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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

EU-weiter Fitness-Check zur Rechnungslegung: Ergebnisdiskussion beginnt

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

 

Den derzeit laufenden sog. Fitness-Check der EU-Kommission hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) am 12.11.2018 in einem aktuellen Positionspapier kommentiert. Zwar wird begrüßt, dass die EU-Kommission den Rechtsrahmen für die Rechnungslegung hinterfragt, das IDW äußert jedoch in Einzelbereichen recht massive Kritik.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Nach erheblichen Änderungen der Rechnungslegungsanforderungen in den letzten Jahren hat die EU-Kommission im Frühjahr/Sommer 2018 eine Überprüfung der gesamten Rechnungslegungs- und Offenlegungsregelungen durchgeführt. Damit soll insbesondere beurteilt werden, ob die öffentlichen Berichtspflichten einschließlich der finanziellen und nichtfinanziellen Berichtspflichten für EU-Unternehmen ihren Zielen (Wirksamkeit, Relevanz und EU-Mehrwert) entsprechen.

Diesen sog. Fitness-Check hat die EU-Kommission im Rahmen des Sustainable-Finance-Action-Plans durchgeführt. Dieser enthält 67 Fragen zu sämtlichen EU-Richtlinien und -Verordnungen mit Rechnungslegungsbezug. Überprüft werden soll hiermit, ob beispielsweise die nationalen Rechnungslegungsvorschriften in der EU noch weiter harmonisiert werden sollten oder ob die derzeitigen Berichterstattungsvorgaben für eine digitale Welt noch geeignet sind. Der Fitness-Check behandelt auch Fragen danach, ob nichtfinanzielle Aspekte ausreichend beachtet werden und welche Rolle digitale Kommunikationsinstrumente spielen sollten.

Die am 21.7.2018 abgeschlossene Konsultation geht nun in die Phase der Ergebnisdiskussion über. Worauf haben sich Bilanzbuchhalter (nicht nur, aber in zentraler Weise betroffen) einzurichten?

 

 

Lösung

Unter der Headline „Die Zukunft der Berichterstattung: Mehr als Geschäftsbericht plus Nachhaltigkeit hat das IDW am 12.11.2018 sein aktuellstes Positionspapier präsentiert. Darin (Bearbeitungsstand 8.11.2018) unterstützt das IDW zwar insgesamt gesehen das Vorhaben der EU-Kommission, die EU-Regelwerke auf die angemessene Berücksichtigung neuer Entwicklungen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu hinterfragen. Auch die frühzeitige Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit in die Konsultation bewertet das IDW als positiv.

Dann aber hagelt es deutliche Kritik, die sich zunächst auf die Fragenkonzeption richtet. Diese seien so formuliert, dass die Antworten zwangsläufig nahelegen würden, eine Anpassung des Rechnungslegungsrahmens sei erforderlich. Dem tritt das IDW entgegen, indem der Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann ausführt: „Unseres Erachtens liefert der derzeitige EU-Rechnungslegungsrahmen effektive und effiziente Beiträge zum Stakeholder-Schutz, zur Verwirklichung des Binnenmarkts und der Kapitalmarktunion.“ Und weiterhin wird pointiert: „Finanzmarktstabilität und nachhaltige Entwicklung sind Ziele, zu denen die Rechnungslegung nur bedingt beitragen kann. Hier sind andere Ansätze vorzuziehen.“ Dazu gehöre beispielsweise eine konsequentere Verfolgung der Klimaziele.

Ferner warnt das IDW vor einem europäischen Sonderweg bei den International Financial Reporting Standards (IFRS) und sieht den größten Überarbeitungsbedarf bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht. Grundsätzlich sei der gegenwärtige EU-Rechtsrahmen für die Unternehmensberichterstattung aber konsistent. Diese Konsistenz und Transparenz der Rechnungslegung gelte es zu erhalten. Dies betreffe auch die Prüfung und die Offenlegung der neuen Berichtselemente, etwa der nichtfinanziellen Berichterstattung. Hierzu nennt das IDW als Lösungsansätze das International Integrated Reporting Framework und das vom Europäischen Verband der Wirtschaftsprüfer entwickelte Accountancy Europe Core & More-Konzept als eine solide Grundlage für eine nachhaltige Fortentwicklung.

 

 

Praxishinweise:

  • In dem Positionspapier der sog. Arbeitsgruppe Trendwatch des IDW fasst das IDW die wesentlichen Themen des Fitness-Checks zusammen und bietet Lösungsansätze an. Ansprechpartner ist Dr. Matthias Schmidt (E-Mail: schmidt@idw.de). Das IDW Positionspapier finden Sie unter: https://www.idw.de/blob/113156/30278449c7968a136a4f400355a76da8/down-positionspapier-fitnesscheck-data.pdf.
  • Zuvor hatte im September 2018 bereits die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) auf das Konsultationspapier der EU-Kommission „Fitness-Check des EU-Rahmens für die Berichterstattung durch Unternehmen“ reagiert und sich insbesondere gegen die Einführung der Möglichkeit ausgesprochen, den Inhalt der vom IASB herausgegebenen IFRS zu ändern. Darüber hinaus betonte die ESMA, dass der derzeitige Übernahmeprozess bereits die erforderlichen Garantien für das europäische Gemeinwohl biete, indem ein Standard nicht übernommen werden kann. Die Presseerklärung kann auf der Internetseite der ESMA unter www.esma.europa.eu aufgerufen werden.
  • Im Vorfeld hatten insbesondere Martina Mühlbauer und Prof. Dr. Stefan Müller dazu geraten, dass sich gerade auch kleine und mittelgroße sowie nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen direkt oder indirekt über deren Verbandsvertreter in die öffentliche Konsultation einbringen sollten, um zukünftigen Neuregelungen der EU nicht tatenlos gegenüberzustehen (vgl. DB 2018, 1482–1487, sowie Müller in BC 2018, 161 ff., Heft 4). Wer das als kaufmännischer Geschäftsführer, als Bilanzbuchhalter oder als Controller bislang verpasst haben sollte, dem könnte – so der Bilanzrechtsexperte Prof. Dr. Stefan Müller (zuletzt Dilßner/Müller, BC 2017, 564 ff., Heft 12, vertreten zum Thema Publizitätspflicht) in einem am 14.11.2018 geführten Gespräch – in der gerade erst beginnenden Ergebnisdiskussion auf EU-Ebene noch manche Tür offenstehen. Das IDW jedenfalls mache es gerade vor.
  • Diskussionspunkte sieht Müller etwa hinsichtlich der Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und bezüglich der Gestaltung der Bilanzpolitik. Seitens des IDW wird hingegen beim CSR-Reporting „deutlich umfangreicherer Überarbeitungsbedarf als bei den anderen im Rahmen des Fitness Check hinterfragten Vorgaben“ gesehen (CSR = Corporate Social Responsibility, zu den aktuellen Trends eines darauf zugeschnittenen Reporting siehe Hillmer, Zukunft der Berichterstattung, ZCG 2018, 23–237, Heft 5).
  • Mit Blick auf die Wirkungen der Digitalisierung wird im IDW-Positionspapier das Problem angesprochen, dass Künstliche Intelligenz und Big Data bereits heute Auswertungen von online verfügbaren Massendaten in Echtzeit erlauben: „Fraglich ist, wieweit solche Instrumente die Vertrauenswürdigkeit der Informationen berücksichtigen können, sodass Gerüchte in sozialen Netzwerken nicht gleichwertig mit geprüften Abschlussinformationen interpretiert werden.“ Deshalb wird angeregt, dass geprüfte (Finanz-)Informationen mit elektronischen Signaturen, Wasserzeichen oder ähnlichen Mechanismen markiert werden sollten.
  • Darüber hinaus bereitet den IDW-Experten in einer zunehmend digitalen Welt die Bilanzierung des selbst geschaffenen immateriellen Anlagevermögens Sorgen, da Praxisanalysen zeigen, dass diese Werte häufig drei Viertel und mehr des Unternehmenswerts ausmachen. Auf den Prüfstand gehören daher insoweit die erheblichen Unterschiede zwischen Buch- und Marktwerten des Eigenkapitals sowie die nicht ausreichende Berücksichtigung aller relevanten Werttreiber.
  • Dieses Goodwill-Thema beschäftigt übrigens auch die deutsche Bilanzpolizei (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, DPR). Deren Präsident hat erst kürzlich auf einem IFRS-Kongress am 6.9.2018 in Berlin mitgeteilt, dass die DPR in Anknüpfung an die diesbezüglich vom IASB angedachten Änderungen des IAS 36 den Standpunkt eingenommen habe, das bilanzielle Risiko könne durch eine planmäßige Abschreibung des Goodwill deutlich und verlässlich reduziert werden. – Führt uns das aus der Digitalisierungs-Moderne zurück zu alten Bilanzierungs-Ufern? Jedenfalls dürften deutsche Bilanzierungsexperten mehrheitlich keine Probleme damit haben, über entsprechend geänderte Richtlinien den gerade aktuell wieder einmal sehr hohen Wellen gleichenden Kapitalmarktausschlägen trockenen Fußes trotzen zu können.

 

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 12/2018

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