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Umsatzsteuer
   

Rechnungsberichtigung bei fehlender elektronischer Signatur einer Gutschrift

Christian Thurow

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.5.2017, 1 K 605/17 (Revision zugelassen)

 

Kann eine Rechnung ohne qualifizierte elektronische Signatur berichtigt werden? Oder ist sie aufgrund der fehlenden Signatur keine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinne, so dass eine spätere Korrektur ausgeschlossen ist? Mit diesen Fragen hat sich das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg auseinandergesetzt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin betreibt als Aktiengesellschaft (AG) einen Onlineshop für verschiedene Softwarehersteller. Kunden der AG schließen mit ihr einen Kaufvertrag ab, während die AG die Software dann beim Hersteller unter Abzug einer Marge erwirbt.

Im November 2005 erwarb die Klägerin eine Standardsoftware zur Weiterveräußerung und rechnete gegenüber dem Hersteller mit einer Gutschrift ab. In der Gutschrift fehlten Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Herstellers; außerdem war die Leistungsbeschreibung nicht hinreichend genau. Der Versand der Gutschrift erfolgte per E-Mail ohne elektronische Signatur. Nachdem die Mängel der Rechnungs- bzw. Gutschriftangaben im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung entdeckt wurden, übermittelte die Klägerin dem Hersteller im Jahr 2011 eine korrigierte Gutschrift in Papierform.

Das Finanzamt erkannte die korrigierte Gutschrift nicht an, da aus seiner Sicht eine Rechnung ohne qualifizierte elektronische Signatur überhaupt keine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sei. Somit sei auch eine rückwirkende Berichtigung ausgeschlossen.

 

 

Lösung

Das FG Baden-Württemberg widerspricht in seinem Urteil der Auffassung des Finanzamts. Zunächst rekapituliert das Gericht den nationalen und den EU-Rechtsrahmen. Gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn sie nicht die nach § 14 Abs. 4 UStG oder § 14a UStG geforderten Angaben enthält. Europarechtlich wird zwischen materiellen und formellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug unterschieden:

  • Eine ordnungsgemäße Rechnung stellt eine formelle Voraussetzung dar. Hieraus folgt: Rechnungen können mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung berichtigt werden.
  • Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität gebietet es, dass bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen (u.a. erbrachte Lieferung oder Leistung, Besitz einer (wenn auch unvollständigen oder unrichtigen) Rechnung bzw. Gutschrift) der Vorsteuerabzug auch dann gewährt wird, wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat.

Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin eine Korrektur der Gutschrift vornehmen. Der BFH hatte bereits in anderen Urteilen entschieden, dass bei fehlender Steuernummer eine rückwirkende Korrektur vorgenommen werden kann. Unrichtige bzw. ungenaue Leistungsbeschreibungen können ebenfalls mit Rückwirkung berichtigt bzw. ergänzt werden. Dem steht auch das Fehlen der elektronischen Signatur nicht entgegen. Unstrittig waren im Ausgangsfall die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt. Die Rechnung selber stellt – wie oben dargelegt – lediglich eine formelle Voraussetzung dar. Die elektronische Signatur stellte im Streitjahr eine formelle Voraussetzung für die elektronische Übermittlung einer Rechnung dar. Somit ist im Ausgangsfall quasi die formelle Voraussetzung einer formellen Voraussetzung nicht erfüllt. In diesem Fall gebietet wiederum das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität die Zulassung des Vorsteuerabzugs.

Da für eine korrigierte Rechnung dieselben Regeln wie für die ursprüngliche Rechnung gelten, kann der Steuerpflichtige hier zwischen Papier- und elektronischer Form wählen. Die korrigierte Rechnung muss nicht im Format der ersten Rechnung übermittelt werden, weshalb im Ausgangsfall die Übermittlung der korrigierten Rechnung in Papierform nicht zu beanstanden ist.

 

Praxishinweise:

Das FG Baden-Württemberg nimmt Bezug auf die jüngste Rechtsprechung der höchsten Finanzgerichte (EuGH-Urteil vom 15.9.2016, C-518/15 – Senatex; BFH-Urteile vom 20.10.2016, V R 26/15; V R 64/14; V R 54/14). Danach ist die Korrektur einer Rechnung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Vorsteuerabzugs möglich, wenn die Ursprungsrechnung folgende Mindestangaben enthält:

  • Angaben zum Rechnungsaussteller,
  • Angaben zum Leistungsempfänger,
  • Angaben zur Leistungsbeschreibung,
  • Angaben zum Entgelt,
  • gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.

Die höchsten Finanzgerichte haben auch klargestellt, dass Rechnungsberichtigungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht noch mit Rückwirkung vorgelegt werden können. Entscheidend ist nicht mehr – wie bislang von Finanzverwaltung und Rechtsprechung angenommen –, dass die Korrektur einer Rechnung noch vor dem Erlass eines Änderungsbescheids durchgeführt wird (vgl. ausführlich Becker, BC 2017, 254 ff., Heft 6).

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 2/2018 

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