BFH-Urteil vom 15.10.2019, V R 29/19 (V R 44/16)
1. Die Bezeichnung der erbrachten Leistungen als „Trockenbauarbeiten“ kann den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung genügen, wenn sie sich auf ein konkret bezeichnetes Bauvorhaben an einem bestimmten Ort bezieht.
2. Die Angabe des Leistungszeitpunkts kann sich aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Werklieferung oder Werkleistung in dem Monat der Rechnungsausstellung erbracht („bewirkt“) wurde.
Praxis-Info!
Problemstellung
In zwei Rechnungen des Bauunternehmens HT über Trockenbauarbeiten fehlten sowohl Angaben zu den Aufmaßen als auch zur Leistungsbeschreibung und zum Leistungszeitpunkt. Das Finanzamt versagte dem Leistungsempfänger (einer GmbH) den Vorsteuerabzug, zumal ein Bauvertrag nicht vorgelegt werden konnte. Die GmbH berief sich allerdings darauf, dass die Rechnungsdaten mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der ausgewiesenen Dienstleistungen übereinstimmen. Außerdem seien in den Rechnungen der HT ein individualisiertes Bauvorhaben und ein konkretes Gewerk bezeichnet.
Darüber hinaus ist eine Rechnung der Firma KB über Gerüstbauleistungen nach Auffassung des Finanzamts nicht vorsteuerabzugsberechtigt. KB (als Scheinunternehmen) habe bezüglich der Leistungserbringung mit dem Subunternehmen B kooperiert. B war rechtskräftig wegen Steuerhinterziehungen verurteilt. Die GmbH konnte über die Barzahlungen für die empfangenen Gerüstbauleistungen keine Originalquittung vorlegen. Auch fehlten detaillierte Angaben zum Ort des Bauvorhabens sowie genaue Bezeichnungen der einzelnen Arbeiten nebst Angaben zum Abrechnungszeitraum. Allerdings ist die GmbH u.a. im Besitz einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts gewesen. Insofern berief sich die GmbH auf den Vertrauensschutz.
Lösung
Der BFH kommt zu folgendem zweigliedrigen Urteil:
- Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der HT ist berechtigt.
- Demgegenüber ist die Versagung des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung der KB zutreffend.
Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung sollte u.a. folgende Angaben enthalten:
- den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG),
- den Umfang und die Art der sonstigen Leistung (§ 14 Abs. 4 S.1 Nr. 5 UStG) sowie
- den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung, sofern dieser Zeitpunkt feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG).
1. Rechnungen des Bauunternehmens HT über Trockenbauarbeiten
Die Rechnungsangaben müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen müssen nicht erschöpfend beschrieben werden.
Dies ist im vorliegenden Streitfall erfüllt worden. Denn in den Rechnungen von HT sind ein individualisiertes Bauvorhaben sowie ein konkretes Gewerk aufgeführt worden. Darüber hinaus wurden konkrete Angaben zum Ort der Leistungserbringung gemacht.
- Nicht den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung genügen indes allgemeine Bezeichnungen wie „Trockenbauarbeiten“, „Fliesenarbeiten“ und „Außenputzarbeiten“. Durch derartige Bezeichnungen wird eine mehrfache Abrechnung der damit verbundenen Leistungen (in einer anderen Rechnung) nicht ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschluss vom 5.2.2010, XI B 31/09, BFH/NV 2010, 962).
- Die vom Unternehmer verwendeten Bezeichnungen der Menge und der Art der gelieferten Gegenstände entsprechen dann den Anforderungen an die Rechnungsangaben, wenn sie „handelsüblich“ sind (vgl. BFH-Urteil vom 10.7.2019, XI R 28/18). Das kann auch bei der Angabe einer Gattung, wie z.B. „T-Shirt“, „Bluse“, „Tops“, „Kleid“, „Hosen“, zutreffen. Was handelsüblich ist, hängt von der Handelsstufe, der Art und dem Inhalt des Geschäfts sowie vom Wert der einzelnen Waren ab.
|
Kann nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls davon ausgegangen werden, dass die Leistung in dem Monat bewirkt wurde, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist, gilt Folgendes: In diesem Fall kann sich aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung auch die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt der Rechnung ergeben (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG).
Im Streitfall wurden die erbrachten Trockenbau- und Gerüstbauarbeiten (Werklieferungen oder -leistungen) im Zeitpunkt der Abnahme erbracht („bewirkt“). Die hierfür geschuldete Vergütung wird im Zeitpunkt der Abnahme fällig (§ 641 BGB), und die Rechnungserteilung ist im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abnahme als branchenüblich zu sehen. Es bestand daher kein Zweifel daran, dass die Rechnungsdaten (Ausstellungsdatum) mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der ausgewiesenen Dienstleistungen übereinstimmen. Vor diesem Hintergrund steht die fehlende Angabe des genauen Leistungszeitpunkts dem Vorsteuerabzug nicht entgegen.
- Taggenaue Feststellungen zum Leistungszeitpunkt müssen nicht getroffen werden, wenn – wie im Streitfall – nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistungserbringung im Abrechnungsmonat erfolgte.
- Gemäß § 31 Abs. 4 UStDV (vgl. auch UStAE 14.5 Abs. 16 S. 3) wird in Bezug auf den Leistungszeitpunkt verlangt, zumindest den Hinweis „Leistungsdatum entspricht Rechnungsdatum“ anzubringen. Dies steht nicht im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung.
|
2. Rechnung der Firma KB über Gerüstbauleistungen
Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer sind in diesem Fall nicht identisch. In der Rechnung der KB fehlt die Angabe des leistenden Unternehmers. Leistender kann auch ein „Strohmann“ sein. Aus einer Rechnung muss sich der (wirklich) leistende Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar bestimmen lassen.
Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes spielt vor diesem Hintergrund keine Rolle mehr.
[Anm. d. Red.]
BC 2/2020
becklink424260