CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Europäischer Grundsatz der Bilanzwahrheit

Prof. Dr. Christian Zwirner

EuGH-Urteil vom 23.4.2020, C-640/18

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der Rechtssache Wagram Invest SA am 23.4.2020 eine bilanzrechtliche Entscheidung getroffen, die große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Hintergrund ist die Tatsache, dass der EuGH aufgrund der fehlenden europäischen Harmonisierung der Ertragsteuern nur äußerst selten Stellung zu bilanzrechtlichen Fragestellungen bezieht. Inhalt des Rechtsstreits war ein Fall aus Belgien, der sich mit der Zulässigkeit einer Buchungsmethode für fremdüblich per unverzinslichem Darlehen erworbene Aktien beschäftigt.


 

 

Praxis-Info!

 

In Europa hat bis dato keine Harmonisierung des Ertragsteuerrechts stattgefunden. Dennoch ist das deutsche Steuerbilanzrecht über die sog. Maßgeblichkeit mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verbunden, welche auf der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 basieren. Durch deren Umsetzung in deutsches Handelsbilanzrecht für Kapitalgesellschaften hat mithin auch das deutsche Steuerbilanzrecht über den Maßgeblichkeitsgrundsatz mit dem „True and Fair View“ des § 264 Abs. 2 S. 1 HGB (ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) sowie den handelsrechtlichen GoB in § 252 Abs. 1 HGB eine europäische Grundlage.

 

In der EuGH-Entscheidung vom 23.4.2020 (Rs. C-640/18) ging es um eine belgische Steuerbilanzrechtsfrage. Diese betraf die Körperschaftsteuer einer belgischen Kapitalgesellschaft in den Jahren 2000 und 2001 und beruhte per Maßgeblichkeit auf einer belgischen Handelsbilanz und entsprach damit den europarechtlichen Grundlagen. Das betroffene Unternehmen hatte von seinem Geschäftsführer Aktien einer fremden Gesellschaft erworben. Die Transaktion wurde in zwei Tranchen und in fremdüblicher Form vollzogen, wobei der Kaufpreis zinsfrei über acht bzw. zehn Jahre Laufzeit in halbjährlichen Raten gezahlt werden sollte.

Streitpunkt war die Behandlung des Zinsvorteils als eine Art Skontobetrag, der als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten bilanziert worden war. Dies wurde von der belgischen Steuerverwaltung nicht anerkannt. Das Berufungsgericht bestätigte den Einklang dieser buchhalterischen Handhabung mit belgischem Steuerrecht. Zur Klärung der Frage der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Bilanzwahrheit (True and Fair View) erfolgte jedoch eine Vorlage an den EuGH. Dieser wertete den Sachverhalt als zinsfreie Darlehensgewährung und bestätigte, dass durch die Buchung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt wird.

Die Entscheidung des EuGH dürfte keine unmittelbaren Folgen für das deutsche Steuerbilanzrecht haben, denn die buchhalterische Handhabung wäre im vorliegenden Fall nach deutschem Steuer- sowie Handelsrecht nicht zulässig. Der Fall verdeutlicht jedoch erneut die Grundlagen eines europäischen Bilanzrechtsverständnisses, wobei diesem bei eigenständigen nationalen steuerbilanzrechtlichen Vorgaben enge Grenzen gesetzt sind.

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,

Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

BC 10/2020

becklink432104

 

Rubriken

Menü

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü