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Zeit für ein Bundesstrafgericht?

Von Professor Dr. Andreas Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig

Am BGH steigt die Zahl der Revisionen in Strafsachen deutlich. Waren es 2015 bis 2023 im Schnitt rund 3.100 Verfahren pro Jahr, gab es 2024 schon über 3.700 Eingänge. Für 2025 zeichnet sich Ähnliches ab. Bei den Ermittlungsrichtern des BGH gibt es immer mehr Verfahren. Zudem werden die Urteile der Landgerichte teils deutlich umfangreicher, die besonderen Belastungen des 3. Strafsenats als Haftprüfungs- und Beschwerdegericht in Staatsschutzsachen immer größer. Nachdem Anfang 2020 – gegen einige Widerstände – der 6. Strafsenat in Leipzig seine Arbeit aufgenommen, scheint die Einrichtung eines 7. Strafsenats nur noch eine Frage der Zeit.

Im Strafbereich sind beim BGH aktuell 47 Kolleginnen und Kollegen tätig. Wie an allen großen Gerichten unter dem Dach der ordentlichen Gerichtsbarkeit stellen sich auch beim BGH Fragen der Ressourcenverteilung zwischen Zivil- und Strafbereich und der Spezialisierung. Dass bei der Bundesrichterwahl die Bedürfnisse der Strafsenate berücksichtigt werden, ist – wie die Vergangenheit gezeigt hat – nicht garantiert. Eine ausreichende Ausstattung des Strafbereichs hängt daneben wesentlich von den Entscheidungen des angesichts der Mehrheitsverhältnisse von Zivilkollegen dominierten Präsidiums ab.

Angesichts der gewachsenen Bedeutung des Strafrechts, der nunmehr erreichten Größe des BGH und der zunehmenden Notwendigkeit einer Spezialisierung stellt sich die Frage, ob den Belangen der Strafrechtspflege des Bundes nicht – wie auf Landesebene in Berlin seit 1.1.2024 (vgl. § 60 Abs. 2 GVG) – durch ein eigenes Bundesstrafgericht besser gedient wäre. Nach den aktuellen Zahlen wäre es im Berufsrichterbereich personell stärker als BAG und BSG und nur wenig schwächer als BVerwG und BFH besetzt. Bei Bundesrichterwahlen und Präsidiumsentscheidungen stünden dann allein die Belange des Strafrechtsbereichs im Fokus. Dass sich dies auch auf der Ebene der Bundesanwaltschaft mit einer eigenen Revisionsbehörde – ähnlich der österreichischen Generalprokuratur – abbilden sollte, versteht sich von selbst. Ein Sitz an einem Ort könnte aufgrund des gemeinsamen Austauschs Divergenzen vorbeugen. Der Standort Leipzig würde nicht nur dem Geist der sog. Rutschklausel entsprechen, sondern auch der besonderen Verantwortung des Bundes, seiner Justiz in den östlichen Bundesländern (von manchen nach 35 Jahren immer noch als „neue Bundesländer“ bezeichnet) Präsenz und Aufmerksamkeit zu verschaffen. All dies würde die Revision in Strafsachen auf Bundesebene – auch im Bewusstsein der Bevölkerung – dauerhaft stärken.

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