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Systemisches Versagen bei Cum-ex

Von Fabio De Masi | Okt 01, 2024

Cum-ex Aktiengeschäfte und ähnliche Gestaltungen (etwa Cum-cum Geschäfte) sind ein deutsches True Crime Genre. Ich habe das komplizierte Aktien-Karussell öfters mit der Metapher eines kopierten Pfandbons beschrieben:

 

Man gibt eine Bierflasche im Supermarkt ab, legt den Pfandbon auf den Kopierer und schickt die Freunde an die Supermarktkasse. Was in der Realität des Supermarkts nicht funktioniert, geschah über viele Jahre auf dem Kapitalmarkt, weil die Finanzverwaltung nicht befähigt wurde, etwa über einen IT-gestützten Abgleich, Anträge auf Erstattung der Kapitalertragssteuer mit tatsächlich entrichteten Kapitalertragssteuern abzugleichen.

 

Die Verbindung zwischen Politik und dieser organisierten Finanzkriminalität haben die Öffentlichkeit zu Recht empört: Da wären etwa die zweifelhaften Erinnerungslücken des aktuellen Bundeskanzlers Olaf Scholz an Cum-ex-Gespräche mit dem Ex-Warburg-Eigentümer Christian Olearius und die anschließende steuerliche Verjährung der Tatbeute. Die „Erinnerungslücke“ hat es als geflügelter Witz in den deutschen Sprachgebrauch geschafft und dem Rechtsempfinden der Bevölkerung großen Schaden zugefügt. Und zu guter Letzt quittierte Deutschlands wichtigste Cum-ex-Anklägerin Anne Brorhilker den Dienst, da sie sich von der Politik behindert sah.

 

Meines Erachtens gehören zu diesem systematischen Versagen zwei Aspekte: Erstens, die Anreizstrukturen, die es verhindern, große IT-Projekte in der Finanzverwaltung anzuschieben, die wie bei Bauprojekten häufig große Probleme und wenig kurzfristigen politischen „return on investment“ versprechen, da die Erträge aus der Bekämpfung von Finanzkriminalität womöglich einem Finanzminister mit anderem Parteibuch zufließen. Zweitens war Cum-ex auch ein eleganter Weg, nach der Finanzkrise die eigenen Banken auf Kosten der Allgemeinheit zu rekapitalisieren ohne unpopuläre Bankenrettungen. Dies hat meines Erachtens zumindest bei den Landesbanken (etwa bei der HSH Nordbank) eine Rolle gespielt, zumal der Einzug der Taterträge, der im Steuerverfahren und nicht im Strafprozess erfolgte, in den Länderfinanzausgleich floss.

 

Es war einer meiner größten Erfolge in der Opposition, dazu beigetragen zu haben, dass die Abschöpfung steuerlich verjährter Tatbeute im Strafprozess auch rückwirkend ermöglicht wird. In dieser Ausgabe der NZWiSt geht es nun um die Rechtspraxis: Darf der Staat etwa Cum-ex-Tatbeute wie im Fall des Ex-Warburg-Eigentümers Christian Olearius doppelt kassieren und „überkompensiert“ werden? Dies wird damit begründet, dass die Tatbeteiligten die Tatbeute aufteilten und diese somit auch Beteiligten zufloss, die keine Steuern anrechneten und auch keine Steuern zurückzahlen mussten. Es bleibt spannend im Gerichtsaal.

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