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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung wegen einer Schadensersatzverpflichtung

BC-Redaktion

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.3.2015, 13 K 540/13 (rkr.)

 

Die Passivierung einer Rückstellung wegen drohender Schadensersatzforderung zum Bilanzstichtag ist nur dann zulässig, wenn ernsthaft mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden kann.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein EDV-Berater hatte sich im Streitjahr 2009 – nach mehrjähriger Tätigkeit bei einem großen Software-Unternehmen – selbstständig gemacht. Ende Oktober sowie Anfang November 2009 bewarb er sich über eine sog. Projektstellenbörse im Internet bei zwei verschiedenen britischen Agenturen (B Ltd. und D Ltd.) für die Durchführung eines EDV-Projekts. Beide Projektvermittler gaben nacheinander an, Hauptauftraggeber der Stadtwerke X zu sein. Nach einem erfolgreich verlaufenen Interview durch die Stadtwerke X erhielt der EDV-Berater den Programmierungsauftrag.

Einer anwaltlichen Empfehlung folgend schrieb der EDV-Berater die beiden Agenturen am 4.12.2009 an und forderte sie auf, ihm kurzfristig mitzuteilen und nachzuweisen, welche Agentur den Auftrag der Stadtwerke X erhalten habe. Die B Ltd. teilte ihm darauf mit, dass ihr der Auftrag der Stadtwerke X erteilt worden sei. Entsprechend unterzeichnete der EDV-Berater am 8.12.2009 einen Vertrag mit der B Ltd. und führte in der Folge das Projekt auch erfolgreich durch.

Die D Ltd. hat dem EDV-Berater auf sein Schreiben hin nicht geantwortet. Stattdessen erhielt er am 4.12.2009 ein Schreiben mit der Androhung einer Schadensersatzforderung über 40.000 €, falls er den Vertrag mit einer anderen Agentur schließen sollte.

Der EDV-Berater passivierte in der am 21.10.2010 aufgestellten Bilanz zum 31.12.2009 eine sonstige Rückstellung in Höhe von 40.000 €. Die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme sei gegeben. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird dieser Betrag als Rechts- und Beratungskosten ausgewiesen.

Das Finanzamt ließ die angesetzte Rückstellung nicht zum Abzug zu. Das Schreiben der britischen D Ltd. vom 4.12.2009 sei gewissermaßen nur ein „Schuss vor den Bug“ gewesen. Die Voraussetzungen für eine Rückstellung lägen nicht vor, da eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aufgrund objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen nicht angenommen werden könne.

 

 

Lösung

Auch nach Auffassung des Finanzgerichts ist die Rückstellungsbildung wegen einer möglichen Verpflichtung des EDV-Beraters zum Schadensersatz gegenüber der D Ltd. unzulässig. Grund: Der Kläger musste zum Bilanzstichtag (noch) nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen. Die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Schuldners reicht nicht aus. Die Inanspruchnahme muss vielmehr wahrscheinlich sein.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme mehr Gründe dafür als dagegen sprechen; der Steuerpflichtige darf mit Blick auf seine Inanspruchnahme nicht die pessimistischste Annahme wählen. Das Wahrscheinlichkeitsurteil kann sich auf betriebsindividuelle oder branchenübliche Erfahrungen der Vergangenheit stützen. Bedeutsam können insbesondere auch die für den Schuldner erkennbaren Vorstellungen des Anspruchsberechtigten sein. Der Steuerpflichtige trägt hierbei die Feststellungslast. Bei fehlender Wahrscheinlichkeit besteht ein Passivierungsverbot.

Es kann als zweifelhaft angesehen werden, ob der EDV-Berater nach englischem Recht gegenüber der D Ltd. überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet sein könnte. Nach deutschem Recht hätte sich der EDV-Berater bei dieser Sachlage wieder von dem Subunternehmervertrag lösen und sich dabei jedenfalls auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen können. In jedem Fall war das Schreiben der D Ltd. für den EDV-Berater in erster Linie dahin zu verstehen, dass er zu vertragstreuem Verhalten angehalten und ihm Sanktionen angedroht werden sollten, falls er gegen seine Vertragspflichten aus dem mit der D Ltd. bereits geschlossenen Vertrag verstoßen würde. Von einer konkreten Geltendmachung eines Ersatzanspruchs konnte nicht ausgegangen werden.

Unabhängig vom Bestehen einer Verpflichtung zum Schadensersatz musste somit der EDV-Berater bei Würdigung der im Streitfall maßgeblichen Umstände zum Bilanzstichtag am 31.12.2009 nicht ernstlich damit rechnen, aus der (behaupteten) Verpflichtung in Anspruch genommen zu werden. Im Übrigen handelte es sich insoweit um Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und nicht mehr als wertaufhellend betrachtet werden könnten.

 

 

Bilanzierungshinweise:

Bestreitet ein Unternehmen die Schadensersatzverpflichtung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, kann es zum Rechtsstreit wegen dieser Verpflichtung kommen. Allerdings darf das Unternehmen wegen der behaupteten Schadensersatzverpflichtung, die von ihm bestritten wird, noch keine Verbindlichkeit einbuchen, weil die Verpflichtung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten wird. Im Klartext: Es bedarf nicht nur der Geltendmachung einer Schadensersatzforderung, sondern auch des Anerkenntnisses durch den Schuldner.

Aufgrund des Vorsichtsprinzips hat der Schuldner allerdings bei einer drohenden Gefahr der Inanspruchnahme eine Rückstellung zu passivieren, und zwar bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in voller Höhe oder – bei ernsthaften Vergleichsverhandlungen – bis zu einem Vergleichsabschluss in dessen voraussichtlicher Höhe. Ist über den Anspruch rechtskräftig entschieden worden, ist die gebildete Rückstellung aufzulösen. Hierbei ist lediglich eine ergebnisneutrale Umbuchung erforderlich (Buchungssatz: Rückstellungen an Verbindlichkeiten).

In diesen Fällen bestehen bei der Bewertung notwendigerweise Ermessensspielräume, für die gewisse Bandbreiten entstehen, die den Punkt für die optimistische und den Punkt für die pessimistische Beurteilung des Sachverhalts angeben. Ansatz und Bewertung sollen mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Kaufmanns vorgenommen werden.

Neben der Prüfung des voraussichtlich erforderlichen Erfüllungsbetrags ist auf jeden Bilanzstichtag die Abzinsung mit dem für die verbleibende Laufzeit maßgeblichen aktuell anwendbaren Zinssatz neu zu ermitteln.

Nach IAS 11.45 sind Eventualschulden (contingent liabilities) und Eventualforderungen (contingent assets) entsprechend den Regelungen des IAS 37 im Anhang offenzulegen. Hierzu zählen auch Schadensersatzforderungen.

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

 

 

BC 7/2015

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