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Thomas C. Knierim | Jun 01, 2023
An Privilegien für Whistleblower scheiden sich die Geister. Einerseits sollen das Legalitätsprinzip in Unternehmen und Amtsstuben gestärkt und Missstände aufgedeckt werden, andererseits soll dem ungebundenen Denunziantentum ein Riegel vorgeschoben werden. Wer die mittlerweile vierjährige Auslieferungshaft des Australiers und „WikiLeaks“-Gründers Julian Assange in London vor Augen hat, wird sich fragen, ob zumindest in Deutschland die juristischen Fragen zu solchen Privilegien für Whistleblower geklärt sind. Mit den am 11./12. Mai 2023 von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Änderungen im Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) (BT-Drs. 20/6700) werden nicht alle Hinweisgebende privilegiert.
Definitionsgemäß (§3 Abs. 2) beschränkt des HinSchG den Schutz auf Hinweise über rechtswidrige Verstöße aus dem beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Umfeld, die zum Anwendungsbereich (§ 2) gehören. Damit sind zwar sämtliche nationalen Strafvorschriften, zahlreiche Bußgeldnormen sowie einzelne EU-Rechtsvorschriften gemeint, doch die Tücke liegt in der Abgrenzung des beruflichen vom privaten Charakter eines Verstoßes. Außerdem sind Informationen von erheblicher Bedeutung ausgenommen (§ 5), insb. solche, die nationale Sicherheitsinteressen (einschließlich der kritischen Infrastruktur oder des staatlichen Beschaffungswesens) berühren, die Verschlusssachen, das richterliche Beratungsgeheimnis oder das Berufsgeheimnis der juristischen und der ärztlichen freien Berufe betreffen. Andere Informationsweitergaben, für die eine Verschwiegenheits- und Geheimnisschutzvorschrift besteht, sind nur unter weiteren Bedingungen privilegiert (§ 6). Neu ist, dass Whistleblower die Informationen aus dem eigenen Beschäftigungsverhältnis oder einem beruflichen Kontakt erlangt haben müssen (§ 3 Abs. 3). Die Präferenz für die Kommunikation an interne Meldestellen ist noch einmal deutlicher gefasst worden (§ 7). Schließlich wird von einer strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verantwortung nur befreit (§ 35 Abs. 1), wenn bei der Beschaffung als solcher oder dem Zugriff als solchem kein Straftatbestand verwirklicht wurde und wenn wahrheitsgemäß und offen kommuniziert wird (§ 33). Für Unterstützer und Plattformbetreiber besteht eine eigene Prüfungspflicht, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (§ 34).
Insgesamt also eine homöopathische Dosierung, Risiken und Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen.