CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
Zeitschrift für Datenschutz | Banner

EuGH: Systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten EU-rechtswidrig

Redaktion

ZD-Aktuell 2023, 01067   Auf Vorlage eines bulgarischen Strafgerichts hat der EuGH (Urt. v. 23.1.2023 – C-205/21; ZD wird die Entscheidung demnächst veröffentlichen) entschieden, dass die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller Personen, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt werden, unzulässig ist.

Eine bulgarische Staatsangehörige, die der Begehung einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt wurde, hatte sich gegen die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Lichtbild, Fingerabdruck, DNA-Abgleich) gewährt. Das für die Entscheidung über die zwangsweise Vornahme dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zuständige Strafgericht, das den Vorwurf der Begehung einer vorsätzlichen Offizialstraftat selbst nicht prüfen konnte und durfte, hat dem EuGH vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die ersten beiden Fragen betrafen die vermeintlich widersprüchlichen Bezugnahme des nationalen Rechts zur Regelung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auf Art. 10 der RL (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (RL Polizei und Justiz) und Art. 9 DS-GVO. Mit der dritten Frage wollte das Gericht klären lassen, ob die Tatsache, dass ist selbst den Vorwurf der Begehung einer vorsätzlichen Provinzialstraftat bei der Entscheidung über die Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht prüfen kann, einen Verstoß gegen das in Art. 48 GRCh Gebot der Unschuldsvermutung und des Rechts auf wirksamen Rechtsbehelf darstellt. Mit der letzten Frage wollte das Gericht wissen, ob die nach nationalem Recht bestehende generelle Verpflichtung, Vorwurf des Beginns einer Provinzialstraftat alle o. g. erkennungsdienstlichen Maßnahmen erdulden zu müssen gegen Art. 10 RL Polizei und Justiz verstößt.

Der EuGH hat in den ersten beiden Fragen festgestellt, dass die Verarbeitung biometrischer und genetischer Daten zu Zwecken der Kriminalitätsbekämpfung nach Art. 10 lit. a RL Polizei und Justiz zulässig ist, wenn das die Richtlinie umsetzende nationale Recht hinreichend klar, präzise und unmissverständlich vorgibt dass die Richtlinie und nicht die DS-GVO umgesetzt wird. Die dritte Frage beantwortet das Gericht damit, dass die Beschränkung der Prüfungskompetenz des für die Entscheidung über die erkennungsdienstlichen Maßnahmen zuständigen Gerichts nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, sofern das nationale Recht später eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Voraussetzungen, die zur Anordnung erkennungsdienstlichen Maßnahmen geführt haben, gewährleistet. Zur letzten Frage führte der EuGH aus, dass nationale Vorschriften, die die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller Personen, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt werden, ohne zu überprüfen und nachzuweisen, ob diese Erhebung zur Erreichung der konkret verfolgten Ziele unbedingt erforderlich ist und ohne Prüfung, ob diese Ziele nicht auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden können, gegen Art. 10 der RL verstoßen.

Anzeigen:

ZD 4Wochen Testabonnement

beck-online DatenschutzR

Teilen:

Menü