BFH-Urteil vom 24.7.2013, XI R 14/11
Auch konkludentes (schlüssiges) Handeln in Form der Abgabe einer Steuererklärung kann eine Optionserklärung darstellen, wie der BFH in seinem am 4.12.2013 veröffentlichten Urteil aufzeigt.
Praxis-Info!
Problemstellung
Ein Unternehmer machte von der Kleinunternehmerregelung (gemäß § 19 Abs. 1 UStG) Gebrauch. Im Jahr 2005 erwirtschaftete er steuerpflichtige Umsätze in Höhe von rund 16.000 €. Irrtümlich ging er davon aus, dass bei der Berechnung des Gesamtumsatzes die Umsatzsteuer (damals 16%) hinzuzurechnen sei und er somit die Kleinunternehmergrenze von 17.500 € überschritten habe. Daraufhin reichte er für den Veranlagungszeitraum 2006 eine Umsatzsteuererklärung (Vordruck USt 2 A) mit Anlage UR ein.
Nachdem der Umsatzsteuer-Jahresbescheid Bestandskraft erlangt hatte, beantragte der Unternehmer für 2006 die (Nicht-)Besteuerung als Kleinunternehmer, was jedoch vom Finanzamt abgelehnt wurde. Auch für das Streitjahr 2007 reichte der Unternehmer eine Umsatzsteuererklärung nebst Anlage UR ein. Er beantragte, die Umsatzsteuer für 2007 auf 0 € festzulegen. Dies lehnte das Finanzamt gleichermaßen ab.
Die hiergegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht war erfolgreich. Das Finanzamt legte daraufhin Revision beim BFH ein.
Lösung
Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts verworfen. In seiner Urteilsbegründung stellt er Grundsätze auf, die bei der Prüfung des Sachverhalts beachtet werden müssen. Der Fall wird zur Prüfung dieser Grundsätze an das Finanzgericht zurückgewiesen.
Der Unternehmer kann (gemäß § 19 Abs. 2 UStG) dem Finanzamt gegenüber erklären, dass er auf eine Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet (Option zur Regelbesteuerung). Die Option zur Regelbesteuerung kann auch durch konkludentes Handeln (schlüssiges Verhalten) erklärt werden. Die Abgabe eines für die Regelbesteuerung vorgesehenen Steuererklärungsvordrucks, in welchem die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften berechnet und der Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, stellt ein solches konkludentes Handeln dar. Bei der Würdigung des Einzelfalls kommt es darauf an, ob das Finanzamt den Inhalt der Steuererklärung zweifelsfrei als gleichzeitige Erklärung zur Ausübung des steuerlichen Gestaltungsrechts auffassen kann. Bestehen hieran Zweifel, muss das Finanzamt beim Steuerpflichtigen erfragen, welche Besteuerungsform er für seine Umsätze wählen will. In Zweifelsfällen darf nicht automatisch von einer Optionserklärung zur Regelbesteuerung ausgegangen werden.
Das Finanzgericht wird nun prüfen müssen, ob die Einreichung der Umsatzsteuererklärungen vom Finanzamt zweifelsfrei als Antrag auf Regelbesteuerung durch konkludentes Handeln gewertet werden konnte.
Hintergrund:
Gemäß § 19 Abs. 1 UStG wird für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Lieferungen und sonstige Leistungen im Inland …) die geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn
– der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG abzüglich der darin enthaltenen Umsätze für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
– im Vorjahr 17.500 € nicht überschritten hat und
– im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Nullbesteuerungsumsatz-Grenzen |
---|
Maximal 17.500 € im Vorjahr | Maximal voraussichtlich 50.000 € im laufenden Jahr |
Praxishinweis: Zu beachten ist u.a. der folgende Leitsatz des BFH zu seinem Urteil: „Berechnet ein Kleinunternehmer in einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ist darin grundsätzlich ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) zu sehen.” Auf Basis dieses Leitsatzes lässt es sich für Steuerpflichtige schwer begründen, weshalb das Finanzamt nach der Einreichung der Steuererklärung Zweifel an der Option zur Regelbesteuerung hätte hegen müssen. Hier ist erhöhte Vorsicht beim Ausfüllen der Umsatzsteuererklärung geboten. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 1/2014
becklink353133