Dr. Eugen Ehmann ist Regierungspräsident von Unterfranken sowie Mitglied im Wissenschaftsbeirat der ZD.
Kai-Uwe Plath (Hrsg.), DSGVO/BDSG/TTDSG, Kommentar zu DSGVO,
BDSG und TTDSG, 4. Aufl. 2023, Köln (Otto Schmidt), ISBN 978-3-504-56076-8, 169
EUR
Bernhard Freund/Bernd Schmidt/Sebastian Heep/Anna-Kristina
Roschek (Hrsg.), DSGVO, Praxis-Kommentar, Frankfurt/M. (Fachmedien Recht und
Wirtschaft) 2023, ISBN 978-3-8005-1840-1, 99 EUR
ZD-Aktuell 2024, 04502 Fünf Jahre nach Geltungsbeginn der DS-GVO ist klar, dass dieses Regelungswerk das Datenschutzrecht regelrecht umgepflügt hat. Das halbe Dutzend Grundsatzentscheidungen des EuGH zur DS-GVO, das allein im Dezember 2023 zu verzeichnen war, hat dies allen, die es nach wie vor nicht wahrhaben wollten, nochmals nachdrücklich verdeutlicht. Dabei ist der EuGH dem - anhand der Zahl entsprechender Äußerungen in der Rechtsliteratur gemessenen - „deutschen Meinungs-Mainstream“ nahezu durchgängig nicht gefolgt. Dies wirkt sich auf die Aktualität aller Datenschutzkommentare aus, die bis Ende 2023 erschienen sind. Wer zu ihnen greift, muss in jedem Fall zusätzlich die dort noch nicht verarbeiteten Entscheidungen des EuGH heranziehen, um ein vollständiges aktuelles Bild zu erhalten. Vor diesem Hintergrund macht es derzeit nur wenig Sinn, auf inhaltliche Aussagen zur DS-GVO einzugehen, die in Kommentierungen enthalten sind. Zu häufig würde man dabei einen ohnehin so nicht mehr aktuellen Meinungsstand diskutieren.
Umso interessanter erscheint ein eher allgemeiner Vergleich, wie Kommentarwerke von ihrer Grundstruktur her an die Materie der DS-GVO herangehen. An den beiden vorliegenden Werken lässt sich sehr schön zeigen, wie unterschiedlich dabei das Ergebnis ausfallen kann. Beide Werke sind im Jahr 2023 erschienen. Den „Plath“ darf man dabei angesichts der Tatsache, dass bereits die 4. Auflage vorgelegt wurde, gewiss als etabliert bezeichnen. Der von einem Vierer-Team herausgegebene „Praxis-Kommentar DSGVO“ ist dagegen als Neuling anzusehen, der erstmals in den Kreis der zahlreichen zuvor schon vorhandenen Kommentierungen zur DS-GVO eingetreten ist.
Der „Plath“ versteht sich ersichtlich nicht als reiner DS-GVO-Kommentar. Vielmehr sind hier Kommentierungen zu drei Regelungswerken (DS-GVO, BDSG und TTDSG) in einem Band vereint. Rein äußerlich nimmt die Kommentierung der DS-GVO lediglich gut die Hälfte des Werks ein. Die andere, knappe Hälfte füllt zu etwa zwei Dritteln die Kommentierung des BDSG aus, zu etwa einem Drittel die Kommentierung der datenschutzrechtlichen Teile des TTDSG. Nach dem Grundverständnis, das im Vorwort dokumentiert ist, soll damit eine „Kommentierung aller wesentlichen Rechtsgrundlagen des Datenschutzrechts in einem Band“ vorgelegt werden.
Unter dem Aspekt, welche Regelungswerke im Datenschutzrecht als solche relevant sind, wird man gegen diese Selbsteinschätzung nichts sagen können. Gewiss wird man immer wieder zu allen drei Regelungskomplexen greifen. Allerdings bleibt die Frage, ob das am äußeren Umfang gemessene Verhältnis der Kommentierungen der drei Gesetze auch das Verhältnis der praktischen Bedeutung dieser Regelungswerke für die tägliche Arbeit mit dem Datenschutzrecht widerspiegelt. Die Antwort hierauf wird bei den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern unterschiedlich ausfallen, da dies vom Inhalt der persönlichen Arbeitsfelder abhängt. Ob allerdings generell in der Wirtschaft, an die sich der Kommentar laut Vorwort mit „bewusst unternehmensbezogener Schwerpunktsetzung“ wendet, BDSG und TTDSG zusammengenommen eine Bedeutung haben, die der Bedeutung der DS-GVO in etwa gleichkommt, kann man mit erheblicher Skepsis betrachten.
Einen völlig anderen Ansatz wählt der „Praxis-Kommentar DSGVO“. Er fokussiert sich ganz auf die DS-GVO. Hinweise zum nationalen Datenschutzrecht sind vor allem dort enthalten, wo es gewissermaßen gar nicht anders geht. Ein Beispiel hierfür bildet die Kommentierung zu Art. 83 DS-GVO. Hier ist die Verknüpfung mit den Vorschriften des OWiG, vermittelt durch § 41 BDSG, in ihren wesentlichen Zügen dargestellt. Demgegenüber fehlt eine solche Darstellung des nationalen Rechts bei Art. 88 DS-GVO völlig, obwohl sie hier wohl mindestens genauso naheläge. Die bewusst europäische Ausrichtung steht bei diesem Kommentar also ganz im Vordergrund. Dass die Herausgeber laut Vorwort gleichwohl einen „echten Praxis-Kommentar“ schaffen wollten, belegt im Kontrast zum inhaltlich identischen Anspruch des „Plath“, wie unterschiedlich sich die Erfordernisse der - wie auch immer definierten - Praxis einschätzen lassen.
Ungewöhnlich ist die hybride Ausgestaltung des Praxis-Kommentars. Soweit ersichtlich, beginnt die gedruckt vorliegende Kommentierung keines einzigen Artikels der DS-GVO mit der Randnummer 1. Vielmehr findet sich stets der Hinweis, Basisinformationen zur jeweiligen Vorschrift seien in der Online-Fassung der Kommentierung zu finden. Dies gilt selbst für eine Bestimmung wie Art. 99 DS-GVO, die von Haus aus nur eine vom Umfang her kurze Kommentierung erfordert. Bleibt die Frage, warum es dann überhaupt noch eine Printausgabe des Werks gibt. Denn wer die vollständige Kommentierung eines Artikels vor Augen haben will, muss ohnehin auf die Online-Fassung zugreifen. Doch mögen dies die Nutzerinnen und Nutzer entscheiden. Möglicherweise gibt es tatsächlich Profis, denen die Grundlagen ohnehin so vertraut sind, dass sie ohne Rückgriff darauf im Alltag allein mit den weiterführenden Darlegungen des gedruckten Werkes zum jeweiligen Artikel arbeiten können und wollen.
Insgesamt legt die höchst unterschiedliche strukturelle Ausgestaltung der beiden Werke nahe, dass der grundlegende Umbruch des Datenschutzrechts noch nicht vollständig verarbeitet ist. Dies führt zu einer Suche nach der adäquatesten Herangehensweise, die möglicherweise in Zukunft noch zu ganz anderen neuen Ansätzen führen wird. Solches ereignet sich nicht auf vielen Rechtsgebieten. Aber das Datenschutzrecht ist und bleibt eben eine besondere Materie.