Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Jürgen Taschke, Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Das Strafverfahren gegen Christian Olearius, 82 Jahre alt, früherer Miteigentümer der Warburg Bank, angeklagt wegen seiner Einbindung in Cum-Ex-Transaktionen, ist wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit eingestellt worden. Olearius beteuerte seine Unschuld, verlangte einen Freispruch. Das Einstellungsurteil des Landgerichts Bonn lässt Schuld und Unschuld offen. Olearius‘ rechte Hand bei den Transaktionen traf es härter. Der frühere Generalbevollmächtigte musste vor wenigen Tagen mit neunundsiebzig Jahren eine fünfeinhalbjährige Haftstrafe antreten.
War die Rechtslage so eindeutig, wie der Bundesgerichtshof im Urteil vom 28. Juli 2021 (NZWiSt 2021, 245 mAnm Ransiek, Heger) entschieden hat? Cum-Ex-Transaktionen seien von Beginn an „Kreislaufgeschäfte“ gewesen, die aufgrund der Transaktionskosten Verluste verursacht hätten, wenn nicht die Gewinne aus der Erstattung oder Anrechnung nicht abgeführter Steuern gewesen wären. Es soll zum Verlust des staatlichen Strafanspruchs – nicht des Steueranspruchs – führen, dass Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Bankenaufsicht eine von Rechtsunsicherheit geprägte Praxis duldeten (Salditt FS Dannecker, 2023, 327). Auf den höchstrichterlichen Prüfstand ist dieses Verteidigungsargument bisher nicht gestellt worden.
Rechtsanwälte waren die „Herren des Codes“ (Pistor, Der Code des Kapitals, 2020, 251), innovativ, phantasievoll, vertraut mit Aktienhandel und Steuerrecht. Sie entwickelten Strukturen, schrieben Gutachten, gewannen Banken und Fonds zur Zusammenarbeit, akquirierten und begleiteten Investoren. Mit den Geschäften würden „Arbitragemöglichkeiten“ und „Marktineffizienzen“ genutzt, so hieß es. Eine Beratungsindustrie entstand, die ineinander verwobenen komplexen und undurchsichtigen Vereinbarungen zwischen dem Leerverkäufer von Aktien mit Dividendenanspruch, dem Leerkäufer, den Stückegebern von Aktien ohne Dividendenanspruch, Dividendenkompensationszahlungen, Kurssicherungsgeschäften jenseits marktgerechter Preise, dem Rückerwerb der Aktien ohne Handel, all das musste abgestimmt und vertraglich geregelt werden. Die Begriffe „Absprachen“ und „Leerverkäufe“ waren Unworte. Jenseits davon ließ sich die Vorstellung pflegen, risikolose Gewinne aus der mehrfachen Erstattung nur einmal abgeführter Steuern seien „Haarrissen in den Regelungen“ (Schäuble, Erinnerungen, 2024, 517) zu verdanken, winzigen Lücken im Steuerrecht, aufgespürt von klugen Beratern. Es war die moderne Wiederkehr des Goldesels aus den Grimm’schen Hausmärchen, der zwar nicht auf Zuruf eines Zauberworts vorne und hinten Gold ausschüttet, sondern beliebig oft die Anrechnung und Erstattung von Steuern ermöglicht.
Es gab Bankiers, die sich von den lukrativen Geschäften von Anfang an fernhielten, und Rechtsanwälte, die wegen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung von einer Mitwirkung abrieten. Sie glaubten nicht, dass es den märchenhaften Goldesel gibt.