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Dr. Gina Greeve | Jul 01, 2022
Mit Wirkung zum 29.12.2020 hob der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020 (BGBl. I S. 3096) § 375a AO auf und ergänzte stattdessen § 73e Abs. 1 StGB um eine Ausnahme der Ausnahmeregelung des Ausschlusses der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes im Fall des Erlöschens des Anspruchs. Danach gilt der Ausschluss der Einziehung nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind (§ 73e Abs. 1 S. 2 StGB). Entsprechend ergänzte der Gesetzgeber § 459g Abs. 4 StPO für das Vollstreckungsverfahren und regelte mit der Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB, dass abweichend von § 2 Abs. 5 StGB der neue § 73e Abs. 1 S. 2 StGB auch dann für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung gilt, wenn die Tat vor dem 29.12.2020 begangen worden ist.
Der BGH entschied mit Urteil vom 28.7.2021, dass Art. 316j EGStGB nicht gegen das zu beachtende Rückwirkungsverbot verstoße.
Das BVerfG bestätigte unter Berufung auf seine Entscheidung vom 10.2.2021 zu Art. 316h S. 1 EGStGB mit Beschluss vom 7.4.2022 (NZWiSt 2022, 276 in diesem Heft) erneut, dass kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gegeben sei, da die Vermögensabschöpfung eine Maßnahme eigener Art sei und keinen Strafcharakter habe. Gemessen am allgemeinen Rückwirkungsverbot liege eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, die – ausnahmsweise – aufgrund überragender Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Die Ausnahme der Ausnahmeregelung in § 73e StGB sei also ausnahmsweise zulässig, zumal das erworbene Vermögen ja weiterhin mit einem Makel behaftet sei.
Die gesetzlichen Verschärfungen dienen vor allem dem Zweck, den Ermittlungsbehörden für die Aufarbeitung der „milliardenschweren“ Cum/Ex-Fälle mehr Zeit zu geben. Unberücksichtigt bleibt jedoch, dass nach der Rechtsprechung eine besonders schwere Steuerhinterziehung bereits ab 50.000 EUR angenommen werden kann. Inwieweit daher und vor dem Hintergrund der enormen(!) langen Zeiträume eine Einziehungsmöglichkeit – ausnahmsweise – gerechtfertigt ist, überzeugt mit dem Argument der überragenden Belange des Allgemeinwohls gerade nicht und bleibt mehr als fraglich mit Blick auf den fundamentalen Grundgedanken der Verjährungsregeln. Auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Strafcharakter – zumindest einem strafähnlichen Charakter – von Einziehungsmaßnahmen blieb bedauerlicherweise erneut aus.