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Umsatzsteuer
   

Ort der sonstigen Leistung – Sitz des leistenden Unternehmers versus Rechnungsanforderungen

BC-Redaktion

BFH-Beschluss vom 7.2.2019, V B 68/18

 

Die Frage nach den Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung mit Blick auf die Angabe der vollständigen Anschrift des Leistenden (§ 15 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG) hat keine Bedeutung für die Frage, von wo aus eine steuerpflichtige Person ihr Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG).


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Gestellt wurde folgende Frage: Ist die neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15.11.2017 (C-374/16 und C-375/16) zu den für einen Vorsteuerabzug erforderlichen Rechnungsangaben entsprechend auf den Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 1 UStG („Sitz des leistenden Unternehmers“) anwendbar?

 

 

Lösung

Die Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung zur Adressangabe des Leistenden haben keinen Einfluss darauf, von wo aus eine steuerpflichtige Person ihr Unternehmen betreibt.

§ 3a Abs. 1 UStG regelt, dass eine sonstige Leistung grundsätzlich an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Sitz des Unternehmens). Unionsrechtliche Grundlage dieser Norm ist – seit dem 1.1.2007 – Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt danach der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat.

Für Zwecke des Vorsteuerabzugs reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift aus (vgl. neuere EuGH-Rechtsprechung und BFH-Folgeurteile vom 21.6.2018, V R 25/15, BStBl. II 2018, 809; V R 28/16, 253, BStBl. II 2018, 806). Im Unterschied hierzu regelt Art. 10 Abs. 3 MwStVO ausdrücklich, dass allein aus dem Vorliegen einer Postanschrift nicht auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens geschlossen werden kann. Diese Regelung trat zwar erst am 1.7.2011 in Kraft, sie stellt aber lediglich klar, was sich schon vor diesem Zeitpunkt aus der Rechtsprechung des EuGH ergab.

Die genannten BFH-Urteile betreffen die formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – und damit sowohl andere Sachverhalte als auch andere Rechtsfragen als der Streitfall.

 

 


Praxishinweise:

 

1. Anschrift als Rechnungsangabe

Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung wurde das Merkmal „vollständige Anschrift“ nur durch die Angabe des Orts erfüllt, an dem der leistende Unternehmer seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Die Angabe eines Orts als „Briefkastensitz“ mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem aber keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus.

Zur Erfüllung der Rechnungsmindestangaben reicht nunmehr die Angabe jeder Art von Anschrift aus, unter der der Unternehmer erreichbar ist. Dies schließt reine Briefkastenfirmen mit ein. Wirtschaftliche Tätigkeiten müssen unter der Anschrift nicht ausgeführt werden; entscheidend ist ausschließlich das Merkmal der postalischen Erreichbarkeit.

Anerkannt werden laut BMF-Schreiben vom 7.12.2018 (III C 2 – S 7280-a/07/10005 :003) auch als Anschriftsangabe:

  • das Postfach,
  • eine Großkundenadresse,
  • eine c/o-Adresse,
  • eine Zweigniederlassung,
  • eine Betriebsstätte oder
  • ein Betriebsteil des Unternehmers.

 

2. Ort der sonstigen Leistung

Die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung bezieht sich demgegenüber nicht unmittelbar auf die Anforderungen an eine Rechnung. Im Vordergrund steht, wo eine erbrachte Leistung (die keine Lieferung ist) steuerbar und steuerpflichtig ist. Der Ort einer sonstigen Leistung ist – von Ausnahmen abgesehen – regelmäßig dort, wo der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG). Die Leistungen werden also grundsätzlich dort besteuert, „wo es losgeht”. Die Bestimmung des Leistungsorts von sonstigen Leistungen ist jedoch weitaus komplizierter geregelt als die Ortsbestimmung bei Lieferungen.

Denn die Bestimmung des Orts der Erbringung einer Leistung erfolgt nach einer Vielzahl von Kriterien. Sofern keine Sonderregelungen anzuwenden sind, ist der Ort der Erbringung einer sonstigen Leistung

– dort, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, wenn der Empfänger der Leistung nicht als Unternehmer handelt (Business to Customer – B2C, vgl. § 3a Abs. 1 UStG), oder

– am Ort des Leistungsempfängers, wenn die Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (Business to Business – B2B, vgl. § 3a Abs. 2 UStG).

Bei den umfangreichen Sonderregelungen, welche die Grundregeln außer Kraft setzen, sind drei Gruppen zu unterscheiden:

  • solche, die den Ort der Leistung ohne Bezug zum Leistungsempfänger festlegen,
  • solche, die abweichende Festlegungen mit Bezug zum Leistungsempfänger festlegen, und
  • solche mit Bezug zum Drittlandsgebiet.

So liegt beispielsweise bei Grundstücken der Ort der sonstigen Leistung dort, wo das Grundstück belegen ist (vgl. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Die Ortsbestimmung hat also keinen Bezug zum Leistungsempfänger. Zu den sonstigen Leistungen zählen hierbei z.B. die Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen und anderer Verträge durch Notare.

In diesem Zusammenhang beispielsweise den Briefkastensitz ins Spiel zu bringen, wäre abwegig.

 


[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 5/2019

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