BFH-Urteil vom 12.10.2016, XI R 43/14
Weist der leistende Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer offen aus, obwohl der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, schuldet der leistende Unternehmer diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG.
Eine in einer Abtretungsanzeige an das Finanzamt enthaltene Abtretungserklärung des leistenden Unternehmers ist unter folgenden Voraussetzungen als Berichtigung des Steuerbetrags im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG anzusehen: Die dem Leistungsempfänger zugegangene Abtretungserklärung ist spezifisch und eindeutig auf eine (oder mehrere) ursprüngliche Rechnung(en) bezogen, und aus ihr geht klar hervor, dass der leistende Unternehmer über seine Leistungen – statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags – nunmehr nur noch ohne Umsatzsteuer abrechnen will.
Einer Rechnungsberichtigung im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG kommt keine Rückwirkung zu.
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Problemstellung
Eine Unternehmerin mit Sitz im Vereinigten Königreich (U-UK) vermietete in den Jahren 2007 bis 2009 im Inland im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen Standflächen u.a. an die im Inland ansässige Firma X-D. U-UK wies in ihren sechs Rechnungen gegenüber X-D deutsche Umsatzsteuer offen aus.
Nach Feststellungen des Finanzamts schulden die im Inland ansässigen Leistungsempfänger, u.a. X-D, die Steuer (nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG 2009, neu: § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG) – und nicht U-UK. Grund: Der Ausnahmefall des § 13b Abs. 3 Nr. 5 UStG 2009 (neu: § 13b Abs. 6 Nr. 5 UStG) für inländische Leistungsempfänger greife nicht. U-UK schulde trotzdem weiterhin die zu Unrecht offen ausgewiesene Umsatzsteuer (nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG).
Laut Angaben von U-UK wurden am 31.1.2012 Rechnungsberichtigungen durchgeführt und übersandt. Nach einer stichprobenartigen Überprüfung stellte das Finanzamt jedoch fest: Für 21 Leistungsempfänger, u.a. für X-D, konnten weder ein Zugang der Rechnungsberichtigungen bei den Leistungsempfängern noch eine Rückzahlung der zu Unrecht ausgewiesenen Steuer nachgewiesen werden. Das Finanzamt erkannte daher die angeblichen Rechnungsberichtigungen nicht an.
Im Nachgang konnte U-UK zumindest die Rückzahlung der Umsatzsteuer (u.a. an X-D) im Jahr 2012 nachweisen (durch Abtretungsanzeige mit der Bezeichnung „Forderung X-D Vorsteuerrückzahlung“ vom 28.11.2012; Eingang beim Finanzamt am 3.12.2012). Es erfolgte sodann eine Verrechnung des Guthabens mit den Steuerschulden der X-D.
Nach Auffassung des Finanzamts erfolgte jedoch mit der Abtretungserklärung keine ordnungsgemäße Rechnungsberichtigung. Eine Rückzahlung der Umsatzsteuer (im Sinne des § 14c UStG) könne (wegen § 46 Abs. 2 AO) nicht durch Abtretung, sondern nur in bar oder durch Überweisung erfolgen. Eine wirksame Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Finanzamt setze (gemäß § 14c Abs. 1 UStG) nicht nur die Berichtigung der Rechnung, sondern auch die Rückzahlung der Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger voraus.
Abb.: Ort der erbrachten sonstigen Leistung eines britischen Unternehmers an einen Unternehmer in Deutschland
Lösung
U-UK hat die ursprünglichen sechs Rechnungen im Streitjahr gegenüber X-D berichtigt.
Weist der leistende Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer offen aus, obwohl (nach § 13b Abs. 5 UStG) der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist – worauf der Leistende gemäß § 14a Abs. 5 UStG in der Rechnung hinzuweisen hat –, schuldet der leistende Unternehmer diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG.
Berichtigt (in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG) der Rechnungsaussteller den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist die Berichtigung für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG).
- Zur Rechnungsberichtigung müssen die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden; es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 UStG (§ 31 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UStDV).
- Die Berichtigung des Steuerbetrags muss durch den Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Es muss keine zivilrechtlich richtige Rechnung erteilt, sondern nur der Steuerbetrag berichtigt werden (nicht alle Angaben des § 14 Abs. 4 UStG erforderlich!). Beispiele: „Der ursprüngliche Steuerausweis ist nicht mehr wirksam; es erfolgt eine Rückzahlung per Überweisung“ oder „Korrekturmitteilung“ durch Angaben auf einem Überweisungsträger.
- Sollen die Steuerbeträge mehrerer Rechnungen berichtigt werden, so können die Berichtigungen in einer Korrekturmitteilung zusammengefasst werden, sofern sich aus dieser ergibt, welche Steuerbeträge welcher Rechnungen gemeint sind.
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Im vorliegenden Streitfall ist der Steuerbetrag von U-UK spätestens mit der dem Finanzamt am 3.12.2012 zugegangenen Abtretungsanzeige vom 28.11.2012 berichtigt worden. Dass diese von U-UK stammt und X-D zugegangen ist, ergibt sich daraus, dass sie vom Geschäftsführer der U-UK und X-D unterschrieben ist.
Aus der Abtretungsanzeige vom 28.11.2012 ergab sich auch „spezifisch und eindeutig“ (im Sinne von § 31 Abs. 5 Satz 2 UStDV), dass U-UK bereit war, X-D die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Wege der Abtretung eines Anspruchs der U-UK gegen das Finanzamt zurückzuerstatten. Aus dem übereinstimmenden Betrag ergab sich aus Sicht der X-D, welcher Steuerbetrag aus welchen sechs Rechnungen der U-UK gemeint ist. Denn mit der Abtretung konnte die X-D ihre Zahlungspflicht aus der Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs aus den sechs Rechnungen der U-UK (mit dem nämlichen Betrag) gegenüber dem zuständigen FA erfüllen.
Die Rechnungsberichtigung wirkt erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung (hier: 2012) – ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung (hier: 2009) (vgl. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG). Auch die Rückzahlung der Umsatzsteuer an X-D (im Wege der Abtretung und Verrechnung) erfolgte im Streitjahr 2012.
Berichtigt der Unternehmer eine Rechnung (Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV) für eine von ihm erbrachte Leistung, wirkt dies auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurück, so das BFH-Urteil vom 20.10.2016 (V R 26/15). Einer solchen Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug kommt unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkung zu. Dies lässt sich jedoch nicht auf eine Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG) übertragen, so der BFH. |
[Anm. d. Red.]
BC 3/2017
becklink385600