CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Umsatzsteuer
   

Zum Rechnungsmerkmal „vollständige Anschrift“ bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 13.6.2018, XI R 20/14

 

Von einem Unternehmer geltend gemachte Vorsteuerbeträge aus Rechnungen sind auch dann abziehbar, wenn es sich unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift des Lieferers lediglich um einen „Briefkastensitz“ handelt. Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht erforderlich ist die Angabe derjenigen Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der dieser seine wirtschaftlichen (geschäftlichen) Aktivitäten entfaltet.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn der leistende Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift erreichbar ist (Änderung der Rechtsprechung).

[Leitsatz d. Red.]


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Kfz-Händler erwarb von D Fahrzeuge. Unter der von D in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift befand sich zwar ihr statuarischer Sitz; es handelte sich hierbei jedoch um einen „Briefkastensitz“, unter der D lediglich postalisch erreichbar war und wo keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben.

Nach Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht hat diese Rechnungsangabe nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

Im Weiteren ging es im Streitfall um die Frage der Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen, da die Belegnachweise nach Auffassung der Finanzverwaltung unzureichend waren. Angegeben wurde lediglich das Zielland („Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht“). Erforderlich im Sinne des § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2005 sei jedoch die Nennung des „Bestimmungsorts“.

 

 

Lösung

Ein Abzug der aus den Rechnungen der D geltend gemachten Vorsteuerbeträge ist zulässig. Die fraglichen Rechnungen enthielten die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wird das Merkmal „vollständige Anschrift“ (gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der Rechnungsstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reichte danach bislang als zutreffende Anschrift nicht aus.

Hieran hält der BFH nach Ergehen des EuGH-Urteils Geissel (EU:C:2017:867, UR 2017, 970) nicht mehr fest. Der Vorsteuerabzug setzt nicht den Besitz einer Rechnung mit der Anschrift des leistenden Unternehmers voraus, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.

Im Streitfall hat die D unter der von ihr angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten – wobei D dort postalisch erreichbar gewesen ist. Unter dieser Anschrift befanden sich u.a. der statuarische Sitz der D und ein Buchhaltungsbüro, das die Post für D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt hat.

Nicht erfüllt hingegen sind im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG, weil nicht feststeht, ob die betreffenden Fahrzeuge im Rahmen einer Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge ist „völlig unklar“. Vor allem wurde der erforderliche Belegnachweis nicht geführt. Hierzu gehört u.a. ein handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere durch einen Lieferschein (im Streitfall galten noch die Nachweispflichten gemäß § 17a Abs. 2 UStDV 2005).

 


Praxishinweis:

Seit 1.1.2014 gelten die neuen Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen. Danach ist als Belegnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen eine Gelangensbestätigung erforderlich (Nachweis für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen). Aufgrund einer fehlenden Unterschrift des Abnehmers bzw. Handelspartners kann deutschen Unternehmern die vorgesehene Umsatzsteuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt werden. Als Alternativnachweise kommen insbesondere infrage: Spediteurbescheinigung, (CMR-)Frachtbrief/Konnossement, Versendungsprotokoll eines Kurierdienstleisters usw.

Die Gelangensbestätigung & Co. wurde ausführlich in der BC-Beitragsserie „Umsetzungsempfehlungen zu den neuen Nachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen” behandelt:

  • Kieker, Abholfälle, BC 2013, 303 ff. (Heft 7),
  • Kieker, Beförderung oder Versendung durch den Lieferer, BC 2013, 354 ff. (Heft 8),
  • Kieker, Erleichterungen bei der Führung des Belegnachweises, BC 2013, 383 ff. (Heft 9),
  • Kieker/Becker, Anwendung der Neuregelungen bei Reihengeschäften, BC 2013, 428 ff. (Heft 10).

 


 

Die bloße Nennung eines Bestimmungslands in den Verbringungserklärungen reicht zur Angabe des Bestimmungsorts (im Sinne von § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2005) nicht aus. Solange die Steuerverwaltung keine Gewissheit darüber hat, ob die Gegenstände tatsächlich den Liefermitgliedstaat verlassen haben, darf dem Lieferer der Anspruch auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung u.a. dann versagt werden, wenn er seinen Nachweispflichten nicht nachgekommen ist. Denn die Angabe des Bestimmungsorts im übrigen Gemeinschaftsgebiet ist u.a. für die Verifikation (Überprüfung) der vom Lieferer (nach § 17c Abs. 1 UStDV 2005) buchmäßig nachzuweisenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers erforderlich.

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 10/2018

becklink410662

Rubriken

Menü

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü