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Buchner/Petri (Hrsg.), Informationelle Menschenrechte und digitale Gesellschaft

Dr. Eugen Ehmann ist Regierungspräsident von Unterfranken sowie Mitglied im Wissenschafts-beirat der ZD.
Benedikt Buchner / Thomas Petri (Hrsg.), Infor-mationelle Menschenrechte und digitale Gesell-schaft, Tübingen (Mohr Siebeck) 2023, ISBN 978-3-16-161638-9, 74 EUR

ZD-Aktuell 2023, 04489   Einer Professorin wird anlässlich ihres 85. Geburtstags ein Sammelband gewidmet, der die Bezeichnung „Festschrift“ zwar nicht im Titel führt, aber angesichts des auf ihr persönliches Wirken zugeschnittenen Inhalts der Sache nach eine solche darstellt. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es manchen erscheinen mag. Denn zum einen scheinen solche Werke im akademischen Bereich in den letzten Jahren generell deutlich seltener geworden zu sein. Zum anderen handelt es sich bei der Geehrten - anders als manche angesichts ihres exzellenten fachlichen Rufs immer wieder einmal vermuten - nicht etwa um eine emeritierte Lehrstuhlinhaberin an einer Universität, sondern um eine Professorin an der Hochschule München.

Doch es hat eben seine guten Gründe, warum der derzeitige Präsident dieser Hochschule, Martin Leitner, in seinem Vorwort Marie-Theres Tinnefeld als „Grande Dame des deutschen und europäischen Datenschutzrechts“ würdigt. Und so scheint es nur konsequent, dass sich unter der Herausgeberschaft von Benedikt Buchner und Thomas Petri ein gutes Dutzend weithin bekannter Datenschützerinnen und Datenschützer zusammengefunden hat, um ihr ein fachliches Blumenbouquet zum besonderen Geburtstag zu überreichen, sehr schön gebündelt in dem ausgesprochen persönlich geprägten, den Sammelband abschließenden Beitrag „Epilog: Rosen für den Datenschutz“ von Helmut Bäumler.

Die thematische Bandbreite des äußerlich gar nicht so umfangreichen Sammelbands fällt beeindruckend aus und kann nur angedeutet werden. Eine Säule des Werks besteht aus Beiträgen von (keineswegs nur Rechts-)Wissenschaftlern aus Deutschland und dem europäischen Ausland wie Vyautuas Cyras, Irena Lipowicz, Louisa Specht-Riemenschneider, Thomas Hoeren, Thomas Knieper, Friedrich Lachmayr, Burkhard Schafer und Wolfgang Schmale. Eine zweite Säule bilden Beiträge von Persönlichkeiten, deren Tätigkeitsschwerpunkt in der praktischen Umsetzung des Datenschutzes lag oder liegt, wie Helmut Bäumler, Alexander Dix und Marit Hansen. Die dritte Säule des Werks spricht mit Beiträgen von Sabine Leutheuser-Schnarrenberger und Anke Zimmer-Helfrich vorrangig gesellschaftliche Bezüge des Datenschutzes an.

 Mit den Begriffen „Datenschutz und Technik“ sowie „Datenschutz durch Technik“ lässt sich der Beitrag von Marit Hansen grob charakterisieren. Was sie anspricht und gut zusammenfasst, sind heute breit berücksichtigte Diskussionsthemen. Heute, wohlgemerkt. Als Marie-Theres Tinnefeld begann, sich dem Datenschutz zu widmen, waren dies noch eher als exotisch empfundene Ansätze. Datenschutz, rechtlich geprägt, und Datensicherheit, technisch geprägt, wurden meist als Felder verstanden, die sich zwar berührten, aber nicht ineinander verschränkt waren. Es gehörte Geduld und Hartnäckigkeit dazu, diese Sichtweise schon damals infrage zu stellen und ihre Überwindung anzubahnen.

Oft ging es der Geehrten um das Grundsätzliche, das gerade angesichts der Fülle von Detailfragen in Datenschutz, die sich ständig neu ergeben, immer wieder aus dem Blick zu geraten droht. Unter diesem Aspekt passt der Beitrag von Wolfgang Schmale zum Thema „Digitaler Human(itar)ismus“ wunderbar in die Festschrift. Schon der Begriff des Humanismus ist heute vielen fremd. Mit dem Begriff des Humanitarismus werden vermutlich noch viel weniger Leserinnen und Leser spontan etwas anfangen können. Aber darauf kommt es genau besehen nicht an. Viel wichtiger ist die Bereitschaft, sich einfach einmal auf die Überlegungen einzulassen. Wer dies tut, wird feststellen, dass er in kurzer Zeit in höchst aktuelle Fragestellungen geführt wird. Er wird dabei zudem beiläufig ein schönes Beispiel dafür vor Augen haben, wie der Google Ngram Viewer bei begriffsgeschichtlichen Fragestellungen in kürzester Zeit eine erste Orientierung bietet, die ohne ein solches digitales Werkzeug schlicht nicht erstellt werden könnte.

Bemerkenswert erscheint, wie oft die Abhandlung von Marie-Theres Tinnefeld zum Thema „Privatheit, Garten und politische Kultur“ aus dem Jahr 2003 in Bezug genommen wird, so etwa von Bäumler und Hansen, die oben schon angesprochen wurden, aber zB auch in dem Beitrag von Burckhard Schafer. Nun mag sich dies wegen der Assoziation von Garten und Blumen bei einer Würdigung zum 85. Geburtstag schon vordergründig anbieten. Doch dürfte ein tiefergehender, inhaltlicher Aspekt mindestens ebenso wichtig sein.

Denn natürlich ist den Autorinnen und Autoren bewusst, dass einerseits Privatheit und Datenschutz sich nicht decken, andererseits aber das Verständnis von Privatheit im jeweiligen persönlichen Umfeld wesentlich auch das Verständnis von Datenschutz prägt. Gemessen daran wird Privatheit in Deutschland überraschend wenig diskutiert. Im anglo-amerikanischen Bereich ist dies anders. Ganze Bücher zum Thema sind dort leicht zu finden, so etwa Peter Ward, A History of Domestic Space: Privacy and the Canadian Home. Man darf vermuten, dass es der Geehrten eine große Freude bereiten würde, wäre der Sammelband zu ihren Ehren der Anlass dafür, dass dieses Thema und seine zahlreichen Facetten künftig den ihm gebührenden Widerhall auch in deutschen Veröffentlichungen fänden.

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