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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Zeitpunkt der Bildung von Rückstellungen für Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung

BC-Redaktion

FinMin Schleswig-Holstein, Erlass vom 6.3.2013, VI 304 – S 2141 – 007

 

Nach H 4.9 [Rückstellung für künftige Steuernachforderungen] EStH 2010

– sind abzugsfähige Steuern grundsätzlich dem Jahr zu belasten, zu dem sie wirtschaftlich gehören;

– ist davon abweichend eine Rückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer zu bilden.

Der Beschluss des BFH vom 16.12.2009 (I R 43/08, BStBl. II 2012, S. 688, DStRE 2010, 352) hat die Frage aufgeworfen, ob an dieser Verwaltungsauffassung festgehalten werden kann, zumal der BFH in seiner Begründung unter II. 2. b) darauf hingewiesen hat, dass es in dem zu beurteilenden Einzelfall nicht zu beanstanden ist, Rückstellungen für Mehrsteuern aufgrund einer Außenprüfung erst in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige erstmals Kenntnis von der steuerlichen Beurteilung durch das Finanzamt erlangt.

Die oben genannte in H 4.9 EStH getroffene Regelung war für den BFH indes nicht entscheidungsrelevant; sein Beschluss vom 16.12.2009 ist zur steuerwirksamen Auflösung von Rückstellungen für Nachforderungszinsen auf die Körperschaftsteuer ergangen, und zwar vor dem Hintergrund der gesetzlichen Änderung der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Nachforderungszinsen auf Körperschaftsteuern.

Die in H 4.9 EStH dargelegte Verwaltungsauffassung wird mithin durch den oben genannten Beschluss des BFH vom 16.12.2009 nicht berührt.

Mit Urteil vom 22.8.2012 (X R 23/10, BStBl. II 2013, S. 76) hat der BFH die Verwaltungsauffassung zum Zeitpunkt der Bildung einer Rückstellung für Mehrsteuern infolge einer Steuerfahndungsprüfung bestätigt. Danach kann eine Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste.

 

 

Praxis-Info!

Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, die betrieblich veranlasst sind – gleichgültig ob diese Verbindlichkeiten zivilrechtliche Schadensersatzansprüche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen betreffen (hier: für hinterzogene Mehrsteuern) –, ist (nach § 249 HGB) zu dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem der Steuerpflichtige mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme (hier: mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung und der entsprechenden Forderung des Finanzamts) rechnen muss.

Bei Verpflichtungen, die aus Straftaten resultieren, entsteht die Verbindlichkeit zwar bereits mit Begehung der Tat; solange der Bilanzierende aber davon ausgehen kann, dass die Tat unentdeckt bleibt, stellt die Verbindlichkeit für ihn noch keine wirtschaftliche Belastung dar. Ob und inwieweit eine Inanspruchnahme aus der ungewissen Verbindlichkeit zu erwarten ist, richtet sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags. Anders ausgedrückt: Für die Rückstellungsbildung kommt es nicht auf das Jahr des Entstehens der Steuer (Zeitpunkt der Steuerstraftat), sondern den Zeitpunkt des Entdeckens bzw. Aufdeckens der Tat (Zeitpunkt der Außenprüfung/Steuerfahndung) an. Wie das Finanzamt von diesen Taten erfährt, ist gleichgültig; ein bloßer Verdacht genügt jedoch nicht.

 

 

Praxishinweise:

  • Die allgemeine Erfahrung, wonach es bei steuerlichen Betriebsprüfungen zu Beanstandungen kommt, welche zu mehr oder weniger hohen Steuernachforderungen führen, erfüllt nicht die Voraussetzungen an eine Rückstellungsbildung (konkrete Inanspruchnahme). Insofern handelt es sich um ein dem allgemeinen Unternehmer- oder Branchenrisiko vergleichbares Risiko, das erst dann zur Bildung einer Rückstellung berechtigt, wenn es sich in Gestalt konkreter und nachprüfbarer Einzelsachverhalte zu dem Risiko eines bestimmten einzelnen Geschäftsvorfalls verdichtet hat.
  • Sobald die Behandlung konkreter steuerlicher Sachverhalte im Rahmen einer Betriebsprüfung strittig ist, darf somit eine Rückstellung gebildet werden. Auf der sicheren Seite sind Bilanzierende, wenn die Betriebsprüfung bereits begonnen wurde und der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat oder zumindest den einschlägigen Sachverhalt konkret überprüft. Dasselbe gilt für anhängige Streitverfahren (auch Musterverfahren), durch die das Unternehmen belastet werden kann, auch wenn der Ausgang des Rechtsstreits noch unsicher ist.
  • In der HGB-Bilanz können hingegen Rückstellungen für künftige Steuernachforderungen aufgrund zu erwartender Betriebsprüfungen unter Umständen gebildet werden, auch wenn sie steuerrechtlich nicht anerkannt sind. Solche Rückstellungen sind denkbar, wenn das Steuerrisiko nicht bereits durch eine entsprechende Steuerabgrenzung abgedeckt ist. Im Klartext: Wird mit Blick auf die nächste steuerliche Außenprüfung erwartet, dass bis dahin bestehende vorübergehende Abweichungen zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz ganz oder zum Teil beseitigt werden und sich hieraus ein steuerrechtlicher Mehraufwand ergeben kann (weil z.B. in der Steuerbilanz Aktivposten, die bislang in der Steuerbilanz niedriger als in der Handelsbilanz angesetzt waren, höher angesetzt werden), ist dieses Risiko bereits durch die Steuerabgrenzung abgedeckt.
  • Eine Rückstellung wegen künftiger Zinszahlungen aufgrund entstandener Steuernachforderungen kann hingegen frühestens 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuernachforderung entstanden ist (vgl. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO), gebildet werden. Denn eine Rückstellung knüpft nicht nur an Vergangenes an, sondern muss auch Vergangenes abgelten. Mit der Zinszahlung wegen entstandener Steuernachforderungen wird der Liquiditätsvorteil abgegolten, der sich aus der „verspäteten“ Zahlung der Steuer für den Steuerpflichtigen ergibt. Eine solche Rückstellung kann nur die bis zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich entstandenen Zinsen umfassen.

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 6/2013

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