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Sammelrezension zu DMA/DGA/DSA

Professor Dr. Thomas Hoeren ist Direktor der zivil-rechtlichen Abteilung des Instituts für Informa-tions-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Mitherausgeber der ZD.

Jens Peter Schmidt/Fabian Hübener (Hrsg.), Das neue Recht der digitalen Märkte, Digital Markets Act (DMA), Baden-Baden (Nomos) 2023, ISBN 978-3-8487-7412-8, 59 EUR

Rupprecht Podszun (Hrsg.), Digital Markets Act: DMA, Gesetz über digitale Märkte, Handkommentar, Baden-Baden (Nomos) 2023, ISBN 978-3-8487-7881-2, 129 EUR

Louisa Specht-Riemenschneider/Moritz Hennemann, Data Governance Act: DGA, Baden-Baden (Nomos) 2023, ISBN 978-3-8487-8340-3, 129 EUR

Franz Hofmann/Benjamin Raue (Hrsg.), Digital Services Act: DSA, Gesetz über digitale Dienste, Baden-Baden (Nomos Verlag) 2023, ISBN 978-3-8487-7882-9, 159 EUR

ZD-Aktuell 2023, 04499   Das europäische Datenwirtschaftsrecht gewinnt an Konturen, nicht zuletzt dank der verschiedenen EU-Rechtsakte. Es ist jetzt schon absehbar, dass eine Fülle von Habilitationen und Promotionen diese Regelwerke kommentieren, ergänzt um ein Bündel von Kommentarwerken, Monografien und Aufsätzen. Es ist schon faszinierend, im Rahmen einer Sammelrezension zusammenzufassen, wie in Deutschland das Publikationsgeschäft rund um diese europäischen Regelwerke entsteht. Maßgeblich ist natürlich der Verlag C.H.Beck, aber nicht über den Stammverlag, sondern über den Ableger Nomos. Dieser hat offensichtlich die Möglichkeit, relativ einfach, kostengünstig und schnell Fachliteratur aus dem Boden zu stampfen.

Das begann für das europäische Datenwirtschaftsrecht mit einem Schnellschuss zum DMA. Im Rahmen von NomosPraxis haben zwei Brüsseler Anwälte ein Team vornehmlich aus der Anwaltschaft konfiguriert und die kartellrechtlichen Bestimmungen des DMA auf 189 Seiten kursorisch beschrieben. Das Werk kommt weitgehend ohne Belege aus und erwähnt sehr wenige Aufsätze, dafür aber zum Begriff Compliance das Rechtswörterbuch von Weber. Stattdessen findet sich ein längeres Glossar zu langatmigen und überflüssigen Beschreibungen der Begriffe Kartellrecht oder Binnenmarkt. Die Entstehungsgeschichte des DMA wird nicht geschildert; insbesondere fehlt auch der Blick auf die parallele Regulierung der digitalen Ökonomie im GWB. Streitigkeiten und die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen gibt es ebenso wenig wie die Einbeziehung von Stellungnahmen während des Regulierungsprozesses in Brüssel. Das Ganze empfiehlt sich für denjenigen, der an einem Nachmittag einen schnellen Einblick in den DMA bekommen will, ohne Tiefgang, dafür aber kostengünstig.

Da ist der Handkommentar von Podszun wirklich ein ganz anderes Kaliber. Unter der Reihe Handkommentar gibt der Nomos Verlag zusammen mit zwei Schwesterverlagen aus Österreich und der Schweiz seit Jahren praxisgängige, aber wissenschaftlich fundierte Kommentare heraus - für denjenigen, der etwa für die forensische Beratung einen guten Einblick in Streitstände braucht. Und Podszun, renommierter Kartellrechtskollege von der Universität Düsseldorf, macht das als Herausgeber sehr gut. Schon im Vorwort gibt er zu, dass man die 1. Auflage dieses Kommentars am besten als eine Art Plattform der Ideen begreifen solle. Und er geht weiter: Ein Monopol auf die Auslegung des DMA werde diese Plattform (leider) nicht erreichen. In diesem Buch kommentieren nicht nur Anwälte, sondern auch Ministerialbeamte und Wissenschaftler mit. Neben der Kommentierung der einzelnen Artikel finden sich im Anhang auch Erwägungsgründe; warum die Verfasser nicht den DMA selbst als Text abgedruckt haben, bleibt allerdings ein Rätsel. Sehr schön wird jeder einzelne Artikel mit Literaturangaben ergänzt und in der Kommentierung selbst die Entstehungsgeschichte mit einbezogen. Jedes einzelne Gebot aus Art. 5 wird genauestens seziert und bewertet. Dabei sind die Bewertungen durchaus kritisch. Die Neuerungen des GWB werden voll einbezogen.

Etwas schwächer fällt in der gleichen Reihe der Handkommentar von Specht-Riemenschneider und Hennemann zum DGA aus, der wahrscheinlich nie das große Gericht der Praxis erleben wird. Erfreulicherweise erklären die Autoren schon in der Einführung, dass die große Kritik, die der DGA erhalten habe, die Autoren nicht davon abgehalten habe, das vorliegende Kommentarprojekt anzugehen. Man hätte sich aber dennoch vielleicht etwas Zeit lassen können, um zumindest das Durchführungsgesetz zum DGA abzuwarten. Das Werk wurde wohl vor allem von Doktoranden und Mitarbeitern aus Bonn vorbereitet; nur mit zwei Autoren kann man so einen Kommentar nicht stemmen. Im Vorwort wird dann auch noch auf eine englischsprachige Version des Kommentars hingewiesen, der in einer Kooperationsreihe der Verlage Beck, Hart und Nomos erscheinen soll. Damit sprechen die Verfasser ein wichtiges Thema an: Parallel zu den europäischen Digitalgesetzen muss sich auch juristische Forschung in Deutschland daran gewöhnen, dass man mehr über die Grenzen schaut und nicht nur sich selbst als deutsche Autoren wahrnimmt. Man wird wohl endlich zu transnationalen Gemeinschaftskommentaren zumindest für die europäische Regulierung kommen müssen. Eine der großen Stärken von Specht-Riemenschneider ist die umfassende Auswertung von diversen Dokumenten des Parlaments, des Rates und der Kommission. Man merkt, dass die Verfasserin persönlich in der Regulierungsgeschichte steckt und daher direkten Zugang zu diversen Materialien hatte. Ausführlich gewürdigt werden jeweils die Entstehungsgeschichte und die Erwägungsgründe. Man scheut sich aber vor deutlicher Kritik (anders allerdings Hennemann in seiner Kommentierung etwa zu Art. 16 Rn. 22 ff.).

Das umfangreichste Werk beschäftigt sich mit dem DSA. Es ist erschienen in der Nomos-Reihe Kommentar. Dieses Werk hat mir am besten gefallen. Franz Hofmann (Universität Erlangen- Nürnberg) und Benjamin Raue (Universität Trier) ist es auf mehr als 1.000 Seiten gelungen, eine hochwertige umfassende Kommentierung des wichtigsten Regelwerks der Digitalreform zu erstellen. Zu diesem Erfolg tragen auch die Mitstreiter bei - eine bunte Mannschaft aus verschiedenen europäischen Staaten, vornehmlich Universitäten. Jeder einzelne Artikel wird mit umfangreichen Literaturhinweisen, auch zur englischen und französischen Literatur, garniert. Die Kommentierung ist sehr auf die Entstehungsgeschichte bedacht und bezieht auch zahlreiche Fremdmeinungen mit ein. Ein solches Buch rezensiere ich gerne, wohl wissend, dass es hinterher meinen privaten Wissenschaftsapparat ergänzt. Wer also schon jetzt zB etwas über die Haftungsbestimmungen nach dem DSA wissenschaftlich fundiert erfahren will, sollte den neuen Kommentar unbedingt kaufen und studieren.

Es zeichnet sich noch nicht ab, wie sich die Art der Kommentierung weiterentwickelt. Ich träume von einem neuen Typus Kommentar, der, wie gesagt, passend zum europäischen Recht auch europäische Kommentartraditionen entwickelt und die unterschiedlichen nationalen Trends bei der wissenschaftlichen Durchdringung eines EU-Rechtsakts weitertreibt.

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