FG München, Urteil vom 13.9.2018, 3 K 949/16 (Revision zugelassen)
Ein Organschaftsverhältnis setzt eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung zwischen Ober- und Untergesellschaften voraus. Doch wann genau ist von einer wirtschaftlichen Eingliederung auszugehen? Mit dieser Frage hat sich das Finanzgericht (FG) München in einem aktuellen Urteil befasst.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die M-GmbH hielt zunächst 80% der Anteile an der Klägerin. Der Anteilsbesitz wurde später auf 100% aufgestockt. Einer der Geschäftsführer der M-GmbH war gleichzeitig einer von zwei einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Klägerin. Die M-GmbH gewährte der Klägerin eine Reihe von Darlehen und übernahm eine Bürgschaft für ein Bankdarlehen der Klägerin.
Im Jahr 2016 veräußerte die Klägerin ihr Anlagevermögen an zwei Gesellschaften, welche es an die M-GmbH weiterveräußerten. Die M-GmbH wiederum veräußerte das Anlagevermögen an eine Leasinggesellschaft, welche es an die Klägerin verleaste. Dem Grunde nach lag somit ein Sale-and-Lease-back-Geschäft vor. Zwischen der M-GmbH und der Klägerin bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
Aus Sicht der Klägerin lag zwischen ihr und der M-GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft vor. Nach Auffassung des Finanzamts fehlte es dagegen an einer wirtschaftlichen Eingliederung, so dass zwischen den Gesellschaften keine Organschaft zustande gekommen sei.
Lösung
Das FG München stimmt der Auffassung des Finanzamts zu. Unstreitig liegt aufgrund der teilweisen Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen eine organisatorische Eingliederung vor. Auch eine finanzielle Eingliederung ist aufgrund der 80%igen bzw. 100%igen Beteiligung der M-GmbH an der Klägerin gegeben.
Jedoch fehlt es auch aus Sicht des FG München an einer wirtschaftlichen Eingliederung. Eine wirtschaftliche Eingliederung ist gegeben, wenn die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft aufeinander abgestimmt sind, sich fördern und ergänzen.
Die wirtschaftliche Eingliederung setzt somit eine wirtschaftliche Verflechtung voraus. Die Gewährung von Darlehen begründet im Ausgangsfall keine wirtschaftliche Eingliederung. Die Darlehen waren zunächst unverzinst, so dass keine entgeltliche Leistung vorlag. Bei der später erfolgten Verzinsung der Darlehen erreichten die Zinseinkünfte nur zwischen 0,1% bis 0,5% des Umsatzes der M-GmbH. Aufgrund dieser geringfügigen Bedeutung für die M-GmbH kann hier nicht von einer wirtschaftlichen Eingliederung ausgegangen werden.
Da die Übernahme der Bankbürgschaften unentgeltlich erfolgt ist, wird hierdurch ebenfalls keine wirtschaftliche Eingliederung begründet.
Auch im Falle des Sale-and-Lease-back-Geschäfts kommt es zu keiner wirtschaftlichen Eingliederung, da zwischen der M-GmbH und der Klägerin keine direkten vertraglichen Beziehungen bestanden haben. Die Klägerin hat ihr Anlagevermögen vielmehr an zwei Drittunternehmen veräußert, welche es wiederum an die M-GmbH veräußerten. Anschließend wurde das Anlagevermögen an die konzernangehörige Leasinggesellschaft verkauft und von dort an die Klägerin zurückgeleast. Auch wenn man eine mittelbare Verflechtung als ausreichend ansieht, würde diese spätestens mit der Zwischenschaltung der nicht zum Konzern gehörenden Leasinggesellschaft unterbrochen. Zudem begründen unternehmerische Tätigkeiten des Organträgers für die Organgesellschaften nur dann eine wirtschaftliche Verflechtung, wenn sie die Durchführung von umsatzsteuerlich relevanten Transaktionen wie etwa dem Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen einschließen.
Mangels wirtschaftlicher Eingliederung liegt daher im Ausgangsfall keine umsatzsteuerliche Organschaft vor.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 12/2018
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