Dr. Franz Schemmer ist Richter am BVerwG und Mitherausgeber der ZGI.
Friedrich Schoch, Informationsfreiheitsgesetz: IFG, Komm. (C.H. BECK), 3. Aufl. 2024, ISBN 978-3-406-76928-3, 179,- EUR
Die 3. Auflage des Standardkommentars von Schoch zum Informationsfreiheitsgesetz ist erschienen und auf dem Stand März 2024. Hatte die 1. Auflage aus dem Jahr 2009 noch einen Umfang von rund 850 Seiten und betrug die Seitenzahl der im Jahr 2016 erschienenen 2. Auflage bereits ca. 1.110 Seiten, ist der Umfang des Werks nunmehr auf rund 1.500 Seiten angewachsen. Die 15 Paragrafen des IFG sind allerdings seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2006 nahezu unverändert geblieben. Angepasst wurden aufgrund des Inkrafttretens der DS-GVO §§ 5 und 12 IFG; § 10 IFG erfuhr im Zuge der Schaffung des neuen Bundesgebührenrechts eine neue Fassung sowie eine Anpassung der derzeitigen Bezeichnung des BMI. Seit Erscheinen der 2. Auflage hat sich indessen das gesamte Informationsfreiheitsrecht umfänglich weiterentwickelt. Es sind eine Fülle gerichtlicher Entscheidungen ergangen und zahlreiche Beiträge in der Literatur erschienen. All diese fachlichen Äußerungen greift Schoch auf. Die Darstellung ist seinem Konzept geschuldet, den Stand der Rechtsprechung und der Literatur umfassend abzubilden. Die Neuauflage berücksichtigt zudem das Unionsrecht und versucht, wie Schoch im Vorwort anführt, dessen Einwirkungen auf das IFG nachzuspüren und diese zu analysieren sowie in den Strukturen des IFG zu verarbeiten. Dem Kommentar kommt auch die langjährige Tätigkeit des Autors als Richter im Nebenamt beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim zugute. Dieses Amt war für die Kommentierung höchst ergiebig und hat sich, wie der Autor ebenfalls im Vorwort schreibt, „als willkommener Impuls zur Präzisierung der rechtlichen Argumentation“ des Wissenschaftlers erwiesen.
Das Werk besteht aus drei Teilen: Gesetzestext, Kommentar und Anhang. Die eigentliche Kommentierung umfasst nahezu 1.000 Seiten. Der Anhang enthält das jeweilige Landesrecht zur Informationsfreiheit (Anhang I), das fachbezogene Bundesrecht wie das UIG und das VIG sowie Anwendungshinweise des BMI zum IFG (Anhang II). Schließlich werden das einschlägige EU-Sekundärrecht und Internationales Recht wie die Aarhus-Konvention gelistet (Anhang III und IV).
Die Kommentierung beginnt mit einer hoch informativen Einleitung. Sie umfasst rund 200 Seiten und könnte ein eigenständiges Lehrbuch zur Informationsfreiheit sein. Dort wird nicht nur die Entwicklung der Informationszugangsfreiheit dargestellt, sondern unter der Überschrift „Verfassungsrechtliche Grundlagen“ die Informationszugangsfreiheit des IFG als rechtspolitische Entscheidung eingeordnet, die keinen verfassungsrechtlichen Vorgaben folgt (S. 43). Das IFG ist einfaches nationales Recht ohne verfassungsrechtliche Grundlagen. Die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG sichert als Abwehrrecht nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen. Ein Anspruch auf Verschaffung von Informationen oder Eröffnung einer Informationsquelle besteht grundsätzlich nicht. Amtliche Informationen werden erst nach Maßgabe der Ausgestaltung durch die Informationsfreiheitsgesetze allgemein zugängliche Quellen oder soweit der Staat diese von sich aus veröffentlicht.
Auch sonst ist der Fächer ganz weit geöffnet. So finden sich Ausführungen zur Informationszugangsfreiheit im Recht der Europäischen Union und im Internationalen Recht (S. 57 ff. und S. 107 ff.). Behandelt wird die völkerrechtliche Aarhus-Konvention. Ihr Ziel ist neben den weiteren Zielen der Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren und des Zugangs zu Gericht in Umweltangelegenheiten der freie Zugang zu Informationen über die Umwelt. Auch die EMRK, die in Art. 10 bestimmte Informationsrechte anerkennt, wird eingehend erläutert. Zum Vollständigkeitsanspruch gehört ebenfalls die Darstellung des allgemeinen Informationszugangsrechts der Länder (S. 117 ff.). Das jeweilige Landesverfassungsrecht und die Informationsfreiheitsgesetze der Länder, über die Bayern und Niedersachsen bislang nicht verfügen, werden eingehend besprochen. Dass die Länder Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen ein Transparenzgesetz geschaffen haben, wird selbstverständlich erwähnt. Transparenzgesetze zeichnen sich dadurch aus, dass transparenzpflichtige Stellen bestimmte Informationen von Amts wegen auf einer Transparenzplattform veröffentlichen. Der Kommentar zeichnet ebenso die Heterogenität der Landesgesetze nach und behandelt kommunale Informationsfreiheitssatzungen der Länder.
Schließlich wird das allgemeine Informationszugangsrecht des Bundes mit seiner Entstehungsgeschichte, seinen Änderungen und Änderungsversuchen dargestellt. Eingehend sind wiederum die Ausführungen, die das IFG unter Würdigung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG als Widmungsakt einstufen (S. 190 ff.). Der Kommentator referiert im Weiteren nicht nur die Rechtsprechung und die Literatur zum Informationsfreiheitsrecht, sondern hinterfragt intensiv die dort vertretenen Auffassungen. Insbesondere setzt sich der Kommentar mit der Rechtsprechung kritisch auseinander. Dies geschieht etwa zum Verhältnis des IFG zu Spezialvorschriften (§ 1 Rn. 297 ff.), zur Amtlichkeit der Aufzeichnung (§ 2 Rn. 49 ff.) oder im Hinblick auf das Verständnis des Geschäftsgeheimnisses im Sinne von § 6 S. 2 IFG unter Berücksichtigung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie und des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 6 Rn. 101 ff.). Die Lektüre ist immer ein Gewinn. Die Anmerkungen des Autors sind bestens geeignet für weitergehende Überlegungen.
Höchst erfreulich ist die gründliche Befassung des Kommentars mit § 99 VwGO (§ 9 Rn. 97 ff.). Diese prozessuale Vorschrift behandelt in Absatz 1 die Aktenvorlagepflicht im Verwaltungsprozess und normiert der Vorlage entgegenstehende Geheimhaltungsgründe. Ob die verweigerte Aktenvorlage berechtigt ist, wird in einem Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüft. Es geht also, wie es im Kommentar mit Recht heißt, um das „Spannungsverhältnis zwischen Geheimhaltung und Rechtsschutz“ (§ 9 Rn. 97). Die Bedeutung dieses Verfahrens für den Informationszugangsanspruch ist offensichtlich. Ist die Aktenvorlage Streitgegenstand des Verfahrens in der Hauptsache, hat das In-camera-Verfahren unmittelbare Auswirkungen auf das Hauptsacheverfahren (§ 9 Rn. 105 ff.). Das In-camera-Verfahren ist auch im Informationsfreiheitsrecht anwendbar. Die Aktenvorlage nach Durchführung des Zwischenverfahrens führt, weil der Kläger sein Ziel erreicht hat, zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens. Damit stellt sich die Frage nach der Übereinstimmung der Informationsverweigerungsgründe im Fachrecht und im Prozessrecht. Der Kommentar stellt die Rechtsprechung, dass im Grundsatz kein Gleichlauf von Fachrecht und Prozessrecht bestehe, mit Recht kritisch dar (§ 9 Rn. 102 ff.).
Soweit ersichtlich, behandelt der Kommentar sämtliche IFG-relevanten Fragen. Lediglich etwaige aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens folgende Informationsverweigerungsgründe werden nicht näher erörtert (hierzu § 3 Rn. 256 a.E.). Das BVerwG musste sich kürzlich hierzu verhalten (Urt. v. 26.9.2024 – 10 C 11.23). Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass dieser Kommentar seinesgleichen sucht. Auch wenn man das Werk mit Kommentaren in anderen Fachgebieten und gleichem Anspruch vergleicht, sticht der „Schoch“ aufgrund seines Umfangs, seiner Verarbeitungstiefe und Aktualität in jeder Hinsicht heraus. Rechtsprechung und Literatur werden inhaltlich gründlich ausgewertet und der Autor bezieht Stellung. Die zu den Vorauflagen von Berthold Huber (NVwZ 2009, 704 zur 1. Auflage) und von Elke Gurlit (Die Verwaltung – Sonderdruck 01/2018 zur 2. Auflage) getroffene Feststellung, am „Schoch“ komme keiner vorbei, gilt ohne Einschränkung auch für die 3. Auflage. Wer sich zu informationsrechtlichen Fragestellungen ohne Befassung mit dem IFG-Kommentar äußert, verzichtet auf eine hervorragende Informationsquelle. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Lektüre des Kommentars trotz der großen Detailtiefe ausgesprochen kurzweilig ist. Der Kommentar ist daher ohne Einschränkung zu empfehlen.