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Frankreich: Verfassungsgericht bestätigt KI-basierte Videoüberwachung bei Olympischen und Paralympischen Spielen 2024

RAin Katharina Kollmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäisches Medienrecht e. V. (EMR), Saarbrücken.
ZD-Aktuell 2023, 01224   Mit Entscheidung v. 17.5.2023 hat der französische Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) die Rechtmäßigkeit der vorgesehenen KI-basierten Videoüberwachung der Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris im kommenden Jahr bestätigt.

Grundlage für den Einsatz der geplanten Videoüberwachung ist das vom französischen Parlament im April 2023 beschlossene Gesetz über die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 und verschiedene andere Bestimmungen. Das Gesetz sieht vor, dass bis zum 31.3.2025 versuchsweise und ausschließlich zur Gewährleistung der Sicherheit von Sport-­, Freizeit- oder Kulturveranstaltungen, die auf Grund ihres Besucheraufkommens oder ihrer Umstände besonders anfällig für Terroranschläge oder schwere Angriffe auf die Sicherheit von Personen sind, „intelligente“ Videoüberwachung zum Einsatz kommen soll. Die entsprechenden Aufnahmen sollen mit Hilfe von Videoüberwachungssystemen oder mit Hilfe von Kameras an Luftfahrzeugen (zB Flugzeuge, Drohnen) gefertigt werden. Dabei sollen unter Anwendung algorithmischer Verfahren, die uU auf maschinellem Lernen beruhen, vorher festgelegte Ereignisse (zB bestimmte Bewegungen von Menschenmengen, herrenlose Taschen oder sonstiges verdächtiges Verhalten) an Veranstaltungsorten, in deren Umgebung und in öffentlichen Verkehrsmitteln in Echtzeit identifiziert und gemeldet werden.

Mehr als 60 oppositionelle Abgeordnete hatten einen Antrag auf Überprüfung des Gesetzes beim französischen Verfassungsrat gestellt. Einer der Kritikpunkte war, dass die maßgeblichen Bestimmungen u. a. das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzten. Außerdem würde die Erfassung bestimmter Ereignisse zwangsläufig zur Verarbeitung biometrischer Daten, dh Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer natürlichen Person, die ihre eindeutige Identifizierung ermöglichen oder bestätigen, führen, obwohl das Gesetz dies verbiete. Die antragstellenden Abgeordneten kritisierten ferner, dass die Bestimmungen gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen. Denn die Kriterien, auf denen die algorithmische Verarbeitung beruhen würde, würden nicht jegliche Diskriminierung ausschließen. Nicht zuletzt werde die Sicherheit und Würde der Person verletzt, da die Verarbeitung von Bildern durch Algorithmen ohne das Eingreifen eines Menschen erfolge.

Das französische Verfassungsgericht hat entschieden, dass das umstrittene Gesetz im Hinblick auf die Bestimmungen zur KI-basierten Videoüberwachung verfassungskonform sei. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens vor. Der Gesetzgeber verfolge mit der Verabschiedung der angefochtenen Bestimmungen das verfassungsmäßige Ziel, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, könne er die algorithmische Verarbeitung von Bildern erlauben. Zwar erfordere der Einsatz von derartigen Überwachungssystemen eine systematische und automatisierte Analyse der aufgenommenen Bilder, um die Anzahl und die Genauigkeit der daraus gewonnenen Informationen zu erhöhen. Um das Recht auf Privatsphäre zu schützen, müsse der Einsatz solcher Überwachungssysteme daher mit besonderen Garantien verbunden sein.

Die angefochtenen Bestimmungen sähen vor, dass bei der algorithmischen Verarbeitung keine Gesichtserkennungstechnik eingesetzt wird, kein biometrisches Identifizierungssystem verwendet wird und keine biometrischen Daten verarbeitet werden. Laut den Verfassungsrichtern obliegt es den Behörden, sicherzustellen, dass die Aufnahmen ohne Rückgriff auf solche Techniken oder Daten angefertigt werden können.

Nicht zuletzt gehe aus den angefochtenen Bestimmungen hervor, dass die verwendeten algorithmischen Verarbeitungen während ihrer gesamten Laufzeit und vor allem, wenn sie auf maschinellem Lernen beruhen, die Möglichkeit bieten müssen, die Objektivität der gewählten Kriterien und die Art der verarbeiteten Daten zu überprüfen. Neben menschlichen Kontrollmaßnahmen sei ein Risikomanagementsystem vorgesehen, um das Auftreten möglicher Verzerrungen oder Fehlanwendungen zu verhindern und ggf. zu korrigieren. So habe der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Entwicklung, Umsetzung und mögliche Weiterentwicklungen der algorithmischen Verarbeitung stets unter der Kontrolle von Menschen bleiben.

Das Gesetz wurde nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts am 19.5.2023 verkündet und am 20.5.2023 im Amtsblatt veröffentlicht.

 

Weiterführende Links

Vgl. auch Schindler ZD-Aktuell 2021, 05221; Etteldorf ZD-Aktuell 2023, 01125 und Schürmann ZD 2022, 316.

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