Dr. Daniel Kaiser
BFH-Urteil vom 11.4.2013, V R 29/10
Eine GmbH kann auch bei einem unternehmerisch veranlassten strafrechtlichen Vorwurf gegen ihren Geschäftsführer keinen Vorsteuerabzug hinsichtlich dessen Strafverteidigungskosten vornehmen. Gleiches gilt für den Einzelunternehmer.
Unschädlich für den Vorsteuerabzug ist es nur, wenn sich das Verfahren gleichzeitig auch gegen das Unternehmen richtet.
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1. Sachverhalt
Herr B war Einzelunternehmer und zugleich Mehrheitsgesellschafter und umsatzsteuerrechtlicher Organträger der A-GmbH, die umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen ausführte. Zudem war er Geschäftsführer der A-GmbH. Gegen B war ein Strafverfahren wegen des Verdachts anhängig, er habe bei der Ausschreibung eines Bauprojekts Geldzuwendungen zur Erlangung vertraulicher Informationen getätigt.
Das Strafverfahren wurde im weiteren Verlauf nach § 153a StPO gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Auftraggeber der bei Mandatserteilung mit dem Strafverteidiger getroffenen Honorarvereinbarungen waren B und die A-GmbH. Der Rechtsanwalt adressierte seine Rechnungen an die A-GmbH, aus welchen B – als Organträger der A-GmbH – den Vorsteuerabzug begehrte.
2. Vorlage des BFH / EuGH: Rs. Becker
Der BFH legte dem EuGH mit Datum vom 22.12.2011 (V R 29/10) u.a. die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Ist für das Vorsteuerabzugsrecht der A-GmbH primär auf den objektiven Zweck der Anwaltsdienstleistungen – hier Schutz der privaten Interessen des B – abzustellen oder reicht ein bloßer Kausalzusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit der A-GmbH und dem Entstehen der Strafverteidigungskosten aus? Der EuGH lässt einen bloßen Kausalzusammenhang nicht ausreichen und verlangt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit der A-GmbH und den Strafverteidigungskosten (EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-104/12, Rs. Becker).
Diese Voraussetzungen lägen im Ausgangsverfahren nicht vor. Die Strafverteidigung habe vielmehr unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen des B gedient; die Ermittlungsmaßnahmen hätten sich wegen eines persönlichen Fehlverhaltens lediglich gegen seine Person und nicht gegen das Unternehmen gerichtet.
3. Das Urteil des BFH
Der BFH folgt dem EuGH und verwehrt der A-GmbH den Vorsteuerabzug mit dem Argument, die Leistungen des Strafverteidigers hätten nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der GmbH gestanden. Auch seien die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen B persönlich und nicht gegen die GmbH gerichtet gewesen. Ausdrücklich stellt der BFH klar, dass die Grundsätze seiner Rechtsprechung neben dem Geschäftsführer einer GmbH auch auf einen Einzelunternehmer Anwendung finden.
Das Urteil des BFH bezieht sich ausdrücklich nur: - auf die Versagung des Vorsteuerabzugs auf Ebene einer GmbH, sofern diese den Vorsteuerabzug aus unternehmerisch veranlassten Strafverteidigungskosten ihres Geschäftsführers geltend macht, sowie
- auf die Versagung des Vorsteuerabzugs für einen Einzelunternehmer, sofern dieser den Vorsteuerabzug aus unternehmerisch veranlassten Strafverteidigungskosten begehrt.
Die durch den BFH herangezogenen Gründe lassen sich jedoch ebenso auf unternehmensbezogene Straftaten von – nicht als Geschäftsführer tätigen – Arbeitnehmern übertragen. Unschädlich ist es für den Vorsteuerabzug, wenn sich Verfahren zugleich gegen das Unternehmen richten (z.B. dingliche Arrestbeschlüsse oder Verfahren nach § 30 OWiG – Ordnungswidrigkeitengesetz). Hier steht der Vorsteuerabzug dem Unternehmen wegen des rechtlichen Zusammenhangs zwischen Strafverteidigungskosten und Unternehmen auch weiterhin zu. |
4. Zusätzliche Honorarvereinbarung mit dem Unternehmen erforderlich?
Sofern ein Verfahren wegen eines unternehmensbezogenen Vorwurfs parallel gegen eine natürliche Person und ein Unternehmen geführt wird, sollte neben der beschuldigten Einzelperson auch mit dem Unternehmen eine Honorarvereinbarung abgeschlossen werden. Richtet sich ein Verfahren dagegen lediglich gegen eine natürliche Person, besteht nach dem BFH-Urteil – rein umsatzsteuerrechtlich betrachtet – keine Notwendigkeit mehr, neben der beschuldigten Einzelperson auch mit dem Unternehmen eine Honorarvereinbarung abzuschließen. Jedoch kann der Vertragsabschluss mit dem Unternehmen auch hier die Geltendmachung von Strafverteidigungskosten auf Unternehmensebene als Betriebsausgaben erleichtern (vgl. hierzu H 12.3 EStH „Kosten des Strafverfahrens/der Strafverteidigung“). Ebenso spricht die Sicherung des Honoraranspruchs für den zusätzlichen Vertragsabschluss mit dem Unternehmen.
Dr. Daniel Kaiser, Rechtsanwalt, Partner der auf Umsatzsteuerrecht spezialisierten Kanzlei küffner maunz langer zugmaier, München (E-Mail: daniel.kaiser@kmlz.de; Internet: www.kmlz.de)
BC 9/2013
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