BFH-Urteil vom 12.3.2020, V R 48/17
Ein Abrechnungsdokument ist keine Rechnung und kann deshalb auch nicht mit der Folge einer Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt werden, wenn es wegen ganz allgemein gehaltener Angaben (hier: „Produktverkäufe“) nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen.
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Problemstellung
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus einer Credit Note (Gutschrift, d.h. in diesem Fall: Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger) in Höhe von 33,44 €.
Eine Aktiengesellschaft (AG) betreibt einen Onlineshop für verschiedene Softwarehersteller. Der Kunde schließt über den Onlineshop einen Kaufvertrag unmittelbar mit der AG ab, die wiederum die Software bei dem Softwarehersteller einkauft. Im November 2005 erwarb die AG von der X-GmbH (Verlag) Standardsoftware und rechnete darüber mit der Credit Note vom 7.12.2005 ab. Darin fehlten Angaben zur Steuernummer und zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Verlags. Der Gegenstand der Abrechnung war mit „Transfer Sum November 2005“ beschrieben. Zusammen mit der Credit Note übermittelte die AG einen „Accounting Report“, in dem unter „Sales Products“ (Produktverkäufe) die Nettoumsätze aus den verkauften Software-Produkten in einer Summe zusammengefasst dargestellt waren; darauf wurde der Steuersatz „16%“ angewendet und als Ergebnis der „Rechnungsbetrag brutto“ angegeben. Die AG übermittelte die Credit Note und den Accounting Report an den Verlag per E-Mail ohne elektronische Signatur.
Der Vorsteuerabzug der AG aus der Credit Note belief sich auf 33,44 €.
Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug. Die Leistungsbeschreibung der ursprünglichen Credit Note reiche nicht aus, um die Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung zu erfüllen. Außerdem sei die qualifizierte elektronische Signatur eine unabweisliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.
Lösung
Die Credit Note vom 7.12.2005 berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug. Es fehlte dort die nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG geforderte Angabe zur Steuernummer oder USt-IdNr. des leistenden Unternehmers. Die Leistungsbeschreibung„Transfer Sum November 2005“ – auch unter Berücksichtigung der Angabe „Sales Products“ (Produktverkäufe) im beigefügten Accounting Report – genügt nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG, weil sich daraus weder die Art noch die Menge der verkauften Produkte ergibt.
Überdies stellt das Dokument vom 7.12.2005 keine nach § 31 Abs. 5 S. 1 UStDV berichtigungsfähige Rechnung in Form einer Gutschrift dar.
Ein Dokument ist eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es folgende Mindestangaben enthält: - Rechnungsaussteller,
- Leistungsempfänger,
- Leistungsbeschreibung,
- Entgelt und
- gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.
Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat hinsichtlich der Leistungsbeschreibung nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG folgende Angaben zu enthalten: - die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder
- den Umfang und die Art der sonstigen Leistung.
Eine berichtigungsfähige Rechnung muss Angaben tatsächlicher Art enthalten, die es erlauben, die abgerechnete Leistung zu identifizieren. Das erfordert zwar keine erschöpfende Beschreibung der konkret erbrachten Leistung; die Rechnung muss es aber ermöglichen, die Leistung, über die abgerechnet worden ist, eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen. |
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer berichtigungsfähigen Rechnung. Denn die Angaben in der Credit Note vom 7.12.2005 sind – auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände – unbestimmt und ermöglichen nicht, die abgerechnete Leistung zu erkennen. Es fehlen Angaben zur Menge bzw. zum Umfang der vom Verlag gegenüber der AG getätigten Umsätze.
Die Wortfolge „Transfer Sum November 2005“ ist derart unbestimmt, dass sie einer fehlenden Angabe gleichsteht. Sie hält lediglich fest, dass es sich bei dem in der Credit Note aufgeführten Betrag um die Überweisungssumme für den Monat November 2005 handelt. Ihr lässt sich nicht entnehmen, ob überhaupt über einen steuerbaren Umsatz abgerechnet werden soll. Erst recht enthält sie keinerlei aussagekräftige Angaben zu der Art des (etwaigen) Umsatzes.
Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich aus der Angabe „Sales Products“ in dem der Credit Note beigefügten „Accounting Report“: Die Angabe „Sales Products“ nimmt Bezug auf Produktverkäufe, lässt jedoch die Art der verkauften Produkte gänzlich offen. Auch aus den weiteren Positionen des Accounting Reports (Sales Download Service, Sales Backup CD, Sales Coupons und Sales Shipping) lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte für die Bestimmung der abgerechneten Umsätze erkennen.
Im Weiteren ist die Firmenbezeichnung des Leistenden – hier also des Verlags – nicht stichhaltig genug, die Art der abgerechneten Umsätze zu erschließen. Denn die Angebotspalette eines Verlags kann klassische Printangebote (z.B. Bücher und Zeitschriften), Kalender und Gesellschaftsspiele ebenso umfassen wie etwa digitale Medienangebote (z.B. Lernsoftware, eBooks, Hörspiele) oder Werbe- und Marketingleistungen.
- Rechnet der Leistungsempfänger über den Umsatz ab, so muss diese Rechnung die Angabe „Gutschrift“ als Pflichtangabe enthalten. Neben der Angabe „Gutschrift“ kommen auch die jeweiligen Begriffe der anderen EU-Amtssprachen in Betracht (z.B. Self-billing, Autofacturation). Im Anhang des BMF-Schreibens vom 25.10.2013 (IV D 2 – S 7280/12/10002, S. 7 ff.) ist eine Übersetzungstabelle für alle EU-Amtssprachen enthalten.
- Obwohl die Verwendung anderer Begriffe statt Gutschrift (z.B. Eigenfaktura) nicht den Anforderungen entspricht, ist ein Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht allein aufgrund begrifflicher Unschärfen zu versagen. Entscheidend ist, dass die gewählte Bezeichnung hinreichend eindeutig ist und keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Gutschrift bestehen.
- Die im Geschäftsverkehr häufig verwendete Bezeichnung einer Gutschrift als Stornierung oder Korrektur der ursprünglichen Rechnung (sog. kaufmännische Gutschrift) ist keine Gutschrift im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Wird in einem solchen Dokument der Begriff „Gutschrift“ verwendet, obwohl keine Gutschrift im umsatzsteuerrechtlichen Sinne (nach § 14 Abs. 2 S. 2 UStG) vorliegt, ist dies weiterhin umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich. Die Bezeichnung als „Gutschrift“ führt allein nicht zur Anwendung des § 14c UStG (hier: Steuerschuld des Leistungsempfängers wegen eines unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises). Siehe hierzu ausführlich Bathe, BC 2013, 434 ff., Heft 10.
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Beispiele: - Ein Leistungsempfänger rechnet aufgrund der getroffenen Vereinbarung über die erhaltenen Leistungen ab. Seine Abrechnung erfolgt unter der Überschrift „Debitorenfaktura“. Diese Abrechnung entspricht nicht den neuen Vorgaben. Gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 UStG hat zwingend die Angabe „Gutschrift“ zu erfolgen. Zwar darf der Vorsteuerabzug nicht allein aufgrund sprachlicher Unschärfen versagt werden. Allerdings muss der verwendete Begriff „hinreichend eindeutig“ sein. Im Einzelfall werden hierüber wohl die Finanzgerichte entscheiden müssen.
- Ein Unternehmer erteilt für eine Leistung eine Rechnung. Der Kunde widerspricht dem abgerechneten Leistungsumfang, worauf der Unternehmer eine „Gutschrift“ über Teile der Rechnung ausstellt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Gutschrift im Sinne des UStG, sondern um eine sog. kaufmännische Gutschrift. Eine umsatzsteuerliche Gutschrift liegt nur dann vor, wenn der Leistungsempfänger über eine erhaltene Leistung abrechnet.
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[Anm. d. Red.]
BC 9/2020
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