leistungsempfänger war für die Finanzverwaltung somit nicht eindeutig und leicht nachprüfbar. Diese mangelnde Eindeutigkeit der Rechnungen wird auch durch die Leistungsnachweise nicht behoben. Denn den Leistungsnachweisen lässt sich nur entnehmen, dass bestimmte Beratungsleistungen wirtschaftlich der X GmbH & Co. KG zuzuordnen waren, nicht jedoch, ob die Leistung seitens der Y der X GmbH & Co. KG und nicht gegenüber deren Gesellschaftern erbracht wurde.
Aus den während des finanzgerichtlichen Verfahrens vorgelegten berichtigten Rechnungen vom 2.5.2016 kann die X GmbH & Co. KG keinen Vorsteuerabzug im Streitjahr geltend machen, da diese dem Finanzamt bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung noch nicht vorlagen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH vom 15.7.2010 (C-368/09 – Pannon Gep) und vom 8.5.2013 (C-271/12 – Petrona Transports SA) kann der Vorsteuerabzug nicht allein aus formellen Gründen versagt werden, wenn vor Erlass der Entscheidung der Finanzbehörde dieser berichtigte Rechnungen zugehen. Ob in der „Entscheidung der Finanzbehörde“ die Einspruchsentscheidung oder der Steuerbescheid zu sehen ist, kann vorliegend offen bleiben. Nach der vorgenannten EuGH-Rechtsprechung ist die Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen jedenfalls ausdrücklich nur dann möglich, wenn diese der Finanzbehörde vor Erlass der Verwaltungsentscheidung zugehen, was hier nicht der Fall war.
Der Entscheidungsfindung der Niedersächsischen Finanzrichter lag offenbar die jüngste Rechtsprechung der höchsten Finanzgerichte nicht zugrunde (seinerzeit noch anhängiges EuGH-Urteil vom 15.9.2016, C-518/15 – Senatex; BFH-Urteile vom 20.10.2016, V R 26/15; V R 64/14; V R 54/14). Danach ist die Korrektur einer Rechnung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Vorsteuerabzugs möglich, wenn die Ursprungsrechnung folgende Mindestangaben enthält: - Angaben zum Rechnungsaussteller,
- Angaben zum Leistungsempfänger,
- Angaben zur Leistungsbeschreibung,
- Angaben zum Entgelt,
- gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.
Die höchsten Finanzgerichte haben auch klargestellt, dass Rechnungsberichtigungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht noch mit Rückwirkung vorgelegt werden können. Entscheidend ist nicht mehr – wie bislang von Finanzverwaltung und Rechtsprechung angenommen –, dass die Korrektur einer Rechnung noch vor dem Erlass eines Änderungsbescheids durchgeführt wird (vgl. ausführlich Becker, BC 2017, 254 ff., Heft 6). Fraglich ist somit im vorliegenden Streitfall letztendlich, ob die ursprünglichen Angaben zum Leistungsempfänger derart unvollständig, offensichtlich unzutreffend oder in so hohem Maße unbestimmt waren, dass von fehlenden Angaben auszugehen wäre. Die Rechnungen der Y weisen allerdings im Adressfeld die X GmbH & Co. KG mit ihrer Adresse als Leistungsempfängerin aus. Die Leistungsempfängerin wird nur nicht in eindeutiger Weise bezeichnet, da als Gegenstand der Leistung die Beratung der Gesellschafter der X GmbH & Co. KG genannt wird. Insofern könnte eine rückwirkende Berichtigung der Ursprungsrechnung gegebenenfalls doch noch möglich sein. Diese Frage dürfte im Revisionsverfahren durch den BFH entschieden werden. |
[Anm. d. Red.]
BC 6/2017
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