Von Dr. Astrid Lilie, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht
In der EU sind strafrechtliche und ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Union noch sehr unterschiedlich geregelt. Während in Deutschland
Verstöße gegen EU-Sanktionen für Unternehmen hohe Geldbußen und für Einzelpersonen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren zur Folge haben können, liegt
der Sanktionsschwerpunkt in anderen europäischen Ländern teilweise nur auf
administrativen Maßnahmen.
Im April dieses Jahres hat die EU eine Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts erlassen. Mit der Richtlinie soll sicher
gestellt werden, dass einheitliche Mindestvorschriften bei der Sanktionierung
von Verstößen gegen außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften Anwendung finden. Die Richtlinie ist für die Mitgliedstaaten verbindlich und muss bis spätestens zum 20.5.2025 in nationales Recht umgesetzt werden. Besonderes Augenmerk gilt dem Katalog in Art. 3 der Verordnung, der diejenigen Tathandlungen
aufzählt, die künftig als Straftat zu ahnden sind. Ausdrücklich genannt sind
auch Umgehungs- sowie Verschleierungshandlungen, ebenso Tathandlungen im Transaktions- und
Finanzbereich. Die leichtfertige Begehung solcher Tathandlungen, die Dual-Use-Güter betreffen, wird
künftig als Straftat sanktioniert werden. Daneben stellt die Richtlinie klar, dass humanitäre Hilfe von
bedürftigen Personen nicht unter Strafe gestellt sein soll, und sieht für Angehörige von Rechtsberufen
einen persönlichen Strafausschließungsgrund vor.
Seit dem 30.8.2024 liegt ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vor, der insbesondere Änderungen und Ergänzungen der §§ 18 und 19 AWG
sowie des § 82 AWG vorsieht. Hervorzuheben ist die Verschärfung des Höchstmaßes der Geldbußen
für juristischen Personen. Im Falle einer Straftat nach § 18 Abs. 1 AWG beträgt das Höchstmaß der
Geldbuße abweichend von § 30 Abs. 2 OWiG künftig 40 Mio. Euro. Von der in der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, einer prozentualen sich am (weltweiten) Unternehmensumsatz orientierende
Geldbuße zu verhängen, macht der Referentenentwurf keinen Gebrauch. Die aus dem Kartellrecht
stammenden Tendenz einer prozentualen Geldbuße findet im europäischen Recht, beispielsweise im
europäischen Datenrecht immer weiter Einzug, sodass es fast schon verwundert, dass der Entwurf
eine Höchstgrenze für die Geldbuße vorsieht.
Durch die Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
der Ermittlungsbehörden einfacher und effektiver werden. Deutsche Unternehmen werden vor dem
Hintergrund der Gesetzesänderungen ihre internen Kontrollsysteme verstärken müssen. Gerade die
Ahndung von leichtfertigen Verstößen beim Handel mit Dual-Use-Gütern erhöht die Gefahr der persönlichen Haftung von Mitarbeitenden.